Richtig ist jedoch eher das Gegenteil: Die
meisten einzelnen Darbietungen sind stark, sie werden jedoch nur
lose und in der Art eines Nummernprogramms miteinander
verbunden. Auch das achtköpfige Ballett, vier Damen und vier
Herren, wird etwas weniger eingesetzt als in den vergangenen
Saisons.
Master of Hellfire
Begleiter durch den Abend ist der „Master
of Hellfire“ Hubertus Wawra, in Deutschland bestens bekannt von
Flic Flac. Dort hat er sich für „Ohlala“ eine mehrwöchige
Auszeit genommen. Mit seinen frechen Sprüchen („Du hast so
weiche Hände – bist du arbeitslos?“) fügt er sich natürlich
perfekt in eine Circusshow, die auch provozieren möchte. Zum
Beginn der Show spielt er Gitarre, während seine Lederjacke in
Flammen aufgeht. Das kommt bereits super an. Das Publikum
klatscht begeistert mit. Vor der Pause sehen wir seine „heiße
Nummer“, in der er droht, eine äußerst attraktive Zuschauerin
mit einem Flammenwerfer quasi von der Bühne zu pusten. Was
natürlich nicht geschieht. Im zweiten Programmteil gönnt er sich
einen kräftigen Schluck aus der Flasche "Ajax Glasreiniger" und
ordentlich „Koks“ aus dem Vorratsglas. Damit sind offenbar die
notwendigen Grundlagen gelegt, um brennende Wäscheklammern an
den eigenen Brustwarzen zu befestigen oder beim Feuerschlucken
die Flammen von einem rotierenden Bohrer aufzunehmen.
Maryna Mazepa, Saulo Sarmiento,
Tosca Rivola
Nach dem Gitarrenspiel des „Masters of
Hellfire“ gehört die Bühne am Showbeginn zunächst dem Ballett in
aufreizenden Kostümen und Maryna Mazepa mit einigen Kontorsionen.
Offenbar möchte die Dame den Strick nehmen, doch letztlich wird
sie von den Tänzern in das Tau verschnürt und von der Bühne
getragen. Eine Darbietung, auf die das Publikum irritiert
reagiert. Riesenbegeisterung dagegen gleich darauf bei Saulo
Sarmiento. Der Spanier vereint in seiner Darbietung alles, was
eine sinnlich-moderne Circusshow braucht: blendendes Aussehen
inklusive durchtrainiertem Traumkörper, ein innovatives Requisit
und hervorragendes Können. Am hängenden, schwingenden und sich
drehenden Mast hält er sich beispielsweise nur mit einer Hand
oder den Beinen, während er über der Manege schwebt. Ihm hätte
man gerne noch länger zugesehen. Danach wird es wieder Zeit für
weibliche Reize. Die Schweizerin Tosca Rivola präsentiert sich
in einem recht freizügigen Auftritt als die Burlesque-Tänzerin
unter den Cyrrad-Artistinnen.
Duo Throwings, Naked Lunch, Mario - the Queen of
the Circus
Nachdem Komiker Captain Frodo in den
ersten Tagen des Ohlala-Gastspiels noch nicht zur Verfügung
stand, wurde er zunächst von „Mario, the Queen of the Circus“
vertreten. Dieser Artist, laut Selbstbeschreibung Angehöriger
der ersten Generation einer Circusfamilie, präsentiert sich als
Double von Freddie Mercury und kombiniert seine Balljonglagen
mit anzüglichen Sprüchen („Darf ich Ihnen eine Klitorismassage
anbieten?“) und ebensolchen Bewegungen. Noch komischer geht es
gleich im Anschluss weiter beim Auftritt von „Naked Lunch“ aus
Belgien und Irland. Die beiden Herren, Kevin Brooking und Colm
O’Grady, sind bis auf Socken, Schuhe und Kochmütze
splitterfasernackt. Die entscheidenden Stellen verbergen sie bei
Tanz und Akrobatik hinter handelsüblichen Pfannen. Gerne mit dem
Ziel, den Partner im Wortsinne bloßzustellen. Spätestens bei
ihrer absurden Hebeakrobatik kreischen ringsum Zuschauer vor
Vergnügen. 2014 gab es eine solche Darbietung bei "Ohlala" von
anderen Artisten mit Handtüchern statt Pfannen. Den artistischen
Höhepunkt des Programms liefert das kanadisch-weißrussische Duo
„ThroWings“ alias Anny Laplante und Andrei Kalesnikau. Am „Russian
Cradle“, einem Fangstuhl mit stehendem Fänger auf einer
Mastkonstruktion, präsentiert Anny diffizile, aber höchst
elegant und sicher gesprungene Kombinationen aus Salti und
Pirouetten. Am Ende gar mit verbundenen Augen. Diese Darbietung
wurde vom Ohlala-Kreativteam mit Musikdirektorin Giorgina Hauser
und Lichtmeister Christian Joller mit neuer Musik besonders
stimmungsvoll in Szene gesetzt. Sänger D’Angelo Lacy alias
„Black Gatsby“ begleitet hier, wie an weiteren Stellen im
Programm, die vierköpfige Band unter der Leitung von Orlandao
Ribar. Dies sind Momente, die zu den Stärken, ja Kernkompetenzen
jeder Produktion von Vater und Sohn Knie gehören: starke
Artistik, die mit erstklassiger, speziell ausgewählter Musik
veredelt wird.
Duo Midnight Story,
Ballett,
Yusura Circus
Mit „Wassercircus“ beginnt der zweite Teil
der Show. Das Ballett tritt hier nur mit weißer Unterwäsche
bekleidet auf. Von Figuranten in Raumfahrerkostümen werden die
Tänzerinnen und Tänzer mit Wasser besprüht. So lässt es sich
herrlich sündig über den mit Folien ausgelegten Bühnenboden
gleiten. Als sinnlicher Tanz choreographiert ist die
Hand-auf-Hand- und Wurfakrobatik des Duos Midnight Story alias
Olkesandr Chystakov und Alona Burlachenko. Zur Musikbegleitung
der „Dirty Diana“ überrascht hier beispielsweise der Trick, bei
dem sich die Partnerin von den in die Luft ausgestreckten Beinen
des liegenden Partners auf seinen Körper stürzt. In meditativer
Ruhe zeigt anschließend die Japanerin Sachiko Fukai alias „Yusura
Circus“ Bondage-Ästhetik im Rahmen einer Luftnummer an roten
Seilen, bis hin zum Genickhang. Ihre großflächigen Tattoos fügen
sich in diese spezielle Optik ein.
Pavel Stankevich,
Maryna Mazepa, Andrii
Maslov
Andrii
Maslov ist muskelbepackt wie ein Kraftathlet, doch sein Metier
sind die Balljonglagen. Bis zu sieben von ihnen hält er in
seiner modern gestalteten Nummer, spärlich bekleidet, in der
Luft. In ihrem Poledance kreiselt Maryna Mazea anschließend
ekstatisch um den Mast, ehe Handstandwunder Pavel Stankevich mit
seinem Ausnahmekörper für die Schlussnummer sorgt. Er zeigt,
dass Kraft und Flexibilität sich einander nicht ausschließen
müssen und beeindruckt unter anderem mit ausdauernden,
schwierigen Passagen auf einer Hand. Anerkennende Pfiffe aus den
Reihen der weiblichen Gäste sind ihm gewiss. |