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Ungarischer Nationalcircus - Tour 2016
www.magyarnemzeticirkusz.hu ; 125 Showfotos

Budapest, 14. März 2016: Acht Kamele, acht Pferde, fünf Elefanten, vier Zebras, vier Lamas und vier Esel: hinter diesen stolzen Zahlen verbirgt sich selbstverständlich nicht der komplette Tierbestand des Ungarischen Nationalcircus. Es ist auch nicht die Aufzählung aller Tiere, die im diesjährigen Programm auftreten, mit dem die Familie Richter ihr Publikum wieder einmal hellauf zu begeistern versteht. Ja, damit sind noch nicht einmal alle Vierbeiner genannt, die in der neuen Exotendressur von Joszef Richter jr. nacheinander zu sehen sind. Es ist allein die Aufzählung aller 33 Tiere, die vor der Pause in einem sensationellen Karussell gleichzeitig in der Manege agieren.

Zunächst stellen sich Giraffe Bobo – dessen Artgenosse Zambesi inzwischen auch aus dem fürs Zuchtprogramm vorgesehenen „Urlaub“ zurückgekehrt ist – und die Zebras in der Manege vor. Kamele und Lamas zeigen anschließend ihre Tricks. Dann formiert sich das Karussell auf drei Bahnen: außen laufen je vier Elefanten, Kaltblüter und Zebras, es folgt eine Bahn mit Kamelen, und innen drehen Andalusier, Lamas und Esel ihre Runden. Joszef Richter jun. behält in der Mitte auf dem Rücken der Elefantendame Betty die Übersicht über dieses beeindruckende Schauspiel. Im letzten Jahr sorgte die exotische Post mit den zwischen den Elefanten durchlaufenden Giraffen bei allen, die auch nur die Bilder davon gesehen haben, für Begeisterung und Gesprächsstoff. Dieses Jahr stellt diese Präsentation der unterschiedlichsten, harmonisch miteinander agierenden Tierarten ein einzigartiges Erlebnis und den absoluten Höhepunkt des Programms dar.

 
Joszef Richter jun.

Ein Traum, Ausdauer, sehr sehr viele kleine, genau durchdachte Schritte, eine gute Portion Geduld und unendlich viel Liebe waren laut Programmheft nötig, um diese Dressur zu verwirklichen. Man muss Joszef Richter jun. sehr dankbar sein, dass er all dies in ausreichendem Umfang aufbrachte, um dem Publikum dann diese Dressur zu schenken. Und das trotz der alljährlichen Winterengagements – Ende 2016 geht es mit Ehefrau Merrylu zum Wereldkerstcircus im Carre nach Amsterdam, wo beide ihr wunderschönes Pas de Deux zeigen werden. Dieses war im letzten Winter schon in Stuttgart zu sehen. Merrylu führt gemeinsam mit Joszef jun. die Exoten vor und reitet zudem auf einem der Andalusier, die ihr Mann nach der Pause in einer eleganten Freiheitsdressur vorstellt. Sein Vater Joszef sen. ist nach seinem Ausscheiden aus der Leitung des Budapester Circusbaus zum Unternehmen zurückgekehrt und führt durch das Programm.


Vater und Sohn Casselly

Zwei weitere großartige Tierdarbietungen steuern die Cassellys bei, deren Weg in diesem Winter wie vor zwei Jahren nach Paris in den Cirque d'Hiver Bouglione führen wird. Das Programm startet gleich mit Rene Casselly jr. und seiner Artistik auf Elefanten und Pferden, für die er beim Nachwuchsfestival in Monte Carlo Ende Januar Gold gewann. Zunächst laufen zwei Elefanten und zwei Pferde im Wechsel hintereinander, und er begeistert mit allerlei Sprüngen zwischen den Tieren, etwa Salti von den Elefanten auf die Pferde. Nach einer Reihe weiterer Tricks - etwa Kopfsprüngen auf einem Brett, das auf den beiden Pferden aufliegt – folgen dann tatsächlich die Schleuderbrettpferde. Ein Pferd katapultiert Rene Casselly jr. im Doppelsalto vom Schleuderbrett auf ein zweites Pferd. Was für ein Programmauftakt! Die Elefantendressur, die Rene Casselly jr. im zweiten Programmteil präsentiert, ist dann wie die Pferdefreiheit eine klassische, sehr flott gearbeitet und mit zahlreichen Tricks. Besonders erfreulich ist dabei, wie gut der fünfte Elefant jetzt schon in die Gruppe integriert zu sein scheint.


Gerlings, Richter-Truppe

Gemeinsam sind das Ehepaar Richter und Rene Casselly jr in einer rein artistischen Darbietung zu sehen, verstärkt durch vier weitere Artisten der Richter-Haustruppe. Nach Schleuderbrettelefanten und Schleuderbrettpferden lag es vermutlich nahe, auch einmal eine traditionelle, rein menschlich besetzte Schleuderbrettdarbietung in Angriff zu nehmen. Die Tricks sind beachtlich, ob nun Merrylu im Drei-Personen-Hoch im Spagat gefangen wird oder Rene jr. einen dreifachen Salto auf eine Matte springt. Zu ungarischer Folklore bringt die Darbietung ordentlich Schwung ins Programm. Wann hat man zuletzt eine so große Schleuderbretttruppe mitten in der ersten Hälfte eines Circusprogramms gesehen? Auch die wie immer ausgezeichnete, lebhaft präsentierte Reitertruppe hat den prominenten Schlussplatz im Programm verlassen und ist nun „zwischendurch“ zu sehen. Auch diese Nummer wird im kommenden Winter in Amsterdam zu Gast sein. Diesjährige Schlussnummer sind nun die Gerlings, die ihre waghalsigen Tricks am Todesrad teilweise gar zu viert arbeiten. Mit recht hohen Sprüngen auf dem Außenrad sorgen die Akteure für Begeisterung. In der ersten Hälfte ist das Quartett ungesichert auf dem Hochseil zu sehen. Gleich zu Beginn zeigen sie einen der atemberaubendsten Tricks. Dabei tragen zwei der Artisten eine Stange auf ihren Schultern, auf der dann ein dritter einen Kopfstand macht. Angekündigt werden sie als Preisträger des 11. Internationalen Circus-Festivals von Budapest im Januar. Dort gab es allerdings gar sieben Gerlings inklusive Sieben-Personen-Pyramide zu sehen. Ob von dieser Besetzung nun Artisten in der Vierer-Truppe mit dabei waren oder nicht – die gebotene Darbietung war auf jeden Fall richtig stark.


Totti, Lady Massala

Dass sich so viele Preisträger in diesem Programm versammeln, ist übrigens kein Zufall. Nachdem im Vorjahr das Thema „Afrika Afrika“ lautete, steht dieses Jahr unter dem Motto „Internationales Circusfestival“. Unter all den Preisträgern der verschiedenen Festivals darf nun das ungarische Publikum in jeder Stadt seinen Favoriten aus dem Programm wählen. Als klassisches Nummernprogramm ist es deutlich weniger aufwendig inszeniert als zuletzt. Dafür aber ist die Show im artistischen und clownesken Bereich doch deutlich stärker besetzt. Das gilt insbesondere auch für Totti Alexis, der beim Festival in Budapest vom Jury-Vorsitzenden Eugene Chaplin mit einem Sonderpreis ausgezeichnet wurde. Auch hier erobert er die Herzen des Publikums im Sturm. Neben hoher Musikalität sowie originellen und wirklich witzigen Einfällen hat er einfach eine ungemein sympathische Ausstrahlung, die sofort gefangen nimmt. In diesem Programm hat er vier Auftritte. Dazu gehört etwa der Kampf mit einem überdimensionalen elastischen Mikrofonständer. Und die originelle Interpretation des Kampfes mit einer Fliege, an dessen Ende er sich selbst in ein grünes Insekt verwandelt. Zusammen mit Sängerin Lady Massala, die ausgewählte Darbietungen begleitet, und dem achtköpfigen Orchester unter der Leitung von János Várszegi intoniert er zu Beginn des Programms „Let Me Entertain You“ von Robbie Williams.


Eddy Carello, Chello, Josy Casselly 

Eine weitere humorvolle Darbietung hat hingegen tierische Darsteller: Hölschers Seelöwen gehören ohne Frage zu den leistungsstärksten Vertretern ihrer Gattung. Das animalische Trio, vorgestellt von Gabi & Chello, wird so schnell zu Publikumslieblingen. Für ebenso viel Stimmung sorgt Eddy Carello mit seinen bekannten Jonglagen. Hat schon der Auftakt der Nummer mit Gitarre und Devil Sticks ordentlich Schwung, so ist das Publikum schließlich restlos begeistert, wenn er mit Bällen auf dem Schlagzeug spielt und jongliert. Auch seine Lebensgefährtin Josy Casselly hat mit ihren Abfallern am Schwungseil trotz der hochkarätigen Konkurrenz an Luftnummern sichtlich Erfolg.

So mancher hatte sicherlich die Hoffnung, dass die sensationelle exotische Post mehr als eine Saison im Programm sein möge. Und es verwundert schon, solche eine Nummer nur für ein Jahr einzustudieren. Doch der Ungarische Nationalcircus der Familie Richter bespielt in der Regel jedes Jahr die gleichen Plätze zur gleichen Zeit. Daher ist es notwendig, immer wieder neue Programme mit immer neuen hauseigenen Darbietungen schaffen. Wer also das Exotenkarussell und all die großartigen Darbietungen davor und danach sehen will, muss wohl dieses Jahr noch nach Ungarn reisen.

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Text: Andreas Heidenreich; Fotos: Benedikt Ricken