Und diese
Möglichkeit erinnert doch stark an die Glanzzeiten des Circus.
Absolut von heute ist dagegen die Raubtierhaltung bei Royal:
Drei große Wagen plus riesige strukturierte Freigehege stehen
den Löwen zur Verfügung. Das zeigt, dass eine
Raubtierhaltung auf Tournee auch bei äußerst strengen Maßstäben
möglich ist. Man muss es nur wollen und darf den Aufwand nicht
scheuen. Und damit leben, dass man so genannte „Tierrechtler“
auch mit dem größten Gehege nicht überzeugen wird. Proteste vor
dem Zelt und Pressewirbel inklusive.
Truppe Havanna,
Nick Rothlisberger, Ballett
Die Show beginnt
mit der Begrüßung durch Oliver Skreinig und einem
temperamentvollen Eröffnungstanz. Dieser vereint das dreiköpfige
Ballett und drei Artisten in der Manege. Mit mehreren Auftritten
begleiten die zwei Tänzerinnen und ihr männlicher Kollege durch
die Show. Die Themen und Kostüme wechseln dabei stets, von
Orient über Südamerika bis Petticoat. Ihre Choreographien sind
immer schwungvoll, gut getanzt und nie zu lang. So macht
Circusballett Spaß. Dass man bei Royal neben der
Raubtierattraktion auch die starke Artistik nicht vergessen hat,
zeigt das Engagement einer neunköpfigen Truppe aus Kuba. Sie ist
am Beginn der Show zunächst in einer kompakten Seilspringnummer
zu sehen. Dann geht es in die Luft. Nick Rothlisberger ist in
Australien geboren und aufgewachsen. Dorthin sind seine Eltern
vor 25 Jahren aus der Schweiz emigriert. Nach Jahren im
Leistungssport hat er sich in Australien und Kanada zum Artisten
ausbilden lassen. Am Schwungtrapez zeigt der blendend aussehende
junge Mann Pirouetten, Abfaller und den Fußhang an einem Fuß.
Für das Genre ist er ungewöhnlich groß, was seine Arbeit nicht
erleichtert. Schade, dass sein Auftreten zum Teil noch etwas
ungeschliffen wirkt. So mutet es etwas albern an, wie er zum
Beginn der Trapeznummer mit ausgebreitetem Mantel durch die
Manege schreitet.
Truppe
Havanna, Brendy Joltok, Oliver Skreinig
Quasi traditionell
bringt Oliver Skreinig die Exoten des Circus Royal in die
Manege. Zwei Pferde, drei Watussirinder, drei Nandus und zwei
Lamas vereint er zu dem Tableau. Für tolle Stimmung
unter dem Royal-Chapiteau sorgt die Truppe Havanna mit ihren
Flugkünsten auf dem Russischen Barren. Doppelsalto gestreckt,
Rückwärtssalto auf dem Barren im Zwei-Mann-Hoch, eine Art
Passage mithilfe eines zweiten Barrens und der „Dreifache“ sind
Auszüge des Repertoires. Brendy Joltok hat ihre Arbeit am
Vertikalseil zum Thema „Phantom der Oper“ gestaltet. Nicht nur
die Musik stammt aus dem Musical-Welterfolg, auch ihr Kostüm mit
Halbgesichtsmaske ist passend gewählt. Dynamische und ruhige
Momente wechseln sich in der ansprechenden Arbeit ab. Damit
überbrückt sie den ersten Teil des Käfigaufbaus.
Bruno Raffo
Danach nutzt Oliver Skreinig
die Zeit für eine – für meinen Geschmack – allzu
lange Ansage der Raubtiernummer. Die Attraktion ist, wie schon
Carmen Zanders Tigerdressur vor vier Jahren, vor der Pause
platziert. Vielleicht müsste Skreinig die Position der
Tierrechtler gar nicht ausführlich wiederholen, um dann auf die
eigenen und stichhaltigen Argumente zu kommen. Sie alleine
würden genügen. Wie auch immer: Den Mut und das Engagement,
wieder einmal Raubtiere in einem Schweizer Circus zu
präsentieren, kann man nur begrüßen. Im Zentralkäfig leitet
Bruno Raffo die sieben Lacey-Löwen dann zu Pyramide, Hochsitzern
und Sprüngen am Gitter entlang zur Löwenbar an. Vier Tiere
formieren sich zum Fächer, dann springt eines über die drei
anderen. Löwenteppich und Sprung über den Tierlehrer sind
weitere Elemente der sicher vorgetragenen Dressurfolge.
Truppe
Havanna, Scilla Macaggi und Steeven van Gool, Nick Rothlisberger
Mit kraftvoller
Artistik am Chinesischen Mast eröffnet ein rein männliches
Quartett aus der Truppe Havanna den zweiten Programmteil. Einige
Tricks werden solo, andere zu viert präsentiert. In seinem
zweiten Auftritt lässt Nick Rothlisberger die Hula Hoop-Reifen
kreisen. Er präsentiert eine klassische Trickfolge, wie sie
üblicherweise von Frauen vorgeführt wird. Von zwei Seiten lässt er
sich insgesamt 22 Reifen zuwerfen, die er dann um seinen Körper
rotieren lässt. Zum Abschluss geht es Reifen drehend an einer
Handschlaufe unter die Circuskuppel. Für die Clownerie ist wie
im Vorjahr Steeven van Gool alias Steevy zuständig. In Scilla
Macaggi hat er eine sympathische Partnerin gefunden. Mit ihr
zeigt er beispielsweise eine komische Zauberei mit Tüchern. Er
demonstriert seine Künste beim Umfüllen von Wasser – von große
in kleine Becher und erstaunlicherweise auch umgekehrt. Schön
gespielt ist vor allem auch die wundersame Flaschenvermehrung
gemeinsam mit Oliver Skreinig. Insgesamt weiß van Gool
inzwischen besser zu gefallen als im Vorjahr.
Alfio
Macaggi, Oliver Skreinig, Truppe Havanna
Ebenso aus der
letzten Saison bekannt ist Jongleur Alfio Macaggi. Sein neues,
geschmackvolles Kostüm im spanischen Stil lässt den jungen Mann
noch erwachsener wirken. Treppauf und treppab jongliert er
sicher und elegant mit seinen Bouncingbällen. Fehlerfrei
wechselt er von Jonglagen gegen den Boden zur normalen Jonglage. Auch fünf Fußbälle und drei Hüte wirbelt er durch die
Luft. Der temperamentvolle und mitreißende Auftritt ist eines
der Highlights dieses schönen Programms. Tierlehrer Marc Rivas
hat den Circus Royal bereits kurz nach Saisonbeginn wieder
verlassen. Also präsentiert Direktor Oliver Skreinig den
hauseigenen Sechserzug Kamele an diesem Nachmittag selbst. Für
den Abschluss der Show sorgt die Truppe Havanna in voller
Besetzung, sieben Herren und zwei Damen. Am Schleuderbrett wird
ein umfangreiches Repertoire gezeigt, bis hin zum Salto zu
Fünf-Mann-Hoch und einem Sesselsprung. |