Direktor Gilbert Gruss und seine Familie
haben das Ziel, jedes Jahr eine komplett neue, hochwertige Show
mit kulturellem Anspruch zu kreieren. Und dies im wundervollen
Ambiente eines wahren Traum-Circus mit technischem Material der
Spitzenklasse. Wir denken an top-moderne Wagen bzw. Container
wie Kasse, Toiletten, Betriebskantine und Büro. An die
umfangreiche Menagerie. Und natürlich an die Cathédrale, die
geniale Zeltkonstruktion, die Foyer, Manege und Zuschauerraum
sowie Backstage-Bereich mit Garderoben unter einem Dach vereint.
Opening mit Loic Bettini, Roby
Berousek, Viviana Rossi
Umfangreich und aufwendig ist das Opening
der Show gestaltet. Gleich zwei vollwertige artistische
Darbietungen wurden in dieses erste große Bild integriert.
Zunächst bitten Clown Mathieu und der inzwischen schon
langjährige Mr. Loyal Kévin Sagau drei Zuschauer vorzulesen, was
unter dem Chapiteau alles nicht erlaubt ist. Loic Bettini lässt
im poetischen Spiel eine Marionette mit aufwendigem Kleid von
einem Luftring einschweben. Dann ein erster Aufzug des Ensembles
in fantastischen Kostümen von Roberto Rosello ganz in
schwarz-weiß. Die Damen tanzen, die Herren zeigen Handstände.
Sofort wird zur mitreißenden Musik geklatscht. Viviana Rossi
zeigt an den Strapaten elegante Posen, weite Flüge, kraftvolle
Überschläge. Und auch den Genickhangwirbel hat sie im
Repertoire. Wieder einmal ist Roby Berousek bei Arlette Gruss zu
Gast. Gewohnt gekonnt jongliert er temporeich mit bis zu fünf
Tennisschlägern. Dazu tanzen Figurantinnen im Hintergrund,
werden wieder Melodien voller Schwung gespielt. Überhaupt
begleitet uns wundervolle Musik von Antony Saugé durchs ganze
Programm. Sie wird vom großen Orchester unter Sergiu Iurco
gespielt. Als Überraschungseffekt rast Ramon Kathriner auf
seinem Motorrad ein Schrägseil hinauf; unterhalb des Motorrad
befinden sich Kevin Gruss und Sergiy Baryshnikov auf einem
Metallgestell. Das Schrägseil ist in spektakulärer Weise über
den Köpfen der Besucher im frontalen Tribünenblock gespannt. Damit ist der
Eröffnungsblock vollendet. In einer ersten, kreativ gestalteten
Reprise greift Mathieu das Tennis-Thema auf. Eine Zuschauerin
soll ihm den Ball zuwerfen und trifft natürlich den Clown selbst
anstatt den Schläger.
Elefanten, Pierre Ginet, Kevin
Gruss und Andrii Prymak
Sehr ungewöhnlich gestaltet wurde
für diese Saison die Präsentation der Elefanten. Die vier
asiatischen Kühe werden diesmal nicht von bezaubernden
Ballettdamen beritten, sondern von muskulösen Herren. Deren
Kostüme erinnern zum einen an Ritterrüstungen, zeigen zum
anderen aber auch viel nackte Haut. Die Trickfolge selbst, bis
hin zum Big Mount, ist seit vielen Jahren immer wieder ähnlich
und wird routiniert von John Vernuccio-Togni vorgestellt. Sehr
originell ist die nachfolgende Reprise, in der Mathieu gegen die
Tücke des Objekts kämpft. Und diese besteht hier tatsächlich aus
einem ferngesteuerten, sich scheinbar selbsttätig bewegenden
Haufen Elefantenmist. Erstmals seit wir Arlette Gruss
alljährlich besuchen, wurde ein Taschendieb verpflichtet. Pierre
Ginets Auftritt mit einem „Opfer“ aus dem Publikum lebt vor
allem davon, dass er dem Herrn die selben Gegenstände jeweils mehrmals entwendet. Für die schadenfreudigen Zuschauer ist dies
natürlich ein großer Spaß. Direktionssohn Kevin Gruss kreiert
jedes Jahr eine neue akrobatische Darbietung. Diesmal hat er
gemeinsam mit Sergiy Baryshnikov und Andrii Prymak eine
kraftvolle Nummer am Mast einstudiert. Eingeleitet wird der
Auftritt der drei Athleten durch einen Aufmarsch martialisch
dreinblickender Polizisten. Spektakuläre, wechselnde Bilder aus
Laserstrahlen veredeln ihre Arbeit auf fantastische Weise. Ohnehin
werden das Lichtdesign und die zugehörige Technik bei Arlette Gruss
Jahr für Jahr neuesten Trends und Entwicklungen angepasst.
Nunmehr sind wundervolle Laser-Effekte, auch an anderen Stellen
der Vorstellung, zu einem bestimmenden Element geworden.
Pferde, George Der Gummi Guru,
Truppe Yefoimov
Bleiben wir bei einer hauseigenen
Darbietung mit besonderen Lichteffekten: Gleich im Anschluss
dirigiert Direktionstochter Laura-Maria Gruss einen Sechserzug
Friesen mit ansprechenden Lauffiguren. Hier sorgen leuchtende
Geschirre für einen zusätzlichen Hingucker. Mehrere Pferde- und
Pony-Steiger als die Da Capi beschließen diese Darbietung. In
anderen Vorstellungen übernimmt Mutter Linda Biasini-Gruss die
Präsentation der Pferde oder zeigen beiden einzelne Passagen. Auch die beiden folgenden
Nummern sind als aufwendige Schaubilder gestaltet. Ob sie
letztlich eine besondere Botschaft transportieren, ob diese
aneinander gereihten Szenen über die ganze Show hinweg einer
durchgehenden Handlung folgen – all dies kann wohl nur ein
Beobachter erklären, der über fortgeschrittene
Französisch-Kenntnisse verfügt und den Moderationen von Kévin
Sagau voll inhaltlich folgen kann. Vielleicht gelingt dies aber
auch nur Gilbert Gruss selbst. Seine Show-Kreationen folgen
zunehmend komplexeren Motti. Auch im Programmheft fehlen
Erklärungen. Und so können wir nur über die schönen Bilder
staunen, wenn "Dinosaurier“ ein großes Ei in die Manege
schaffen. Diesem entspringt George Der Gummi Guru, ein Kontorsionist aus Ghana. Völlig unbekümmert und strahlend übers
ganze Gesicht verrenkt er seinen Körper in die unmöglichsten
Positionen. Nach der Geschichte mit Dinos und Ei bleibt das
Programm inhaltlich bei den Wundern der Natur. Schnell wird
rings um die Manege eine Leinwand emporgezogen. Darauf sehen wir
per Videoeinspielung Fotos von Quellen, grünen Pflanzen und eben
Raupen. Als sich die Leinwand wieder senkt, erblicken wir
Figuranten in Schmetterlings- und Raupen-Kostümen. Und
schmetterlingsbunt sind auch die dazu passenden Outfits der
Truppe Yefimov. Auf dem Airtrack zeigen die sechs Artisten
Sprünge und Salti am laufenden Band.
Ramon Kathriner, Bruno Raffo,
Claudio De Negri
Effektvoll geht es in die Pause, wenn
Ramon Kathriner nochmals das Schrägseil hinauf rast. In großer
Höhe drückt er einen Handstand auf dem Gefährt, an einem Gestell
unter dem Bike zeigen Sergiy Baryshnikov und Kevin Gruss
akrobatische Übungen. Den zweiten Programmteil eröffnet Bruno
Raffo mit sechs Löwen von Martin Lacey jun. Seit er die Gruppe
vor zwei Jahren übernahm, hat er viel Routine hinzu gewonnen.
Flüssig und sicher wird das bestens bekannte Repertoire der „Lacey-Lions“
abgerufen. Eine echte Überraschung und Novität für den Circus
ist dagegen, nach einer weiteren Reprise von Mathieu,
Hypnotiseur Claudio De Negri. In seinem geheimnisvollen Auftritt
fordert er alle Zuschauer auf, sich zu erheben und die Hände
ineinander zu falten. Die Besucher sollen sich nur auf seine
Stimme und ihre eigenen Hände konzentrieren. Tatsächlich schafft
es der Hypnotiseur nun, dass viele ihre Hände nicht mehr
voneinander lösen können. Die Personen, die am längsten zur
Selbstbestimmung unfähig sind und weiter mit gefalteten Händen
stehen, werden vom Ballett in die Manege geleitet. Claudio De
Negri versetzt die Männer und Frauen nun innerhalb von Sekunden
in tiefen Schlaf, sie liegen wie bewusstlos in der Manege. Einer
Person in der Loge gibt er nun beispielsweise einen
Taschenrechner und lässt sie zwei hohe Zahlen mit Kommastellen
multiplizieren. Das korrekte Ergebnis legt er einer von ihm
hypnotisierten Protagonistin scheinbar per auf den Kopf gelegter
Hand in den Mund. Das Publikum staunt Bauklötze.
Jonathan Rossi, Mathieu, Globe
of Speed
Mit zwei Nummern auf Bikes steuert die
Show ihrem Höhepunkt entgegen. Ensemblemitglieder in
viktorianischen Kostümen und Kevin Sagau auf einem nostalgischen
Hochrad lassen zunächst an eine Reise in die Vergangenheit
denken. Doch dann setzt Jonathan Rossi auf seinem Trial-Fahrrad
moderne Akzente. Auf verschiedenste Weise überspringt er einen
auf dem Boden liegenden Zuschauer mit dem Rad. Spektakulär sind
seine Sprünge auf dem Hinterrad von einem Podest über die
Oberkanten schmaler Metall-Hürden. Treffsicher nutzt er diese
als Zwischenstationen und hüpft weiter. Mit einem letzten
Zwischenspiel erfreut uns Mathieu. Nun repariert er einen
Scheinwerfer am Mast. Mit seinen originellen Szenen jenseits
ausgetretener Pfade macht er in dieser Show eine hervorragende
Figur. Den Schlusspunkt setzen wieder einmal die Hasardeure von
José Antonio Pinillo Ramos. Obwohl nun schon in mehreren Saisons
hier gezeigt, bleiben die Reaktionen des Publikums
unbeschreiblich. Wiederum applaudieren viele Zuschauer direkt
nach der Nummer im Stehen. Auch wenn aufgrund eines Unfalls mit
zwei leicht Verletzten am Abend zuvor nur acht statt zehn Fahrer
durch die Kugel rasen. Oder gerade deshalb, da die Gefahr durch
den Crash einmal mehr deutlich geworden ist. Heuer ist unter den
Fahrern im Übrigen auch eine Frau. |