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Circus Flic Flac - Tour 2017
www.flicflac.de ; 97 Showfotos

Karlsruhe, 13. Mai 2017: „Best of“ wurde zunächst als Motto der neuen Tourneeproduktion des Circus Flic Flac ausgerufen. Auf der Website des Unternehmens ist seit dem Relaunch jedoch gar kein Thema mehr angegeben. Das ist nur konsequent. Denn die Produktion 2017 bietet „Flic Flac pur“. Bei „ARTgerecht“ kämpfte Gut gegen Böse, in „Höchststrafe“ erlebten wir die Artisten als Gefängnis-Insassen. Nun konzentriert sich Flic Flac auf das Wesentliche: Hochleistungsartistik und Comedy im modernen Look, aber ohne aufwendige Inszenierung, durchweg in Schwarz.

Man wird hoffen dürfen, dass die neue Show im Laufe der Zeit noch auf kreative Weise weiter entwickelt und wieder unter ein kreatives und konsequent umgesetztes Leitmotiv gestellt wird. Auf dem Karlsruher Messplatz präsentiert der Circus seine imposanten neuen Zeltanlagen. Das Chapiteau ist in zwei gewaltige Stahlrohrbögen eingehängt und im Inneren völlig frei von Masten. Dies soll beste Sicht von allen Plätzen der steil ansteigenden Tribüne gewährleisten. Faktisch stören dann doch viele Kabel, Abseglungen und die Hochseilmasten den Blick. Zum Hauptzelt kommt ein dreimastiges Vorzelt. Der Raum davor wird vom Bar- und vom Kassenwagen eingerahmt, so dass sich eine Art Hof vor dem Circus ergibt. Mit Getränkebars im Freien. So entsteht ein kommunikativer Treffpunkt vor der Show. Diese ist an diesem Samstagabend nahezu ausverkauft.


Neues Chapiteau

Im Opening steigen Feuersäulen rings um die Bühne auf. Unter einem großen Tuch auf dem Boden erscheinen einige knapp bekleidete Girls, und Artist Viktar Shainoha schwingt sich an Strapaten in die Luft. Eine Stimme aus dem Off nimmt kurz Bezug auf die vergangene Show "Höchststrafe": Die Zeit der Gefangenschaft ist vorbei, alle gehen eigene Wege. In einem chaotischen System ohne eigene Ordnung wissen sie nicht, was als nächstes geschieht. Doch sie haben die beste Zeit ihres Lebens. Das war es aber nun wirklich mit der Handlung dieser Show. Von nun an gibt es Artistik und Comedy pur.


Viktar Shainoah, Motorradkugel, Ferry und Sophie 

Schnell ist die Motorradkugel hereingerollt, auf der Viktar Shainoah landet. Erst drei, dann fünf, dann sieben Fahrer der Formation "Helldrivers" rasen hindurch, auf sich kreuzenden Bahnen. Überall anders wäre dies Pausen- oder Schlussnummer. Hier ist es der Start in ein extrem starkes Tour-Programm. Oben auf der Kugel beginnt Viktar Shainoah seine eigentliche Strapaten-Nummer. Zwischen kraftvollen Posen und kreisenden Flugpassagen lässt er sich mehrfach aus großer Höhe auf eine dicke Matte fallen. Weiter geht es am Boden. In zwei Rhönrädern rollen Ferry und Sophie über die Bühne. Der Sprung von einem Rad zum anderen, ein Kopfstand auf dem Requisit und ein Zwei-Mann-Hoch darauf sind Eckpunkte des Repertoires.

 
Alain Alegria, Wild!, Justin Case
 

Schnell herrscht beste Stimmung. Hervorragende artistische Leistungen werden vom aufmerksamen Publikum erkannt und begeistert beklatscht. So wie bei der Truppe „Wild!“, die Partnerakrobatik und Handvoltigen kombiniert. Nur eben Flic Flac-typisch ganz in Schwarz. Für Entspannung zwischen den hochkarätigen artistischen Nummern sorgt Comedy-Artist Justin Case. Er verbindet Witz mit akrobatischem Können, beispielsweise beim Kopfstand auf dem Sattel eines Fahrrads. Oder wenn er auf einem Minirad durch einen Feuerreifen fährt. Hier wird viel und herzlich gelacht. Auf Entspannung folgen wieder Anspannung und Nervenkitzel. Auch wenn man Alain Alegrias Arbeit auf dem Washington-Trapez schon häufig gesehen hat, bleibt sie immer wieder atemberaubend. Zumal er hier in enormer Höhe arbeitet. Wenn er auf der schwingenden Trapezstange kniet und dabei ein Tuch mit dem Mund von der Stange aufnimmt, dann mag man kaum hinsehen. So aufregend ist das.

 
Nicolai Kuntz, Cristina Garcia, Mad Flying Bikes 

Ungewohnt züchtig bekleidet erleben wir Cristina Garcia. Auf dem Dach eines Autos, inmitten eines Flammenkranzes, zelebriert sie ihre bekannte Kontorsionsarbeit. Höhepunkt ist nach wie vor der Bogenschuss auf einen Luftballon. Natürlich mit den Füßen ausgeführt, während sie auf Händen steht. Inzwischen zehn Jahre ist es her, seit Benno Flic Flac fliegende Motorräder als neues Sensationsgenre für den Circus entdeckt hat. Ein Genre, das damit einen Siegeszug durch zahlreiche weitere Manegen antrat. Bei Flic Flac gab es freilich immer die spektakulärsten Flugmanöver zu sehen. Nun sind sie, mit drei Fahrern, erstmals als Pausen- anstatt als Schlussnummer platziert. Hoch hinaus geht es auch am Schwungtrapez, mit dem Nicolai Kuntz den zweiten Programmteil eröffnet. Seine Abfaller und Pirouette-Sprünge sind spektakulär wie eh und je. Neu für uns war in der veränderten Trickfolge u.a. der abschließende Sprung vom Trapez an ein Vertikalseil, wie der gesamte Auftritt natürlich longengesichert. Leider leidet die Wirkung ein wenig unter der merkwürdig sphärischen anstatt temporeichen Musik.


Adrenalin Crew 

Eine Konstante bei Flic Flac ist Ira Rizaeva, die abermals eine neue Variante ihrer Jonglagen kreiert hat. Nunmehr lässt sie ihre Bälle gegen Boden und Wände eines gläsernen Würfels prallen und fängt sie sicher wieder auf. Als eine Art Zeremonienmeister, der ihr die Bälle einwirft, agiert Viktar Shainoah oben auf dem Würfel. Noch viel weiter oben arbeitet eine Formation der Truppe Gerling auf dem Hochseil. Die Siebener-Pyramide ohne Netz und Longe ist der große Höhepunkt der Darbietung. Aber auch die anderen Tricks haben es in sich. Beispielsweise wenn zunächst eine Dreierpyramide gebildet wird, auf die noch ein vierter Artist hinaufsteigt. Nervenkitzel pur. Und so wird zur Entspannung auch im zweiten Programmteil nochmals der Komik ausführlich Raum gegeben. Wie Justin Case kombiniert Patrick Lemoine wortreiche Comedy mit artistischem Können, hier nun mit Jonglagen anstelle auf Fahrrädern. Im zweiten Teil seiner Nummer erleben wir ihn, gemeinsam mit einem Zuschauer, in der grotesken Figur eines Inders. Insgesamt ein langer Auftritt, der aber dennoch glänzend ankommt.


Duo Turkeeiv, Adrenalin Crew, Jenny und Danil 

Ganz große Gefühle werden beim Auftritt von Julia Galenchyk und ihrem Partner Dmytro Turkeiev an den Strapaten zelebriert. „Another Love“ bildet die Begleitmusik zu waghalsigen Manövern, bei denen beide Partner abwechselnd die tragende Rolle übernehmen oder Julia solo agiert. Wenn beide am Ende in einem Kuss versinken, ist der Jubel riesig. Schade, dass nun das Licht verlöscht und gleich die nächste Nummer folgt – gerne hätte man ihnen noch die Gelegenheit gegeben, im Schlussapplaus zu baden. Doch der Verzicht auf das klassische Kompliment, das den klassischen Circus so prägt und ihm seine Festlichkeit verleiht, ist eine der Eigenheiten des Flic Flac-Konzepts. Flugs geht es weiter auf dem Todesrad; nochmal sind hier vier Artisten der Truppe Gerling zu erleben. Zeitweise agieren alle gleichzeitig in den beiden Kesseln und auf den Außenseiten. Neben dem üblichen Repertoire einer Todesrad-Nummer sehen wir hier ein Zwei-Mann-Hoch außen auf dem sich drehenden Rad. Nach all den Sensationen ist die Schlussnummer gegen den Strich gebürstet. Sie setzt auf schöne Bilder, aufwendige Bühnentechnik und viel Erotik. Jenny Kastein, Tochter des Flic Flac-Mitbegründers Lothar Kastein, und ihr Partner Danil zeigen eine aufregende Liebesgeschichte mit den Mitteln der Equilibristik. Und das, während Regen auf ihre Körper fällt. Obwohl beide innerhalb kürzester Zeit klitschnass sind, werden die Figuren sicher zelebriert – doch nicht nur das, sondern auch funkensprühend sinnlich und sexy.

Fürs Finale kommt das Ensemble in schwarzen Umhängen in die Manege, legt sie ab und steht nun in weißen Outfits am Rande der Bühne. Regen fällt auf ihre Köpfe, das begeisterte Publikum spendet Beifall im Stehen. Schnell verabschiedet sich das Ensemble, zieht über die Fronttreppe ins Foyer und bildet ein Spalier. Gerne hätte man weitere Aufzüge und Zugaben auf der Bühne gesehen, das Ensemble noch weiter gefeiert – nach einem komisch-artistischen Programm, das in dieser Stärke heute einmalig ist für eine reisende Show in Deutschland.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber