Zu
den oftmals liebevoll den traditionellen Circus karikierenden Einlagen
von Soren Ostergaard und seinen beiden Manegenpartnern kommen vier
echte Circusnummern. Eine davon mit Tier. Die Stimmung im eher kleinen
Viermaster mit 590 Plätzen ist großartig, die Atmosphäre sehr intensiv.
Im Zuschauerraum sitzen (fast) keine Kinder. Nemo bezeichnet sich in
der Werbung als „Circus für Erwachsene“. So ist das Publikum eher
Circus-untypisch. Es gibt keine Ablenkung durch herumlaufende oder
unruhige Kinder. Alle Gäste im Chapiteau folgen gebannt dem Geschehen
auf der Rundbühne, gehen enorm mit. Ist das also noch Circus?
Wenngleich mich diese oft gestellte Frage inzwischen ermüdet, hier gib
es von mir ein klares „Ja“.
Plausch vor der Vorstellung
Was
das Programm angeht, sind die Argumente bereits genannt. Wenn man das
Unternehmen auf dem wunderbaren Rasenplatz in Charlottenlund sieht,
kommt echte Circusromantik auf. Nemo ist quasi ein kleiner Roncalli in
Schwarz und Rot. Das Vorzelt, der Holzzaun und einige der Wagen sind
ganz offensichtlich an den Stil von Roncalli angelehnt. Dazu gibt es
liebevoll gestaltete Wohnwagen im ganz eigenwilligen Nemo-Stil. Der
direkte Zugang zum Meer macht die Idylle perfekt. Wenngleich der Platz
außerhalb des Stadtzentrums liegt, kommen die Kopenhagener in Scharen.
Vor der Vorstellung bieten sich die Tische zwischen Vor- und Hauptzelt
zu einer Unterhaltung bei Bier oder Wein an. Soren Ostergaard
höchstpersönlich verkauft hier die Programmhefte. Er geht von Gruppe zu
Gruppe und wechselt ein paar Worte mit seinen Gästen.
Laura Kvist Poulsen, Michel Castenholt, Soren Ostergaard
Wenig
später steht er mit Lockenperücke und falschen Zähnen auf der Bühne.
Das Kostüm mit Schlaghosen entstammt der Showwelt längst vergangener
Tage. Das Opening mit allen Mitwirkenden ist gleich in die erste Szene
eingebunden. Beim Finale wird ähnlich verfahren. Ostergaard betritt im
Kostüm einer seiner Figuren die Szene. Es ist jener ungepflegte Rüpel,
der gerne den ausgestreckten Mittelfinger zeigt. Kurz darauf zieht das
gesamte Ensemble im gleichen Outfit und mit der gleichen Geste über die
Bühne. Sogar ein Kostümwechsel gehört zur Verabschiedung. Am Ende
stehen alle Artisten in den gleichen Bademänteln im Regen aus
Papierschnipseln. Es ist jenes Modell, das Ostergaard schon seit Jahren
trägt. Wie gewohnt, wird viel gezaubert. Großillusionen in schrägen
Kostümen, gerne in der Kombination „großer Magier und liebreizende
Assistentin“ sind in jedem Programm dabei. Unterstützt wird der
Direktor beim komischen Teil von Laura Kvist Poulsen, die auch seine
persönliche Assistentin ist. Hinzu kommt in dieser Saison Michel
Castenholt. Beide haben magische Auftritte im Duo und Solo. Immer
herrlich schräg, immer erfrischend witzig. Soren Ostergaard spielt neue
Szenen mit seinen beliebten Figuren wie Bäcker Jorgen. Die Gagdichte
ist phänomenal, das Publikum kommt aus dem Lachen nicht heraus.
Dankenswerterweise spielt er ein Stück auf Englisch. Der tschechische
Puppenspieler, der sich in Rage redet und seine Marionetten zerstört,
lässt auch Nicht-Dänen aus vollem Halse mitlachen. Ein unglaubliches
Vergnügen.
Konzert für Quietscheentchen mit Michel Castenholt und Soren Ostergaard
Zwei
Szenen seien an dieser Stelle noch herausgegriffen. Stehen sie doch
ganz besonders für die außerordentliche Kreativität der Nemo-Macher.
Vor der Pause erscheinen Ostergaard und Castenholt als recht klassisch
aufgemachte Clowns mit Concertina. Weiter geht es mit einem Musikstück
auf verschieden gestimmten gelben Quietscheentchen. Eine
überdimensionale Plastikente kommt herein, den Nachwuchs im Schlepptau.
Laura Kvist Poulsen als Polizistin dirigiert die Entenfamilie. Die
Entenmutter pustet mit dem Mund eine (Kaugummi-)Blase auf, die die
Pause ankündigt. Ein regelrechtes Bühnenschauspiel wird gegen Ende der
Show aufgeführt. Soren Ostergaard steht, geschmückt mit an Drähten
aufgespießten Vögeln, im Mittelpunkt. Mit Hilfe von Gießkannen entsteht
rund um die Bühne eine Reihe mit Kunstblumen. Nach und nach erscheinen
verschiedene der bildenden Kunst entnommene Figuren. So etwa die Männer
ohne Kopf von Magritte. Die Szene endet mit einem wahren Schneesturm
aus Papierschnipseln.
Picaso junior, Crazy Flight, Ingo Stiebner und Lappy
Die
Mitwirkenden aus dem Bereich Artistik und Tierdressur waren schon für
mindestens eine Saison beim Zirkus Nemo engagiert. Picaso junior zeigt
seine Nummer unverändert. Er jongliert Tischtennisbälle mit einem
Holzschläger und mit dem Mund. Anschließend lässt er versiert Teller
quer durch das Chapiteau fliegen. Das alles mit großen Können und einer
enormen Ausstrahlung. Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, wie
schnell er das Publikum für sich gewinnt, wie enorm es mitgeht. Die
Mitglieder von Crazy Flight haben eine neue Darbietung am Russischen
Barren kreiert. Diese präsentieren sie als fein herausgeputzte Herren
auf Sonntagsausflug. Mit Kniestrümpfen, Dreiviertelhose, Weste,
Krawatte und Regenschirm. Artistisch überzeugt das Quartett dabei
ebenso wie bei der schon bekannten Nummer. Darin verbinden sie
Handvoltigen und Handstandpyramiden. Hier kam es zu Umstellungen,
wurden neue Tricks eingebaut. Auf Abschiedstournee sind Ingo Stiebner
und sein Seelöwe Lappy. Bei Nemo steht der Tierlehrer ein letztes Mal
mit seiner Robbe in der Manege. Noch einmal dürfen wir diese herrliche
Komödie erleben, bei der Lappy offensichtlich Chef im Ring ist. Wenn
Lappy seine Kunststücke zeigt, dann gerne hinter dem Rücken des
Trainers. Schon gar nicht auf Kommando. Der Seelöwe hat seine
Ansprüche, die er selbstbewusst anmeldet. Etwa auf eine
Flossenreinigung.
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