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Circus Nock - Tour 2017
www.nock.ch ; 100 Showfotos

Solothurn, 25. März 2017: Von einer „geglückten Premiere“ spricht der Circus Nock auf seiner Homepage recht nüchtern. Anwesende berichten von einem rauschenden Saisonstart  mit einem begeisterten Publikum, das beim Finale eine Standing Ovation spendiert hat. Anstatt diese Euphorie für die Werbung zu nutzen, übt man sich bei Nock in Bescheidenheit. Diese Zurückhaltung ist auch im Programm selbst spürbar. Die Musik könnte lauter, spritziger sein, das Licht strahlender, die Präsenz der Direktionsfamilie stärker.

Denn die Nocks haben allen Grund, stolz auf ihren Circus und die jährlich wechselnden Programme zu sein. Hatte die Show im vergangenen Jahr mit „Ritmo y Pásion“ einen spanischen Rahmen, wird 2017 wieder ein Nummernprogramm gezeigt. Das aber mit einer kleinen Handlung, wunderbaren Artisten und schönen Tierdressuren. Das große Orchester von Tadeusz Krol hat Unterstützung durch die Sängerin Polina Tsybizova erhalten.


Circus Nock in Solothurn

Das weiß-rote Chapiteau macht einen glänzenden Eindruck. Im Inneren gibt es Schalensitze für die Zuschauer und einen prächtigen Artisteneingang für die Mitwirkenden. Das geschmackvolle Plakat ist modern, schafft aber trotzdem den Bezug zum Thema „Circus“. Es visualisiert wunderbar das diesjährige Motto „The World of Circus Nock“. Für mich das vielleicht gelungenste Motiv der laufenden Saison. In die Welt des Circus Nock nimmt uns Matute mit. Der junge chilenische Clown ist noch ein recht neues Gesicht in Europa. Im Mantel mischt er sich unter die Zuschauer. Nachdem er sich in die Manege „verirrt“ hat, findet er dort eine Spieluhr. Als er sie zum Klingen bringt, erweckt er damit Artisten in den Aufgängen des Gradins zum Leben. Wie mechanische Figuren tanzen sie für den Clown und das Publikum. Die Sängerin untermalt die Szenerie mit „A whole new world“ aus dem Disney-Film „Aladdin“. Zum Opening kommt das gesamte Ensemble in das Scheinwerferlicht. Paolo Finardi übernimmt die Begrüßung und sorgt dafür, dass Matute endgültig zum Clown wird. Mit ein wenig (Quick Change-)Magie gelingt dies im Handumdrehen.


Francesco Nock, Paolo Finardi, Mikhail Milla

Die erste Darbietung gehört der 8. Generation der Familie Nock. Deren Vertreter Francesco tanzt auf dem Drahtseil und wagt die verschiedensten Sprünge. So geht es etwa über Fahnen, durch einen Reifen und über einen brennenden Stab. Der 23-jährige hält sich dabei sicher auf dem in zwei Metern Höhe gespannten Seil. Je zwei Kamele, Lamas, Esel und Pferde gehören zum Exotentableau, welches von Paolo Finardi vorgeführt wird. Die gepflegten Tiere des Circus Nock zeigen unter Anleitung ihres Tierlehrers schöne Bewegungsabläufe. Polina Tsybizova begleitet diese gesanglich. Matute benötigt für sein Spiel mit einem Papiertuch Freiwillige aus dem Publikum, Bei lustigen Würfen landet das Papier in einem Becher – oder eben nicht. Mit einem großen Gebläse schickt er abgerolltes Klopapier in Überlänge in die Luft. Mikhail Milla ist ein Neffe von Franziska Nocks Ehemann Alejandro Milla. Und Mikhail ist ein viel versprechender Jongleur. Bei seinen flotten Touren arbeitet er mit Bällen, Ringen und Keulen. Bis zu neun Reifen hält er gleichzeitig in der Luft. In die Jonglage von drei Keulen baut der 17-jährige Chilene einen Salto ein. Der Nachwuchsartist kommt sympathisch rüber, der Verkauf wird sich sicherlich mit zunehmender Auftrittsroutine noch steigern.


Matute, Adele Fame, Troupe Zola

Franziska Nocks Metier sind die Pferdedressuren. In diesem Jahr präsentiert sie drei Friesen in Kombination mit drei schwarzen Ponys. Es ist eine originelle Freiheitsdressur mit vielfältigen Tricks. Am Ende stehen die Friesen mit den Vorderbeinen auf Podesten. Die Ponys laufen unter ihnen hindurch oder um sie herum. Ein weißes Pony als Steiger bildet die obligatorische Zugabe. Matute hat die große Trommel samt Becken auf den Rücken geschnallt. Damit sorgt er für ordentlich Lärm im Chapiteau. Zu sinnlichen Träumereien hingegen lädt uns Adele Fame ein. Ihre Inszenierung an den Strapaten ist unglaublich ausdrucks- und leistungsstark. Mit großer Intensität arbeitet sie an den Bändern eine Kür, wie man sie selten sieht. Sogar im Spagat schwingt sie hin und her. Ihre Umschwünge sind ungeheuer kraftvoll und sehen doch so einfach aus. Bravo. Aus zehn Personen besteht die Troupe Zola. In schwarz-rot.weißen Kostümen kombinieren die Mongolen ausgelassen Seilspringen und Handvoltigen. Die großen, lebendigen Szenen setzen einen fulminanten Schlusspunkt hinter den ersten Teil des Programms. Die folgende Pause wird von Matute mit einer großen Drehorgel eingeleitet. Daraus hervor kommt Mikhail Milla mit einem Schild, das die 20-minütige Unterbrechung ankündigt.


Geraldine Philadelphia, Duo Caveagna, Troupe Zola

Danach geht es mit Geraldine Philadelphia weiter. Ihre Artistik mit Reifen konnten wir viele Jahre im Circus Roncalli erleben. Nun reist die junge Artistin für eine Saison durch die Schweiz. In ihrem einzigartigen Auftritt kombiniert Philadelphia auf herrliche Weise Reifenjonglagen, Kontorsion und Hula Hoop-Artistik. Wunderschön inszeniert ist die – so der Titel im Programmheft - „Pferde Phantasie“ von Franziska Nock und Paolo Finardi. Die von Finardi angeleiteten Schulschritte am langen Zügel werden von der Sängerin musikalisch untermalt. Dann greift Polina Tsybizova zur Geige. Ein Violinist aus dem Orchester kommt hinzu. Gemeinsam begleiten sie das Spiel von Franziska Nock mit zwei Pferden. Hoch zu Ross dirigiert sie einen frei laufenden Andalusier. Es ist eine gelungene Dressurleistung, die sehr stimmig in Szene gesetzt wird. Nach einem weiteren Intermezzo von Matute haben die Brüder Caveagna ihren Auftritt. Andrea und Davide präsentieren elegant ihre Gleichgewichtskünste. Hand-auf-Hand, Hand-auf-Kopf oder gar Hand-auf-Fuß – die Italiener behalten immer die Balance. Eine Menge Kraft wird dabei ebenfalls benötigt. Etwa um den Bruder im Einarmer auf dem Kopf zu tragen. Seinen letzten Einsatz hat Matute als Boxer. Noch einmal beweist er ein sympathisches Auftreten und eine ausdrucksstarke Mimik. Kreative Ideen hat er ebenfalls im Gepäck. Der Szene als Faustkämpfer mit Gegner aus dem Publikum gewinnt er neue Aspekte ab und greift nur minimal auf die bekannten Gags zurück. Eine volle Manege bei der Schlussnummer, so wünscht man sich das. Dank der Troupe Zola schenkt uns Nock ein solches Bild. In Fantasy-Kostümen und zu futuristischer Musik erleben wir die Mongolen mit Akrobatik am Schleuderbrett. Es geht hinauf bis zum Fünf-Personen-Hoch mit Perchestange. Ein anderer Sprung wird auf einem Sessel gelandet. Dieser befindet sich am oberen Ende einer wackeligen Konstruktion mit drei Artisten und vielen Stangen über mehrere Etagen. Zu Beginn des Finales hat Matute dann seine Spieluhr wieder dabei. Die Sängerin intoniert zum Ausklang das Lied „Sounds of Silence“. Noch einmal strömen alle Artisten in das Scheinwerferlicht. Franziska Nock spricht die Abschiedsworte.

„The world of Circus Nock“ ist eine wunderbar zusammengestellte Show. Die vielen jugendlichen Artisten und der Clown setzen ein eindrucksvolles Zeichen für die Zukunft des Circus. Die hauseigenen Tierdressuren pflegen die Tradition. Die liebevolle Inszenierung und das Orchester bilden einen stimmigen Rahmen. In dieser „Welt“ fühlt man sich einfach wohl. Darauf darf die Familie Nock sehr stolz sein – und sollte ihre Produktionen noch selbstbewusster präsentieren.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch