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Ohlala - sexy crazy artistic 2018
www.circusohlala.ch ; 66 Showfotos

Dübendorf, 15. September 2018: Die Geschichte einer Befreiung erzählt Gregory Knie mit der achten Auflage seiner erotischen Circusshow „Ohlala“. Die Protagonistin, gespielt von der deutschen Artistin Lea Hinz, hat sich zu Beginn der Vorstellung vollkommen im Griff, ist „In Control“. Im weiteren Verlauf wagt sie eine Reise ins Unbekannte, befreit sich von allen Fesseln, gerät „Out of Control“. Letzteres ist auch der Titel der Produktion. Versinnbildlicht wird die Reise durch ihr Kostüm. Anfangs in strengem Blau gehalten, wird es Stück für Stück in verführerisches Rot gewendet.

In diesem Outfit zeigt Hinz als Schlussnummer ihren Auftritt am Luftring. Genickhang und Rückwärtsumschwünge ums Requisit gehören zum Repertoire. Besonders gekennzeichnet wird die Nummer jedoch durch die zahlreichen Spinnings, also blitzschnelle Drehungen um die eigene Achse. Sie symbolisieren gut die Ekstase, in die die Hauptdarstellerin während dieser Reise gerät. Begleitet wird sie vom kleinwüchsigen Zeremonienmeister Roland Hofer.


Gregory Knie, Lea Hinz, Roland Hofer 

Es ist eine recht kurze Reise, denn die Netto-Spieldauer der Show beträgt am zweiten Abend des Gastspiels nur knapp 90 Minuten, einschließlich Begrüßung und Verabschiedung durch den jungen Produzenten. Hinzu kommt eine halbstündige Pause. In dieser kann man die edle Nachtclub-Atmosphäre im aufwendig gestalteten Foyerzelt genießen. Das Ambiente ist eine der großen Stärken dieser Produktion, die zum achten Mal auf dem Gelände des Air Force Centers Dübendorf bei Zürich stattfindet. Im Vorfeld wurde eine „interaktive Show“ angekündigt. Die Zuschauer sollten selbst entscheiden, wie sie den Abend verbringen möchten, „In Control“ oder „Out of Control“. Also wählen die Zuschauer am Einlass, ob sie ein blaues oder ein rotes Päckchen mit in die Show nehmen. Darin enthalten ist unter anderem jeweils ein Armband in der entsprechenden Farbe. Wer nun glaubt, die Zuschauer mit roten Bändchen müssten bei allerlei erotischen Übungen auf der Rundbühne mitwirken, der hat sich geirrt. Nur ein einziges Mal wird auf die Wahl Bezug genommen: Die Zuschauer „In Control“ hätten lieber rechtzeitig die Augenklappe aus ihrem Päckchen aufgesetzt, sagt eine Stimme aus dem Off.


Dekay, Larissa Evans, Melany Chy 

Doch da ist es schon zu spät. Barry Brisco und Richard Binning sind bereits auf die Bühne gestürmt, mit nichts als Socken, Schuhen und Supermann-Umhängen bekleidet. Die „Front“ hingegen ist durch nichts verdeckt. In ihrem „Penispuppenspiel“ wärmen sie ihre Geschlechtsteile erst mit geübten Handgriffen auf, um diese dann beherzt zu Ungeheuer Nessie, einem Hamburger oder bekannten Popstars zu formen. Damit dies alles einwandfrei zu erkennen ist, wird es auf Großleinwand übertragen und natürlich derbe kommentiert. Fotografieren dürfen wir diese Nummer nicht. Die Publikumsreaktionen sind unterschiedlich: Die einen zeigen sich konsterniert, die anderen – wie der Rezensent – lachen schallend. „The Puppetry of the Penis“ ist genau das, was diese Show braucht. Ein ebenso provokantes wie originelles Spektakel, das für viel Gesprächsstoff sorgt. Und vor allem von den wunderbar extrovertierten Akteuren lebt, die sofort den Kontakt zum Publikum finden. Leider ist dieser Auftritt das einzige humorvolle Element des Programms. Man würde sich wünschen, dass es noch weitere Komiker gibt, die so herrlich nach vorne gehen, einen roten Faden bilden und ja, die Vorstellung auf eine übliche Länge bringen. Zumal die meisten artistischen Nummern eher „in sich gekehrt“ ausfallen – als akrobatische Liebesspiele. Nur einen einzigen Trick zeigt der Schweizer Magier Dekay. Als klassischer Entfesslungskünstler befreit er sich, kopfüber hängend, aus einer Zwangsjacke. Gerade rechtzeitig, bevor Feuer dafür sorgt, dass die zwei Flügel mit spitzen Dornen über ihm zuschnappen und ihn schwer verletzten. Die wohl bekannteste Künstlerin des Abends ist Melany Chy. Ihre hervorragende Handstandnummer auf dem Motorrad fügt sich perfekt in den Rahmen einer Erotikshow. Begleitet wird sie dabei von der großartigen Sängerin Larissa Evans und natürlich der fünfköpfigen, professionellen Showband unter der Leitung von Orlando Ribar. Leider ist die Musik jedoch fast durchgehend zu laut und das Licht – trotz wirklich umfangreicher, moderner Technik – arg düster.


Davide Zongoli, Los Dos Tacos, Hampus Jansson und Milena Straczynski

Davide Zongoli fällt mehr durch den perfekt trainierten, muskelbepackten Körper in frivoler Glitzerbadehose auf als durch herausragende Leistungen an den elastischen Strapaten. „Los Dos Tacos“ – alias Andrei Sizonenka und Aliaksandr Yurkavets – begeistern dagegen mit ihren kraftvollen Sprüngen und Salti von Reckstange zu Reckstange. Die Nummer gehört zu den Highlights des Abends. Nochmal in die Luft geht es mit Hampus Jansson und Milena Straczynski. Nach ihrem Akt im roten Bett schwingen sie sich an die Strapaten. Beide sind äußerst leicht bekleidet, doch die Schwedin trägt ihren amerikanischen Ehemann umso kraftvoller. Nicht zum ersten Mal in einem Hause Knie engagiert ist Sheila Nicolodi. Doch so verrucht wie hier haben wir ihren Poledance noch nicht gesehen – „oben ohne“ und vom Ballett umtanzt. Die vier Männer und vier Frauen kommen während der Show in mehreren, modern-lasziv choreographierten Auftritten zum Einsatz. Nicht fehlen darf auch in dieser Saison eine Nummer, in der sich die Tänzer im Dunkeln mit fluoreszierender Farbe besudeln.


Olga Tsogla, Jimmy Gonzalez, Duo Maintenant 

Olga Tsogla zeigt ihre sexy Kontorsionen in Unterwäsche auf einem sich drehenden, roten Stuhl. Ganz und gar außergewöhnlich sind die Jonglagen von Jimmy Gonzalez. Denn er jongliert nicht Ringe, nicht Bälle und nicht Keulen. Vielmehr zerteilt er einen großen Lehmklumpen in Stücke und nutzt diese als Requisiten. Mit nacktem Oberkörper und Waschbrettbauch gibt er seinem Auftritt zugleich eine sinnliche Note. Ganz viel prickelnde Erotik bietet das Duo Maintenant, Ludivine Furnon und Nicolas Besnard. Der groß gewachsene Mann und die muskulöse Frau kleiden ihre leistungsstarke Hand-auf-Hand-Nummer mit vielen Schwierigkeitsgraden in einen schwerelosen, fließenden Tanz. Gleichwohl ist das akrobatische Spektrum der Show mit zwei Strapaten-Nummern sowie Handstand, Kontorsion und Hand-auf-Hand weniger breit als in früheren Jahren.

Dem Grunde nach sind wir große Fans des außergewöhnlichen Erwachsenen-Entertainments von Gregory Knie. Das Konzept einer gehobenen Erotikshow ist eine schöne Spielart des facettenreichen Neuen Zirkus. Dass die aktuelle Show aus unserer Sicht durchaus Anlass zur Kritik bietet, tut dem keinen Abbruch. Und letztlich muss die Vorstellung dem Publikum gefallen. Das Auditorium im voll besetzten Zelt spendete im kurz gehaltenen Finale jedenfalls ohne Umschweife und ausnahmslos Standing Ovations.

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Text: Markus Moll, Fotos: Tobias Moll