CHPITEAU.DE

Circus Sijm - Tour 2018
www.circussijm.nl ; 100 Showfotos

Utrecht, 14. Juli 2018: Als Alex Sijm vier Jahre alt war, packte ihn der Circusvirus. Für den kleinen Jungen stand fest, dass er seinen eigenen Circus haben werde. Die Eltern erklärten ihm, dass das nicht möglich sei. Doch Alex ließ sich nicht beirren, träumte seinen Traum immer weiter – und realisierte ihn schließlich. Sein Circus Sijm feierte vor 18 Jahren Premiere. 2018 ist er zum zehnten Mal auf Tournee. Und nicht nur das. Inzwischen reist er sogar mit zwei Geschäften durch die Niederlande. Der Circus Alexander, sozusagen der kleine Bruder des Circus Sijm, gibt allerdings nur geschlossene Vorstellungen.

Er ist der finanzielle Rückhalt für das Erstgeschäft, wie Alex Sijm erzählt. Doch das ist selbst wirtschaftlich kerngesund, braucht also die Unterstützung gar nicht. Denn der Direktor plant sowohl Investitionen als auch Programme sorgsam. Das blau-gelbe Zweimast-Chapiteau fasst 400 Zuschauer. Eine viel größere Kapazität will er gar nicht anbieten. Allerdings denkt er darüber nach, die Bankreihen des Gradins durch Schalensitze zu ersetzen.


Entree mit Kasse und Vorzelt

Clever gelöst hat Alex Sijm auch das Thema Restauration und Toiletten. Beides befindet sich in einem Wagen. Rund 2/3 davon beherbergen das Cicus-Cafe. Im restlichen Teil sind zwei WCs untergebracht. Der Wagen steht im Vorzelt, wo Tische mit Stühlen zum Verweilen einladen. Vor Beginn der Show unterhält dort Marco Moressa mit Keulenjonglagen das auf Einlass wartende Publikum. Artistinnen verteilen Bonbons und verkaufen die wunderbar gestalteten Programmhefte. Darin werden alle Mitwirkenden vor und hinter den Kulissen ausführlich vorgestellt. Sehr schön ist insbesondere die Idee, alle Artisten auch ohne Manegenschminke abzubilden. Das Material ist sehr gepflegt. Der gesamte Circus erstrahlt in den Farben Blau und Gelb.


Schlussbild mit dem Ensemble

Insgesamt reisen 17 Menschen mit dem Circus Sijm. Die Artisten sind in Auf- und Abbau involviert. Hinzu kommen Personen, die die jährlich wechselnden Produktionen mit vorbereiten, aber nicht mit auf Tournee gehen. So gibt es etwa renommierte Kostümdesigner, die für die besonderen Outfits zuständig sind. Dann ist da Tony Wilson. Bis zum letzten Winter war er Ringmaster beim Wereldkerstcircus Carre in Amsterdam. Bei Sijm ist er für die Regie verantwortlich. Jenny di Lello von der gleichnamigen Clownsformation studiert die Choreografien ein. Alex Sijm stellt die Programme zusammen, hält sich aber bei der Inszenierung im Hintergrund. Wenngleich Sijm eigene Ideen hat, die er gegebenenfalls im Nachhinein einfließen lässt. Im Büro ist ebenfalls ein vergleichsweise großes Team im Einsatz.


Alexandra und Yann Rossi

So bestreiten die - inklusive Alex Sijm - neun Mitwirkenden der Show 2018 ein durch und durch unterhaltsames Programm. Es dauert rund 90 Minuten, unterbrochen von einer 15-minütigen Pause. Das Spektakel steht unter dem Titel „Vive le Cirque – eine Hommage an 250 Jahre Circus“. Der Direktor präsentiert die Show im rot-goldenen Frack selbst. Sehr charmant kündigt er die Artisten an. Eine besonders prominente Rolle nimmt Yann Rossi ein. Opening sowie Finale bereichert der Weißclown mit der wunderschönen Maske und den edlen Kostümen (hier sind es fünf verschiedene) mit seiner großen Musikalität. Zu Beginn ziehen die Mitwirkenden in roten Outfits mit Fahnen in die Manege. Yann Rossi spielt auf einer Rundbühne in der Mitte Trompete dazu. Diese teilt er sich beim Schlussbild des Openings mit Veronika Faltyny und Priscilla Errani in wunderschönen roten Kleidern. Der Ausklang des Programms mit allen Akteuren ist tänzerisch gestaltet. Die letzten Szenen gehören Yann Rossi und seiner Trompete. Paolo Ernesto kommt im Nachthemd hinzu. Bevor der letzte Vorhang fällt, ist noch einmal das gesamte Ensemble zu sehen. Rossi und Ernesto spielen zudem in einer Reprise zusammen Xylophon. Dem gehen mehre Versuche von Paolo Ernesto, die Show mit seinem Trompetenspiel zu „stören“ voraus. In der Pausennummer soll Ernesto eine Kugel mit den Zähnen auffangen, die Yann Rossi mittels Revolver abschießt. Originell verpackte Instrumente stehen schließlich im Mittelpunkt, wenn Yann zusammen mit Gattin Alexandra Rossi musiziert. Hüte, Handtasche und Zeitungen an einem Kleiderständer entpuppen sich als Glocken. Ebenso wie silberne Sektkelche und Maßkrüge auf zwei Tischen. Ferner spielen sie mit Hämmern und Hupen. Immer verwöhnen sie unsere Ohren mit virtuos dargebotenen Melodien. Alexandra Rossi eröffnet zudem den zweiten Teil gesanglich mit einem Stück aus dem Musical „Cabaret“. Die männlichen Artisten des Ensembles begleiten sie dabei als Tänzer.


Veronika Faltyny, Priscilla Errani, Marco Moressa

Paolo Ernesto ist nicht nur als Clown zu erleben. Gemeinsam mit Gattin Veronika Faltyny zeigt er eine Rollschuhnummer. Sie wirbeln in rasantem Tempo über eine runde Plattform. Beim Nackenwirbel trägt Veronika ein beleuchtetes weißes Kleid über ihrem eigentlichen Kostüm. So entstehen schöne Effekte. In vielen Unternehmen konnten wir Veronika Faltyny mit ihrer Tüchernummer erleben. Da sie damit bereits beim Circus Sijm engagiert war, hat sie sich in diesem Jahr das Schwungseil als Requisit ausgesucht. Im schicken schwarzen Trikot mit Glitzersteinen arbeitet sie schöne Posen, schwungvolle Schaukelpartien und gewagte Abfaller. Ordentlich Tempo gibt es auch bei den Hula Hoop-Variationen von Priscilla Errani. Die Italienerin hat ihr Spinnennetz aus Metall nicht dabei. Ihr Auftritt ähnelt aber noch sehr stark dem, den wir von ihren Saisons beim Zirkus Charles Knie kennen. Immer mehr Ringe lässt sie virtuos um ihren Körper kreisen. Dank ihrer charmanten Art gewinnt sie das Publikum in Windeseile für sich. Gemeinsam mit Partner Marco Moressa gehört Priscilla Errani die Schlussnummer. Dabei wechseln sich riskante Schüsse mit der Armbrust und verschiedene Varianten des Messerwerfens ab. Mit der Armbrust treffen beide Gegenstände, die der jeweils andere festhält. So etwa auf einen Luftballon, ein Herz aus Papier oder eine Blume. Beim Messerwerfen sind die Rollen eindeutig verteilt. Marco zielt mit den silbernen Wurfgeschossen immer nah an Priscillas Körper vorbei. Dies sogar dann, wenn dieser von einer Bahn aus Papier verdeckt ist oder das Brett, an dem sie steht, rotiert.


Milan Osmera, Paolo Ernesto, Francois Kaselowsky

Nicht aus einer Circusfamilie stammt Milan Osmera. Der junge Tscheche hat sich der Jonglage und der Magie verschrieben. So jongliert er in seinem ersten Auftritt mit Bällen, Keulen und Ringen. Originell ist der Schlusstrick, bei dem er jeweils drei Ringe und Keulen ineinander steckt und dann auf der Stirn balanciert. In einem kleineren Solo lässt er einen Tisch schweben. Veronika Faltyny ist sein Magic Girl, mit dem einer größer aufgemachten Magic Show einen Apfel erscheinen lässt und dann zwei Kistenillusionen zeigt. Veronikas Körper wird dabei durchbohrt, um am Ende wieder in einem Ganzen zu erscheinen. Der Verkauf ist professionell und sympathisch zugleich. Die beiden sind zudem in einer netten Szene dabei. Paolo Ernesto reitet darin auf einem Stoffelefanten. Dompteur Milan Osmera will den Dickhäuter dazu aufzufordern, über die am Boden liegende Veronika Faltyny zu balancieren. Den zur Belohnung in Aussicht gestellten Lutscher stibitzt der Elefant aber kurzerhand und verschwindet durch den Zuschauereingang. Dank Francois Kaselowsky gibt es in diesem Programm auch echte Tiere. Er führt eine Doppelfreiheit vor. Die beiden schwarzen Pferde tragen dabei Federschmuck in Rot und Weiß. Passend zum edlen Kostüm ihres Vorführers. Die Steiger als da capi gibt es in einem separaten Auftritt.

Somit hat Alex Sijm in diesem Jahr wieder ein schönes Programm zusammengestellt, das einige bekannte Namen der internationalen Circuswelt zusammenführt. Die wunderbare Inszenierung wertet es enorm auf. Einzig beim Licht ist noch Luft nach oben. Man kann nur allzu gut verstehen, dass das Publikum diesem inzwischen zu den führenden niederländischen Reisecircussen gehörenden Unternehmen die Treue hält. Und sogar der Vater des Direktors ist dabei. Als kaufmännischer Berater nimmt Piet Sijm eine wichtige Funktion in dem zur Realität gewordenen Traum seines Sohnes.

________________________________________________________________________
Text und Fotos: Stefan Gierisch