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Circus Knie - Tour 2019
www.knie.ch ; 182 Showfotos

Rapperswil, 23. März 2019: Es war ein Auftakt nach Maß. Mit einem restlos ausverkauften Gastspiel in Rapperswil ist der Circus Knie in die Saison 2019 gestartet. Eine ganz besondere Saison, denn es wird Jubiläum gefeiert. Vor 100 Jahren schlossen die Brüder Friedrich, Rudolf, Karl und Eugen Knie ihre Freilicht-Arena, zogen ins erste Chapiteau und gaben dem Unternehmen den stolzen Namen Schweizer National-Circus. Zu diesem Anlass zeigt die Familie Knie eine Show voller Emotionen. Mit Live-Gesang, Rückblenden in die Geschichte – und der Übergabe der Verantwortung an die 7. und 8. Generation.

Auf dem Kinderzoo-Parkplatz erwartet uns im Prinzip ein neuer Circus. Dank der außen liegenden Metallbögen gibt es im Inneren des Chapiteaus keine Masten mehr. Die 2340 bequemen Klappsitze wurden statt genau hintereinander jeweils leicht versetzt angeordnet, um wirklich jede Beeinträchtigung der Sicht bestmöglich zu vermeiden. Der 2017 erneuerte Artisteneingang wurde mit einer „100“-Leuchtschrift versehen, Licht und Ton auf den neuesten Stand gebracht.


Außenansicht 

Überwältigend ist der Anblick des Circus von außen. "100 Jahre Knie" leuchtet eine Schrift in der Nacht über dem Eingangsportal. Die Bogenmasten sind blau illuminiert, die schneeweiße neue Plane wird festlich in rot und blau angestrahlt. Das ebenso neue, viermastige Vorzelt schwingt sich elegant um die vordere Hälfte des Chapiteaus und ist höchst geschmackvoll eingerichtet. Plakatmotive aus 100 Jahren, rote Stoffbahnen, Lichterketten und bequeme Sitzgelegenheiten schaffen ein wunderbares Ambiente. Das bekannte Büffet wird durch neue Verkaufsstände und -wagen mit einem deutlich erweiterten gastronomischen Angebot ergänzt.


Truppe Bingo und Tanja Dankner 

Als das Orchester unter der Leitung von Ruslan Fil die Ouvertüre spielt, steht in der Manege bereits ein kleines Circuszelt. Das Jubiläumslogo wird auf den halbtransparenten Stoff projiziert. Ebenso wie schöne Bilder aus 100 Jahren, von den Gründern bis zu den heutigen Circusmachern der 6., 7. und 8. Generation Knie. Unter diesem Zelt schläft Circusprinzessin Chanel und träumt vom Zwiegespräch mit ihrem Großvater Fredy Knie jun. Wie sie den Circus erhalten könne, möchte sie von ihrem „Nonno“ wissen: „Folge deinem Herzen und öffne deine Augen“, lautet sein guter Rat. Ein weißes Pferd in der Videoprojektion verliert eine blaue Feder aus dem Puschel an seinem Kopf. Die erwachte Chanel fängt diese ganz real. Weiter geht das Opening mit einem Charivari der Truppe Bingo. Verschiedene akrobatische Genres am Boden und in der Luft werden von den sechs Mädels und zwei Jungs aus der Ukraine präsentiert. In diesem Jahr erhält ihre Eröffnung eine ganz neue Prägung, denn dazu wird live gesungen. Erstbesetzung ist die bekannte Schweizer Sängerin Nubya. Wenn diese andere Verpflichtungen hat, wird sie vertreten. Darüber informiert das umfangreiche Jubiläums-Programmheft, welches fast einem Buch gleicht. An diesem Samstagabend ist es Tanja Dankner, die den emotionalen Song über den Circus Knie interpretiert – den Ort, an dem seit Generationen Träume wahr werden, wie es im englischsprachigen Text heißt. Dazu trägt die Sängerin ein fantastisches, farbenfrohes Kostüm mit Knie-Schriftzug. Es wurde von Gia Eradze kreiert. Die gesamte Eröffnung der Vorstellung geht direkt ins Herz.


Golden Dream, Fratelli Errani, Victor Kee 

Maycol Errani – der Ehemann von Géraldine Knie – und seine jüngeren Brüder Guido und Wioris bereichern im 12. Jahr in Folge die Programme des Circus Knie mit ihrem vielseitigen Können und in immer neuen Disziplinen. Die Geschichte begann 2005, als Maycol und Guido Errani erstmals mit ihren ikarischen Spielen bei Knie engagiert waren. Was lag da näher, als diese fantastische Nummer fürs Jubiläum neu aufzulegen? Sie bringt als erste akrobatische Darbietung nach dem Opening gleich Tempo und Stimmung. Salti und Pirouetten im direkten Wechsel, der Kopfstand auf dem Fuß von Untermann Maycol, die Landung im Stehen auf einem Fuß des Bruders: All das macht nach wie vor Eindruck. Große Gefühle zelebrieren Ambra und Yves Nicols mit ihrer Nummer „Golden Dream“. Als Goldmenschen und im römischen Stil arbeiten sie an den Tüchern. Atemberaubend, wie Ambra sich mit beiden Händen am Nacken des Partners hält, loslässt und sich mit seinen Füßen fangen lässt – und dies alles in großer Höhe. Einen großen Namen trägt Victor Kee. Vollkommen künstlerisch ist sein Auftritt gestaltet, in dem er mit fünf Bällen jongliert. Die Requisiten fliegen ihm aus der Kuppel zu, werden von ihm in der Luft gefangen und sofort zum Jonglieren verwendet.


Chanel Knie, Fredy Knie jun. 

Mit einem Pferde-Block geht es Richtung Pause. Viele Jahre ist Géraldine Knie nicht mehr als Reiterin aufgetreten. Sie war mit Freiheitsdressuren zu erleben und legte zuletzt eine Babypause ein. Nun feiert sie ihr Comeback mit einer vorzüglich gerittenen Hohen Schule. „Here I go – feel better now“, heißt es im Begleitsong, der von Tanja Dankner live interpretiert wird, mitten in der Manege im weißen Kleid. Dabei wird sie von der Reiterin umkreist, die sich selbstbewusst und strahlend lächelnd präsentiert. Auf Géraldine folgt ihre Mutter Mary-José mit einer Doppelfreiheit Schecken zur Filmmusik aus „Greatest Showman“. Géraldines Tochter Chanel sorgt für den herzigsten Moment der Show. Dann, wenn sie mit großer Ernsthaftigkeit sechs Ponys in Freiheitsdressur anleitet. Die Tiere springen über Hürden, versammeln sich zur Leckerli-Gabe, und drei von ihnen verabschieden sich mit einem gemeinsamen Steiger. Der Clou aber ist, dass die Ponys beritten sind – mit Puppen in Gestalt von Chanel, sechs Doubles mit den gleichen, langen Haaren. Die Oberkörper der Puppen wippen witzig vor und zurück. Das Vergnügen im Publikum ist riesig. Ernsthaft anrührend wird es gleich darauf. Aus der Kuppel fährt eine zylinderförmige Leinwand. Darüber laufen Bilder und Videos, die vorwiegend Nummern aus der jahrzehntelangen Manegen-Karriere von Fredy Knie jun. und seines Zweigs der Circusfamilie zeigen. Schließlich tritt der Direktor selbst in den Ring. Zum Jubiläum hat er einen ganz großen Auftritt. Erst formt er 18 Pferde zum Stern in drei Gruppen, dann dirigiert er das Karussell mit 30 Rössern auf drei Bahnen. Das Licht erlischt, und die Pferde drehen mit leuchtenden LED-Geschirren ihre Kreise. Ein fantastisches Bild, das heute nirgendwo anders mehr zu sehen ist. Mit feurigen Steigern geht der Pferdeblock zu Ende, gemeinsam und im Wechsel präsentiert von Fredy Knie jun. und Enkel Ivan. Zum Schlusskompliment kommt Fredy Knies ganze Familie in die Manege: Ehefrau, Tochter, Schwiegersohn, die drei Enkel. Gemeinsam verneigen sie sich vor einem Porträtbild von Fredy Knie sen., das auf eine Leinwand im Artisteneingang projiziert wird.


Ivan Frédéric Knie, Anastasia Makeeva mit Truppe Bingo, Duo Ballance 

Den zweiten Programmteil eröffnen die Bingo-Damen mit einem Tanz in Weiß, der sich wieder von der bekannten Machart deutlich abhebt. Nun sind auf der Zylinder-Leinwand Fotos und Videos aus dem Familienzweig Rolf Knie und Franco Knie sen. zu sehen, vorwiegend von den Elefantennummern, die jahrzehntelang den Circus Knie prägten. Auf dem Artisteneingang leuchten die Umrisse eines Elefanten, doch Franco Knie jun., Ehefrau Linna und Sohn Chris Rui stellen heuer wesentlich kleinere Tiere vor: farbenprächtige Papageien und Sonnensittiche von Alessio Fochesato in einer tiergerechten Dressur. Dabei kommt die Schönheit dieser Tiere voll zur Geltung. Anastasia Makeeva war mit ihrer großartigen, hochriskanten Strapaten-Arbeit bald in allen großen Häusern zu sehen. Wunderbar die Einleitung mit sechs Bingo-Girls. In ihren langen roten Kleidern bedecken sie zunächst die Artistin. Eine nach der anderen erhebt sich, bis der Blick frei wird auf Anastasia Makeeva. Im Tango-Rhythmus schwingt sie sich in die Luft. Ohnehin steigert sich das Programm immer weiter in einen wahren Rausch. Für einen der ganz großen Höhepunkte sorgen die beiden Rumänen Constantin Ciobotaru und Dan-Florin Tazlaunau alias Duo Ballance mit ihrer Hand-zu-Hand-Akrobatik. Ohne einmal abzusetzen, zelebrieren sie über zehn Minuten weg Höchstschwierigkeiten des Genres und Passagen, die wir so noch nicht gesehen haben. Schon im ersten Drittel gibt es beispielsweise einen Trick, bei dem Dan-Florin auf Constantins Kopf steht. Der Untermann setzt sich hin, dreht eine Pirouette im Sitzen und steht wieder auf, mit dem weiter stehenden Partner auf dem Kopf. Ivan Frédéric Knie und Wioris Errani sorgen mit der Doppelpost noch einmal für Tempo. Jeder auf zwei pechschwarzen Friesen stehend, reiten sie um die Manege. Zunächst lassen sie jeweils einen Friesen unter sich kreisen, dann lässt jeder sechs weiße Vorauspferde unter sich durchlaufen, bis sie nach und nach alle zwölf Rösser an langen Bändern führen. Zwei imaginäre Gespanne drehen rasante Runden um die Manege, dirigiert in deren Mitte von Maycol Errani.


Victor Giaccobo und Mike Müller, Truppe Sokolov

Ein Stück weit ist das Jubiläumsprogramm auch „Best of“. Und so wurde nach vier Jahren noch einmal die 14-köpfige Schleuderbrett-Truppe Sokolov verpflichtet. Man wird sie als die beste unserer Zeit bezeichnen dürfen. „Neu“ ist die Nummer in gewisser Weise doch, denn auf die außergewöhnliche Inszenierung zu Mozart-Melodien wird verzichtet. Die Truppe hat stattdessen edle Circus-Livrees in rot, schwarz und gold sowie neue Musik erhalten. Und nach wie vor beherrscht sie ihre dichte Abfolge von Spitzenleistungen. Dazu gehören Sprünge auf Menschentürme, zur Bodenmatte und in den Sessel. Flüge und Landungen auf einer und auf zwei Stelzen dürfen ebenso wenig fehlen wie ans obere Ende einer abenteuerlichen Konstruktion aus Russischem Barren, Stelzen und Perchestange mit Sessel. Im Jubiläumsjahr hat der Circus Knie besondere Stars der Schweizer Comedy-Szene engagiert – für die Deutschschweiz Viktor Giaccobo und Mike Müller. Sie waren von 2006 bis 2016 Gastgeber einer satirischen Late-Night-Show auf SRF 1 und sorgen nun für ein Wiedersehen mit einigen ihrer – in der Schweiz – sehr bekannten Comedy-Figuren. Dazu zählt Hanspeter Burri, der seinem Sprachfehler zum Trotz gerne über die schwierigsten Themen doziert. Hier legt er die 100-jährige Geschichte des National-Circus dar. Fredi Hinz, gespielt von Viktor Giaccobo, ist derweil mehr oder minder engagiert auf Stellensuche. Die quengelige Frau Grütters (Giaccobo) hätte gerne, dass ihr Sohn Armin (Müller) sich beim Ponyreiten erproben darf. Er tut es auf einem veritablen Pferd. Als Lebemänner Boppeler und Stark schwadronieren die Komiker über ihr Catering-Unternehmen, das auch Mahlzeiten „Veggie vegan plus“ anbietet. Die zwei Mini-Schweine in der Manege schlachten mag keiner von beiden. Ungeheuer witzig schließlich ist ihr letzter Auftritt, in dem Mike Müller eine großartige Kopie von Promi-Wahrsager Mike Shiva gibt. Sein Assistent Fredi Hinz soll Kandidaten im Publikum finden, die Antworten auf ihre Zukunftsfragen suchen.


Yann Rossi, Davis Vasallo und Francesco Fratellini

Giaccobo/Müller treten nur in den Abendvorstellungen auf, an den Nachmittagen erhalten die traditionellen Clowns mehr Platz. Aus Yann Rossi als wundervoll stilvollem Weißclown, Davis Vasallo und Francesco Fratellini wurde ein Clowns-Trio in klassischer Besetzung zusammengestellt. Abends haben sie nur einen größeren Auftritt als „Papageienjäger“. Und sie spinnen den Handlungsfaden, der sich durchs ganze Programm zieht: Francesco und Davis liefern sich in mehreren kurzen Szenen einen witzigen Wettstreit mit Chanel Knie um den Besitz der blauen Feder, die ihr im Opening zugefallen ist. Zum emotionalen Höhepunkt dieser Vorstellung wird das Finale, in dem Tanja Dankner abermals auf mitreißende Art den Circus Knie besingt. Fredy Knie jun. übernimmt – auf einem schwarzen Friesen sitzend – die Verabschiedung mit einer bewegenden Schlussansprache. Seine zwei größten Wünsche im Leben seien in Erfüllung gegangen: dass er selbst Circus machen durfte und dass die nachfolgenden Generationen es dürfen. Nun sei es an der Zeit für ihn, die Verantwortung für den Circus abzugeben an die 7. und 8. Generation. Der Patron der Familie steigt vom Pferd und setzt Chanel darauf. Und steckt dem Pferd die blaue Feder an, der seine Enkelin seit ihrem Traum im Opening hinterhergejagt ist.

Bereits am dritten Tag der jungen Saison läuft dieses Programm so rund und perfekt, als würde es schon lange vor Publikum gezeigt. Das Kreativteam unter der Leitung der artistischen Direktorin Géraldine Knie hat fantastische, minutiöse Arbeit geleistet und aus exquisiten Zutaten ein wundervolles Festmenü zum Jubiläum gezaubert.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll