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Circus Louis Knie - Tour 2019
www.louisknie.com ; 115 Showfotos

Wien, 17. Mai 2019: 1994 gab es in Österreich erstmals einen Circus mit dem Namen Louis Knie. In diesem Jahr starteten Louis Knie senior und seine Familie mit dem neu übernommenen Österreichischen Nationalcircus in eine wechselvolle Geschichte. Die ersten Saisons waren geprägt von großartigen Shows und wunderschönem Material. Das Unternehmen stellte für viele Circusenthusiasten das Ideal eines klassischen Großcircus dar. Später geriet der Circus dann in wirtschaftliche Schwierigkeiten und stellte letztendlich den Betrieb ein. Zumindest unter der ursprünglichen Direktion.

Denn auch ein Vierteljahrhundert später reist in Österreich ein Circus Louis Knie. Die Direktion liegt bei Louis Knie junior, als Unternehmenssitz nennt das Programmheft Bratislava. Bereits seit einigen Jahren reist der Sohn von Louis Knie senior mit seinem eigenen Betrieb durch die Alpenrepublik. Spezialität sind wie eh und je die hauseigenen Dressurnummern. Wildtiere dürfen inzwischen in österreichischen Circussen nicht mehr gezeigt werden. Und so brilliert der Junior mit einer fantastischen Pferdefreiheit. Das restliche Programm ist geschickt zusammengestellt und wird in der Manege von zehn Akteuren bestritten. In den ersten Vorstellungen in Wien gibt es einen Gastartisten.


Circus Louis Knie in Wien

Zur Premiere in der Donaumetropole strahlt das weiße Chapiteau mit der Sonne um die Wette. Lange Schlangen vor Kasse und Vorzelt zeugen von großem Publikumsinteresse. Letztendlich heißt es „volles Haus“. Zu den „Normalsterblichen“ gesellen sich Stars und Sternchen, die zumindest in Wien eine gewissen Bekanntheit zu haben scheinen. Die Ouvertüre bestreitet Manfred Huber, der mit seinem Schlagzeug über dem roten Artisteneingang sitzt. Wirkungsvoll sorgt er im Zusammenspiel mit Sounds aus der Konserve für die musikalische Begleitung des Programms. Auch die Lichtregie darf bei der Eröffnung Kostproben ihres Könnens geben. Die Beleuchtung trägt ebenfalls sehr positiv zur Gesamtwirkung bei.


Mathieu, Los Ortiz, Kevin Probst

Clown Mathieu kennen wir etwa aus dem Cirque Arlette Gruss. Ihm obliegt es in seinem ersten Auftritt als Dirigent, das Publikum zu begrüßen und in Schwung zu bringen. Dann gehen die Blicke nach oben. Die Los Ortiz sorgen auf dem Hochseil für Nervenkitzel. Vom Aufgang über das Schrägseil bis zur Pyramide arbeitet das Trio ein umfangreiches und temperamentvoll präsentiertes Repertoire. Entspannung dann wieder mit Mathieu. Mit einer Papiertüte fängt er einen imaginären Ball, und mit Hilfe eines Zuschauers bringt er einen Löwen aus Stoff dazu, durch einen Reifen zu springen. Aus Fleisch und Blut hingegen sind die acht Esel, die unter Anleitung von Cowboy Kevin Probst eine Freiheit zeigen. Die Lauffiguren klappen bestens, und das Kopf-auf-Schulter sieht zu goldig aus.


Jessyka Jasters, Lena Smaha, Sara Biasini-Berousek

Der Zusatz „Girl Power“ auf den Plakaten wird an diesem Abend erstmalig von Jessyka Jasters mit Leben erfüllt. Die Tochter von Giacomo und Elena Jasters (Messerwerfer und Armbrustschützen) zieht im knappen Kostüm die Blicke Richtung Kuppel. Dort erfreut sie die Premierengäste mit einer schönen Kür am Luftring. Nach dem Spiel mit einem Leuchtpunkt von Mathieu geht es mit der Riege der hübschen jungen Damen weiter. Lena Smaha lässt virtuos Hula Hoop-Reifen um verschiedene Körperteile kreisen. Besonders mitreißend wird es, wenn die Tschechin unzählige Ringe mit Hüfte und Oberkörper in Schwung hält. Das Verknoten von vier Zuschauern auf Hockern wird gerne vor der Pause platziert. Doch nachdem Mathieu dieses „Wunder“ vollbracht hat, erleben wir noch eine Pausennummer, die diesem Namen absolut gerecht wird. Sara Biasini-Berousek reitet die Ungarische Post auf zwei prächtigen Friesen. Zunächst zeigt sie Volten mit einem weißen Araber. Im Hauptteil ihres Auftritts lässt sie insgesamt zwölf weiße und braune Araber unter sich hindurchlaufen, um die Vorauspferde dann am langen Zügel zu halten. Ein herrliches Bild aus Tempo, Können und Schönheit verwöhnt das Publikum. Louis Knie junior ist es, der die Tiere dirigiert.


Carlo Josef, Sara Biasini-Berousek, Andrea Navratil

Der zweite Teil beginnt mit einem Gastauftritt. Carlo Josef (Schöbel) zeigt in den ersten Vorstellungen in Wien seine Equilibristik. Der Absolvent der Staatlichen Schule für Artistik in Berlin hat es an diesem Premierenabend schwer. Das Podest mit den Handstäben darauf steht nicht eben stabil auf dem Manegenboden. Somit kostet ihn sein Auftritt deutlich mehr Kraft als üblich. Dennoch arbeitet er elegant verschiedene Handstand-Varianten. Noch recht neu dabei ist die von Sara Biasini-Berousek präsentierte Hunderevue. Sie trägt die Handschrift von Wolfgang Lauenburger. Er hat die quicklebendigen Vierbeiner trainiert. Biasini-Berousek führt sie bereits sehr gekonnt vor. Besonderen Spaß haben die wuscheligen Haustiere beim Springen. Ganz egal ob durch Reifen oder über Hürden. Noch einmal erleben wir Lena Smaha. Beim Heilbronner Weihnachtscircus 2005/06 jonglierte sie gemeinsam mit ihren Geschwistern, nun tut sie es im Solo. Zunächst mit fünf großen Kugeln, dann mit zunächst drei, am Ende ebenfalls fünf Keulen. Dies sehr apart im Stil der 1920er Jahre. Mit seinen Glöckchen läutet Mathieu quasi den folgenden Auftritt ein. Dieser gehört Andrea Navratil. Am Vertikalseil zieht sie mit ihrer (ausdrucks-)starken Kür die Blicke noch einmal Richtung Kuppel. An dieser Stelle sei erneut das traumhafte Lichtdesign erwähnt. Auch die Nummer von Andrea Navratil gewinnt dadurch spürbar an Wirkung.


Jessyka Jasters, Louis Knie junior, Los Ortiz

Von der Luft auf die Erde wechselt Jessyka Jasters für ihren zweiten Auftritt in der Show. Dort jongliert sie auf einer Trinka liegend mit den Füßen. Ihre Tücher lässt sie auf Händen und Füßen rotieren. Ferner wirft sie diese zwischen den verschiedenen Extremitäten hin und her. Die größte Wirkung erzielt sie bei ihren Antipodenspielen mit der Jonglage eines Metallkreuzes, dessen Enden brennen. Der Star des Programms ist der Direktor höchstselbst. Louis Knie juniors Pferdeshow ist einfach phänomenal. Sie beginnt mit Schulschritten eines Friesen, die am langen Zügel vorgeführt werden. In der folgenden Freiheit dirigiert er zunächst sechs weiße Araber. Zu Beginn gar ohne Stock und Peitsche. Sechs braune Araber kommen hinzu. Gemeinsam mit den Friesen genießen wir das Karussell auf drei Bahnen. Das furiose Finale dieser Nummer bestreiten dann wieder die sechs Schimmel. In immer neuen Varianten erleben wir Steiger. Besonders herauszuheben ist dabei das gemeinsame Steigen des entlang der Piste verteilten Sextetts. Das Vorwärtslaufen dieser Gruppe auf den Hinterbeinen dirigiert Louis Knie junior dann wieder nur mit den Armen. Schöne Pferde, atemberaubende Tricks und eine überaus elegante Präsentation. Was will man mehr. Chapeau. Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem Zusammenhang Robert Stipka junior, der bei den Dressuren unterstützt. Eine angenehme Länge hat die Filmszene von Mathieu, die in einem Saloon spielt. Entsprechend tragen seine Mitspieler aus dem Publikum Westernkostüme. Der verschmitzte Franzose überzeugt auch hier und lässt seine Gäste immer eine gute Figur machen. Den Nervenkitzel vor dem Finale erzeugen Los Ortiz. Diesmal im Duo halten sie die Zuschauer auf dem Todesrad in Atem. Ob mit verbundenen Augen oder als Seilspringer, die Hasardeure sorgen für hörbare Begeisterung auf den Rängen unter ihnen. Im anschließenden Finale wird das gesamte Ensemble frenetisch gefeiert. Louis Knie junior spricht die Abschiedsworte.

So geht ein wunderbarer Circusabend zu Ende. Dieser Circus Louis Knie feiert einmal mehr den klassischen Circus und beweist, dass dieser gerade in unserer heutigen Zeit seine Daseinsberechtigung hat. Das Live-Erlebnis einer Circusvorstellung kann kein Youtube-Video der Welt transportieren. Das gibt es eben nur unter einem Chapiteau. Hoffen wir, dass möglichst viele Menschen diese Einsicht teilen und Unternehmen wie dem von Louis Knie junior den Erfolg bescheren, den sie verdienen.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch