Schräg
darüber steht das Wort „Hurra“ – leider mit einem „r“ zu wenig. Doch
dann wird alles gut. Die Band erscheint und spielt sogleich, alle
Mitwirkenden versammeln sich zum Opening auf der Bühne. Die
Geburtstagsparty kann beginnen. Sie findet in bester Nemo-Manier satt.
Mitreißend, begeisternd, wahnsinnig witzig und total schräg. Zum
Jubiläum bleibt der Circus seinem Stil treu, legt aber gefühlt noch
eine Schippe drauf.
Eröffnungsszene mit dem Duo Solys und Ingo Stiebner
Die
Produktion 2019 ist artistisch stark besetzt. Captain Frodo sorgt
einmal mehr für skurrilen Humor. Ein Meister dieses Fachs ist natürlich
ebenfalls Soren Ostergaard. Der Circusdirektor schlüpft wiederum in
einige seiner Paraderollen und sorgt für Lachsalven im
(gefühlten) Sekundentakt. Überhaupt geht in dieser Show alles
Schlag auf Schlag. Die geniale Inszenierung lässt keinen Raum für
Leerlauf. Volle Power von der ersten bis zur letzten Minute. Last not
least trägt das Chapiteau seinen Teil zum perfekten Erlebnis bei. Die
Zuschauer sitzen dicht beieinander und nah an der Rundbühne. So
entsteht eine ungeheuer kompakte Atmosphäre.
Kim Tim (Soren Ostergaard), Menno und Emily van Dyke
Nach
dem Opening spielt Soren Ostergaard gleich eine seiner bekannten
Figuren und gibt einen 70er-Jahre-Typen mit Lockenkopf und Schlaghosen.
Er animiert die Zuschauer zum Mitmachen, und schon gehen alle Hände im
Zelt in die Höhe. Noch einmal präsentiert sich das Ensemble auf der
Bühne. Es folgt der „Striptease unter einer Burka“, bei dem sich eine
Dame zu Musik ihrer Unterwäsche entledigt. Nur eben unter einer Burka.
Und schon steht
Ostergaard wieder im Scheinwerferlicht. Diesmal als alternder Zauberer
„Kim Tim“, der seine besten Jahre schon hinter sich oder solche nie
erlebt hat. Die Perücke sitzt genauso schlecht wie der Frack. Die
meisten seiner Requisiten kommen aus dem Hosenschlitz. Dazu gibt es
aberwitzige Kommentare. Dies natürlich auf Dänisch. Auch wenn man wie
ich dieser Sprache nicht mächtig ist, hat man jede Menge Spaß.
Akzentuierung, Mimik und Gestik sind stets zum Brüllen komisch.
Gänzlich ohne Sprachbarrieren kommt die Kunst der Artisten aus. Den
Auftakt machen hier Menno und Emily van Dyke. Der Jongleur und die
Tänzerin verschmelzen ihre beiden Disziplinen zu einem „Juggling
Tango“. Ein ungemein sinnliches Erlebnis, das einen immer wieder
vollends in seinen Bann zieht. Die mitreißende Begleitmusik kommt von
der Liveband, ergänzt um vorproduzierte Sounds.
Hector Yzquierdo, Ingo Stiebner und Marianne (Soren Ostergaard)
Aus
Deutschland angereist ist „Ernst Ditmar Bruchendorff Jr.“. So
jedenfalls ist die nächste Rolle von Soren Ostergaard angelegt. Von
daher spricht der zerstreute Puppenspieler Englisch. Zumindest versucht
er sich in dieser Sprache. So wird aus der 1.000 Jahre währenden
Familientradition letztendlich eine zehnjährige. Zudem hat er es
versäumt, sich am Flughafen einen Gürtel für seine viel zu weite Hose
zu besorgen. Es kommt, wie es kommen muss. Am Ende steht er in
Unterhose, Hemd sowie Sakko und mit zerstörter Puppe vor dem Publikum.
Herrlich! Mit seiner Partner-Akrobatik war das Duo Solys 2016 und 2018
bei Nemo. Auch in diesem Jahr sind Tatiana und Hector Yzquierdo mit
dabei. Grandios ist die erste Solo-Darbietung von Hector. In Trikot und
weitem Rock tritt er ins Scheinwerferlicht. Wenn er sich in den
Handstand beginnt, wird der Sinn des Kostüms klar. Der Rock fällt nach
unten und auf seinem Hintern kommt ein japanisches Frauengesicht zum
Vorschein. So bekommen seine Kunststücke auf zwei Händen eine
urkomische Note. Es sieht schlichtweg so aus, als würde eine Japanerin
auf zwei Beinen stehen und komische Verrenkungen machen. Marianne und
ihre Ratten kennen wir ebenfalls aus dem Vorjahr. Marianne ist
natürlich eine weitere Figur von Soren Ostergaard, die gerne über
Achselhaare schwadroniert und eben Ratten präsentiert. Dressiert wurden
diese von Gunter Sacckman. Bei der Vorführung unterstützt Ingo
Stiebner, der in früheren Programmen mit seinen Seelöwen bei Nemo
engagiert war. Die Rattendressur endet spektakulär. Mit Hilfe einer
Kanone soll eines der Nagetiere in die Luft katapultiert werden. Ein
Zuschauer soll die Ratte mit einem Kescher einfangen.
Captain Frodo, Duo Kvas, Tatiana Yzquierdo
Freunde
ästhetischer Körperbewegungen kommen bei Captain Frodo voll auf ihre
Kosten. Der Norweger mit den langen Haaren und dem Schnauzer betritt
nur in Tennisshorts, Socken und Schuhen die Bühne. Dies, um seinen
schlanken Körper durch die Rahmen von Tennisschlägern zu zwängen. Dabei
wird gerne mal ein Gelenk ausgehängt. Dazu gibt er aberwitzige
Kommentare ab. Dies dankenswerterweise auf Englisch. Als „Rote
Polnische“, also in der Gestalt eines Würstchens, leitet Soren
Ostergaard die Pause ein. In einem überdimensionalen Toaster wird das
zugehörige Brot geröstet. Der bestens bekannte „Bager Jorgen“ darf
dieses Jahr keine langen Monologe halten und dabei Backwaren
zerbröseln. Vielmehr steckt er unter einer großen Geburtstagstorte, mit
der diese Ostergaard-Figur den zweiten Teil eröffnet. Partner-Akrobatik
vom Feinsten serviert das Duo Kvas. Vladimir Kostenko und Anton
Savchenko begeistern mit den unterschiedlichsten Tricks der
Equilibristik. Sogar im Kopf-auf-Kopf halten sie sich virtuos im
Gleichgewicht. Auch den „Malermanden“, den Maler, haben wir über die
Jahre liebgewonnen. 2019 lässt Soren Ostergaard seine Figur einen
Zaubertrick mit einem Massband vorführen. Unterstützt wird er dabei von
Laura Kvist. Der Trick an sich ist schon originell. Doch es ist noch
eine Steigerung drin. Nämlich dann, wenn Captain Frodo in Zeitlupe
erklärt, wie die Zauberei eigentlich funktioniert. Ohne Verschnaufpause
geht es in den Wilden Westen. Mit nur drei Personen entsteht ein rundum
gelungenes Country-Feeling mitten in Dänemark. Tatiana Yzquierdo reitet
auf einem Stoffpferd, Partner Hector spielt gleich zwei Charaktere,
nämlich ein Tanzpaar, und Ingo Stiebner schwingt das Lasso.
Captain Frodo, Soren Ostergaard, Marko Karvo
Das
Kunststück, mit dem Schwert eine Gurkenhälfte zu zerteilen, die von
einer Zuschauerin gehalten wird, beherrscht Captain Frodo. Zumindest
fast. Eine – nur geringfügig - manipulierte Augenbinde soll für
zusätzlichen Nervenkitzel sorgen. Auch hier steht wieder viel Wortwitz
im Vordergrund. Natürlich fehlt zum Jubiläum auch jene Ostergaard-Figur
nicht, die sich durch langes fettiges Haar, Schwabbelbauch unter dem
Netzhemd und ständig ausgestreckte Mittelfingern auszeichnet. Zur
Aufführung kommt eine Kistenillusion, bei der ihm Laura Kvist, Tatiana
Yzquierdo und Ingo Stiebner assistieren. In die Kiste gesteckt und
durchbohrt wird Hector Yzquierdo. Glücklicherweise übersteht er das
Experiment unverletzt. Denn gleich darauf ist er mit Partner-Akrobatik
zu erleben. Da Tatiana, die andere Hälfte des Duo Solys, sichtbar
schwanger ist, muss Ersatz her. Der besteht aus einer Gummipuppe, die
das gleiche Kleid anhat wie Tatiana in der Szene davor. Wirklich
stilvoll geht es dann bei der Schlussnummer zu. Marko Karvo trägt
Frack, Vanessa verschiedene hübsche Kleider. Die wechselt sie auf der
Bühne, denn Quick Change gehört zum Repertoire des finnisches Magiers
und seiner Partnerin. Im Mittelpunkt stehen aber die bekannten
Illusionen mit Tauben, Wellensittichen und Papageien. Karvos
Fingerfertigkeit ist ebenso einzigartig wie seine elegante, leicht
unterkühlte Präsentation. Die Einleitung zum Finale wird poetisch, aber
eben Nemo-Style. Soren Ostergaard macht Seifenblasen im handelsüblichen
Format. Von Hinten schleicht sich Captain Frodo an, um ihn mit deutlich
größeren zu übertreffen. Das Spiel zwischen den beiden geht über in die
Verabschiedung mit dem gesamten Ensemble. Im Starkregen aus dänischen
Fahnen im Kleinformat endet die Show.
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