CHPITEAU.DE

Circus Harlekin - Tour 2020
www.circusharlekin.ch ; 148 Showfotos

Interlaken, 4. September 2020: Auch in der schwierigen Saison 2020 bietet der Bern-Walliser Circus Harlekin wieder ein Programm nach dem eigenen Leitspruch „Ambiance und Qualität“. Corona-bedingt kann erst im Juli gestartet und muss die Tournee auf die besucherstärksten Orte der üblichen Route und das Wallis begrenzt werden. Bis Ende September begeistert die Produktion „eifach schööön“ mit originellen artistischen Nummern, viel Humor und liebevollen Haustierdressuren. Dies alles in der familiären Art und Weise, die den Harlekin in so besonderer Weise auszeichnet.

Enorm aufgewertet wird das Ambiente im Chapiteau während dieser 28. Tournee des Circus Harlekin durch die neue Klappsitz-Tribüne aus Italien. Aufgrund der Corona-Pandemie bleibt zwischen jeder Besuchergruppe einer der Sitze frei. Die hierdurch verringerte Kapazität und der große Zuspruch führen dazu, dass an vielen Orten nicht alle Interessenten Einlass gewährt werden kann.


Platzkonzert der Musikgesellschaft Ringgenberg, Duo Nevarez

In Interlaken freuen sich die Direktoren Pedro Pichler und Monika Aegerter über den Besuch der Musikgesellschaft Ringgenberg, die mit einem Platzkonzert das Gastspiel eröffnet. Inzwischen haben beide sich weitgehend aus der Manege zurückgezogen. Auf ihre Clownsnummern als „Les Nicas“ müssen wir verzichten, doch immerhin führt Monika Aegerter charmant durch die Vorstellung. Nach der Ouvertüre des Harlekin-Orchesters, unterstützt von Clown Hector Rossi am Saxofon, gehört die Manege dem Duo Nevarez aus Mexiko. Zunächst beeindruckt Julio Cesar Martinez Hernandez seine Partnerin Ivette Gloria Maldonado Nevarez mit einem besonderen Kunststück: Er balanciert eine langstielige Rose auf seiner Stirn, während er gleichzeitig Trompete und Akkordeon spielt und sich auch noch in den Spagat gleiten lässt. Danach entschweben beide zu einer dynamischen, rasanten Kür im Mambo-Rhythmus an den Strapaten unter die Circuskuppel. Beide suchen offensiv den Kontakt zum Publikum und begeistern mit ihrer mitreißenden Art. Bei der mexikanischen Ausgabe des Supertalents sagte die Jury drei Mal „Si!“ zu diesem Duo, das nun eine originelle Neuentdeckung für Europa wurde – eben „typisch Harlekin“. Zum Abschluss dreht sich Ivette im Genickhangwirbel, von ihrem Partner mit den Zähnen gehalten.


Alina Malko, Ethio-Brothers, Nicole Pichler

Von Südamerika geht es weiter nach Afrika: Die beiden „Ethio-Boys“ Ashenafi und Daniel sind ebenfalls eine Harlekin-Neuentdeckung und erstmals auf unserem Kontinent zu Gast. Jeweils übers ganze Gesicht strahlend, jonglieren sie gemeinsam mit Keulen. Dabei umrunden sie sich gegenseitig und stehen Arm in Arm, einander gegenüber oder Rücken an Rücken. „Let me entertain you“, spielt die Harlekin-Band und tatsächlich fühlen wir uns trefflich unterhalten. Auch in dieser Saison präsentiert Nicole Pichler, die Tochter des Direktors, eine Tiernummer vom schwedischen Cirkus Olympia der Familie Bengtsson. Sie dirigiert sechs prächtige Friesen zunächst durch temporeiche Lauffiguren und lässt sie dann, während die Geschirre effektvoll im Dunkeln leuchten, ruhig walzen. Ein Steiger bildet den Abschluss. Ebenso ein sehr bekanntes Gesicht in diesem Circus ist die vielseitige Artistin Alina Malko. Inzwischen ist sie mit dem Harlekin-Allrounder und Oberrequisiteur Robert Rusin verheiratet. Heuer präsentiert sie sich als energische Rockerlady in einer Luftnummer an Ketten und heizt dem Publikum zu AC/DCs „Thunderstruck“ so richtig ein. Spagat, Genickhang und Abfaller gehören – unter anderem – zu den Bestandteilen des Repertoires.


Tamara Khurchudova, Pierrot und Hector Rossi, Rogerio Goncalves alias "Goncalito"

Nach so viel schwungvoller Unterhaltung wird es Zeit für ein wenig Entspannung. Und so besuchen wir das Museum des Circus Harlekin, wo eine Napoleon-Statue, die Mona Lisa und die Bibliothek von Leonardo da Vinci auf Besucher warten. Nachdem „Museumswärter“ Pierrot Rossi beim Abstauben doch einige Schäden an den einzigartigen Kunstschätzen anrichtet, muss er selbst einspringen und den Besucher Hector von dem Malheur ablenken – eine fraglos originelle und unterhaltsame, nur in Teilen ein wenig langwierige Angelegenheit. Ebenso heiter geht es weiter, denn „typisch Harlekin“ ist auch viel Humor. Rogerio Goncalves wurde aus dem Vorjahr prolongiert und hat deshalb seine Jonglage-Nummer mit viel Augenzwinkern abgewandelt. Nun präsentiert er sich als Mexikaner „Goncalito“ mit Sombrero, der bei seiner Siesta nicht gestört werden möchte. Dennoch lässt er sich dann zur „Arbeit“ hinreißen: Goncalves lässt eine kleine Gitarre auf zwei Devilsticks tanzen, hält einen Stapel von 16 Zigarrenkisten horizontal in der Luft und jongliert abschließend mit drei kleinen Strohhüten. Seine fröhliche, extrovertierte Art passt perfekt in dieses Programm. Es weiß nicht nur mit interessanten Newcomern, sondern auch mit äußerst etablierten und erfahrenen Künstlern und Künstlerinnen zu überzeugen. Und eine solche ist Tamara Khurchudova. Fantasievoll und mit interessanten Leuchteffekten gestaltet sind ihre Antipodenspiele. Die Artistin trägt zunächst eine Art Baldachin aus leuchtenden LED-Schnüren über sich. An ihrem Kostüm blinken Lichter. Mit einem Gurt lässt sie sich von der Trinka in die Höhe ziehen. Im Dunkeln kreisen vier fluoreszierende Tücher auf ihren Händen und Füßen. Zum Abschluss ihrer Darbietung geht es nochmal unter die Zeltkuppel, nun aber nicht mehr an einem Beckengurt hängend, sondern mit einem Fuß in einer Schlaufe. Auf diese Weise lässt sie noch drei Teppiche auf den freien Extremitäten rotieren. Mit einer humorvollen Einlage des „Hausballetts“ geht es in die Pause.


Ethio Brothers, Susanne Mani, Pierre und Hector Rossi

Der zweite Programmteil wird eröffnet mit dem Harlekin-Marsch – natürlich live gespielt vom Orchester – und anschließend einem Wiedersehen mit den Ethio Brothers. Die sympathischen Artisten überzeugen mit ihrer gut gelaunten Art auch und ganz besonders als Kaskadeure. Voller Action ist die umfassende Abfolge an Tricks auf und über Tisch und Stuhl. Ihre beiden Nummern sind eindeutig die artistischen Highlights des Programms, in dem in diesem Jahr leider erneut auf eine Truppe verzichtet wird. Umso mehr freuen wir uns auf die Saison 2021, in der die siebenköpfige "Africa Nova Group" mit Handvoltigen und am Chinesischen Masten begeistern soll. Susanne Mani bildet seit nunmehr 13 Saisons eine unverzichtbare Stütze des Unternehmens. Sie kümmert sich um die Vorreise, agiert nun als Platzchefin und ist auch nach der Vorstellung an der Bar in der berühmten „Kameltränke“ im Einsatz. Vor allem aber ist sie die „Frau Dr. Doolittle“ bei Harlekin. In jedem Jahr stellt sie eine neue, selbst dressierte Tiernummer vor. 2020 nimmt sie uns mit auf einen Bauernhof mit reitenden Ziegen, Esel, Schwein, Ponys und stattlichen Kühen. Die Clowns Hector und Pierrot sind im zweiten Programmteil mit einer kleinen Musik-Einlage und einem großen Entree vertreten – anders als vor der Pause wird hier aber keine durchgängige Geschichte erzählt, sondern werden verschiedene musikalische Kabinettstückchen wie ein „Glöckchen-Boxkampf“ und Schabernack aller Art eher lose aneinander gereiht.


Ivette Gloria Maldonado Nevarez, Goncalito, Tamara Khurchudova

In ihrem zweiten Auftritt zeigt Tamara Khurchudova nicht ihre bekannte Schwungtrapez-Arbeit, sondern überrascht mit einer ruhigeren Variante einer Antipoden-Nummer „ganz in Weiß“. Begleitet von Klaviermusik, lässt sie zunächst zwei beleuchtete Regenschirme, die mit einer gemeinsamen Stange verbunden sind, auf ihren Füßen tanzen. Dann bewegt sie mit Händen und Füßen insgesamt fünf Reifen mit Stoff-Ummantelung. Für den Schlussteil lässt sie nochmal das Schirm-Requisit und einen einzelnen Ring um ihre Füße kreisen – nunmehr auf dem Kopf stehend und dabei auch noch ein Buch lesend. Nach so viel romantischer Stimmung wird’s nochmal herzhaft lustig. „Goncalito“ hat für sein zweites Harlekin-Engagement zudem eine Comedy-Nummer zusammengestellt, bei der er sich von der „musikalischen Kerze“ über amüsante Peitschenspiele und den Besuch des Stofftiers „Juanito“ bis zu einem Quickchange-Effekt zum Abschluss blödelt. Und nun das große Finale! Im Samba-Rhythmus tanzend kommt das Ensemble in die Manege, alle Artisten werden namentlich vorgestellt – und das war es dann, auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr? Nicht so bei Harlekin 2020, denn die eigentliche Schlussnummer folgt erst jetzt. Ivette Gloria Maldonado Nevarez erklimmt das Schwungseil und begeistert mit Abfallern, Sprüngen und Festtagslaune im Gesicht. Das übrige Ensemble sitzt auf den Logenkästen und schaut zu. Musikalisch reißen Helene Fischer und Andrea Berg mit „Atemlos“ und „Du hast mich tausend Mal belogen“ mit. Die Textzeile „Ich bin mit dir so hoch geflogen…“ wirkt wie der Kommentar zu dieser raumgreifenden Nummer. Natürlich wird das Finale anschließend noch weiter ausgiebig zelebriert, und zwar mit dem „Vogellisi-Lied“ – einer musikalischen Liebeserklärung ans Berner Oberland – und mit dem wunderbaren Schlager „Wir sind eine große Familie“.

In der Tat gibt der „Harlekin“ von Pedro Pichler und Monika Aegerter seinem treuen Publikum immer wieder das gute Gefühl, selbst Teil der großen Circusfamilie zu sein. Die Direktion kennt ihr Publikum und andersherum. Das vor Schwung, Witz und Musikalität strotzende Programm 2020 liefert eine extragroße Dosis wohltuender Lebensfreude in der doch eher trübseligen Corona-Zeit.

______________________________________________________________________
Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll