CHPITEAU.DE

Circus Harlekin - Tour 2021
www.circusharlekin.ch ; 123 Showfotos

Leukerbad, 10. Juli 2021: Es ist ein kleines Wunder, dass der Circus Harlekin hier überhaupt spielt – mitten im Thermalkurort Leukerbad, auf fast 1500 Meter Höhe. Denn nachdem die Tournee mit gut drei Monaten Verspätung gestartet ist, musste das ganze Unternehmen zunächst ins Wallis reisen. Hier ist der Harlekin stets im Sommer zu Gast. Der direkte Weg vom Winterquartier im Berner Oberland würde durch den 14 Kilometer langen Lötschbergtunnel führen, mit Verladung aller Fahrzeuge auf einen Autozug. Statt diesen Weg zu nutzen, wurde das gesamte Material mit großem Umweg über das Rhonetal herangefahren.

Im Wallis angekommen, fand die Saisonpremiere auf einem Eintagesplatz in Chalais statt, im Rhonetal gelegen. Mitten in der Nacht wurden dann über kurvenreiche Straßen, an schroffen Abgründen vorbei, die 900 Höhenmeter hinauf nach Leukerbad überwunden. Hier steht der Circus der beiden Direktoren Pedro Pichler und Monika Aegerter nun mitten im lebhaften Kurort, von Hotels umgeben und in Sichtweite zur herrlichen Leukerbad-Therme. Dort kann man es sich mit Blick auf die hoch aufragenden Alpen in den warmen Außenbecken gut gehen lassen.

 
Circus Harlekin auf 1500 Meter Höhe im Thermalkurort Leukerbad 

Bei Harlekin hat man sich für die Möglichkeit entschieden, von den Besucherinnen und Besuchern kein Covid-Zertifikat zu verlangen. Stattdessen muss während der Vorstellung Maske getragen werden. Zwischen den einzelnen Besuchergruppen bleibt zudem ein Sitzplatz frei. Ansonsten ist alles wie gehabt – Harlekin bietet Circus mit „Ambiance und Qualität“. Wie aus dem Ei gepellt steht das Unternehmen da, nunmehr mit einem im Winter neu gebauten Toilettenwagen, der via Crowdunding finanziert wurde. Fest dazu gehört selbstredend das sechsköpfige Orchester unter der Leitung von Ihor Talatynnik, das die gesamte Vorstellung mit schwungvoller Musik begleitet.


Pierrot und Hector Rossi, Africa Nova Group, Nicole Pichler

In der vierten Saison erleben wir die Clowns Hector und Pierrot Rossi, wie immer mit neuen Späßen und Ideen. Diesmal wurde eine Rahmenhandlung geschaffen, angelehnt an David Larible, aber nicht kopiert. Pierrot gibt also den Jungen, der davon träumt, zum Circus zu gehen und Clown zu werden. Und dieser Traum geht in Erfüllung, wenn er im bunten Opening mit dem Ensemble die Alltagskleidung gegen das Kostüm tauschen darf. Gleich darauf zeigt er sein Können auf dem Xylophon. Könner sind auch die sechs Herren der Africa Nova Troupe, die mit ihrer Arbeit am doppelten Masten gleich für das erste Highlight im Programm sorgen. Platzwechsel von Mast zu Mast, Salti am Requisit, Handvoltigen hin zum Mast und kraftvolle Posen, das Repertoire ist vielfältig und stark. Es tut dem Harlekin gut, dass nach drei Saisons Unterbrechung endlich wieder eine Truppe im Programm ist. Die Äthiopier konnten dank der hervorragenden Kontakte in das westafrikanische Land erstmals nach Europa geholt werden. Stammgäste aus Schweden, vom Circus Olympia der Familie Bengttson, sind dagegen die vier Kamele, die von Direktionstochter Nicole Pichler gewohnt souverän präsentiert werden. Für sie und die anderen Damen im Stamm-Ensemble hat Artistengattin Evelyn Goncalves heuer wunderscöne Kostüme kreiert und geschneidert.


Alina Malko, Los Sandros 

Fest zum Harlekin gehört inzwischen auch Alina Malko, die nach Akrobatik an einem Stuhl, dem klassischen Vertikalseil und modernen Ketten nun zum vierten Mal in Folge eine neu gestaltete Luftnummer präsentiert. Diesmal überzeugt sie mit raumgreifenden Figuren an den Strapaten, stürzt sich dabei auch wagemutig aus der Zeltkuppel Richtung Boden. Der mitreißende Act wird von Jazzmusik begleitet. Außer Stammkräften in jährlich wechselnden Nummern und interessanten Newcomern gehören zu den Harlekin-Programmen immer wieder auch international renommierte Artisten. In diese Kategorie fallen in dieser Saison „Los Sandros“. Vor der Pause beeindruckt Sandro Monteiro mit seinen starken Balancen auf der Rola Rola – und einem hohen Turm aus acht stehenden und liegenden Elementen, auf dem er balanciert. Sein originelles Requisit ist in Form eines Eiffelturmes gestaltet. Während Ehefrau Nathalie Daubard bei der Rola-Nummer nur assistiert, hat sie bei der klassischen Rollschuhnummer zur Eröffnung des zweiten Programmteils natürlich eine aktive Rolle. Alle typischen Tricks des Genres werden präsentiert, bis zum Genickhangwirbel. Das Publikum feiert die beiden Artisten mit großem Jubel und rhythmischem Applaus.


Rossi Clowns und Rogerio Goncalves, Susanne Mani, Nik mit Monika Aegerter

Die Rossis haben für diese Saison wieder neue Reprisen – wie das „Seilspringen ohne Seil“ – und ein schönes Musikalentree vorbereitet. Eindeutig das Highlight im humorvollen Teil des Programms ist jedoch das Kunstschützen-Entree, in dem auch Rogerio Goncalves mitwirkt. Der Portugiese gehört nun schon in der dritten Saison zum Harlekin-Ensemble. Die ideenreich gestalteten Wechsel- und Verwechselspiele lassen die Erwachsenen herzlich lachen und die Kinder vor Vergnügen kreischen. Erste Schritte in einer Circus-Manege wagt in diesem Programm im Übrigen der pensionierte Lehrer Peter Niklaus, mit einer etwas langwierigen Zauberei mit Augenzwinkern sowie einer Reprise vor der Pause. Ganz und gar keine Debütantin, sondern seit vielen Jahren eine der wichtigsten Stützen des Circus Harlekin ist Susanne Mani. Hinter den Kulissen ist sie als Platzchefin und im Barwagen aktiv, in der Manege überrascht sie Saison für Saison mit neuen, hervorragenden Dressurkreationen. Diesmal hat sie eine Freiheitsdressur mit einem Freiberger-Wallach sowie sechs Ponys und Zwergmulis zusammengestellt. Hinzu kommt Esel Sandro, der zu Beginn das Podest in die Manege zieht.


Africa Nova Troupe, Rossi Clowns mit Monika Aegerter, Rogerio Goncalves

Die Africa Nova Troupe sorgt nach dem spektakulären Auftakt zum Programm für einen noch spektakuläreren Abschluss, nunmehr bei Handvoltigen mit hohen Sprüngen und Salti, von dynamischer Musik begleitet und mit viel Ausstrahlung verkauft. Schade nur, dass hier sechs kräftige Herren die Untermänner sind, während ein deutlich jüngerer und schmächtigerer Artist als einziger Flieger agiert. Das Finale wird – wie bei Harlekin üblich – wieder groß zelebriert, bis schließlich das ganze Publikum in die neue Harlekin-Hymne „Wir sind eine große Familie“ einstimmt. Wie schon im Vorjahr wird das Finale für eine letzte Nummer unterbrochen, hier den skurrilen und reichlich deftigen Auftritt von Rogerio Goncalves als „Baby“, das auch in die Manege pinkelt. Und natürlich wird ganz am Ende Pierrot Rossi, der sich erfolgreich als Clown versucht hat, in die große Circusfamilie aufgenommen.

Allen Widrigkeiten zum Trotz bleibt der Circus Harlekin sich auch in dieser Saison treu. In der 29. Saison wird hochstehender Circus mit familiärer Prägung auch in kleine und noch kleinere Städte und Dörfer gebracht. 2022 wird dann das 30-jährige Bestehen groß gefeiert werden. Doch noch wird mit der aktuellen Produktion „es fägt“ gereist. Nach den Gastspielen im Wallis wurde mit allen 40 Fahrzeugen und Anhängern der Grimselpass überquert, bis in eine Höhe von 2165 Metern über dem Meeresspiegel, um so zurück ins Berner Oberland zu gelangen. Und schon das ist einfach ein kleines, feines Schweizer Circus-Wunder.

______________________________________________________________________
Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll