Auffallend viele junge Leute
rings um die Manege gehen begeistert mit, strahlen übers ganze
Gesicht, klatschen begeistert mit den Händen über den Köpfen. Im
Finale tanzen die beiden Besucherinnen vor mir glücksbeseelt in
der Loge. Da ist sie wieder, die Magie des Circus! Ganze neun
Monate lang war der Circus Louis Knie zuvor in „absoluter
Starre“ gestanden, heißt es 0zum Beginn der Vorstellung in einer
Begrüßung aus dem Off. Umso glücklicher sei das Ensemble, nun
wieder spielen zu dürfen, denn „ein Circus braucht sein
Publikum“. Seit November 2020 campierte das Circusteam auf einem
Gelände hinter dem Cineplex-Kino in Linz, dort wurde nun auch
wieder der Spielbetrieb aufgenommen.
Réka Lantos, Rudy Althoff, Los
Ortiz
Österreichisch ist in dieser
Saison nicht nur der Circus selbst, österreichisch ist auch sein
Clown. Don Christian alias Christian Hofer wärmt zunächst mit
einem Klatschspiel das Publikum auf, für die weniger eifrige
rechte Seite der Tribüne zieht er bald die gelbe und die rote
Karte. Bleiben dürfen natürlich trotzdem alle Besucherinnen und
Besucher und den ersten Höhepunkt des Programms erleben – und
dies im Wortsinn, denn „Los Ortiz“ wagen sich zu fünft aufs
Hochseil. Nach dem Aufgang übers Schrägseil werden unter anderem
Sprünge über ein und zwei auf dem Seil kauernde Personen,
Fahrradfahrt, Zwei-Mann-Hoch und Drei-Personen-Pyramide geboten,
letztere mit dem weiblichen Truppenmitglied Lili
Rodriguez-Herpszt an der Spitze. Auch in seinem zweiten Auftritt
bezieht Don Christian das gesamte Publikum ein, wenn er „I feel
good“ interpretiert und die Gäste die „Uhs“ und „Ahs“ dazu rufen
dürfen. Michael Bublés „Feeling good“ ertönt dagegen zu den
Posen, die die hübsche Réka Lantos am drehbar aufgehängten
Trapez zelebriert, kraftvoll und ausdrucksstark, aber niemals
das sympathische Lächeln vergessend. Rudy Althoff ist nicht nur
der neue Betriebsleiter bei Louis Knie, sondern steht mit der
hauseigenen Hundedressur auch selbst in der Manege. Die sechs
Vierbeiner zeigen sich sehr gelehrig, der Vorführer heizt mit
seinem offensiven Auftreten die Stimmung im Publikum weiter an.
Vanessa Berousek, Louis Knie
junior
Nochmals unterhält uns Don
Christian, nunmehr beim Glockenspiel und „landestypisch“ in
Lederhosen. Ein Mädchen aus dem Publikum unterstützt ihn dabei.
Mit einer großen Kelle bedient sie überaus motiviert den Gong an
Christians Gesäß. Mit bis zu fünf großen Bällen jongliert
Vanessa Berousek, die Tochter des schnellsten Jongleurs der
Welt, Mario Berousek. Dabei wird das Genre kräftig gegen den
Strich gebürstet: Nicht keck und fröhlich arbeitet sie, sondern
zelebriert zu einer dramatischen Pop-Ballade die ganz großen
Gefühle, leidenschaftlich und mit Herzschmerz. Den ganz großen
Auftritt hat dann vor der Pause der Direktor selbst. Louis Knie
präsentiert zunächst ein Schulpferd am Zügel, danach fünf
feurige Schimmel in Freiheitsdressur. Temporeich und voller
Temperament, zugleich aber auch mit leichter Hand und höchst
elegant leitet er die Tiere zu Lauffiguren und einem wahren
Festival verschiedenster Steiger an – rund um die Manege, zu
fünf nebeneinander, als Solosteiger und dreifacher
Vorwärtssteiger. Schade nur, dass aktuell nicht mehr Pferde aus
dem großen Marstall des Hauses präsentiert werden.
Andrea
Navratilova, Truppe Danger, Nicole Berousek
Musikalisch kombiniert der Circus
Louis Knie Musik vom Band mit live gespielten Klängen. Diese
erzeugen auf dem edel gestalteten, samtroten Artisteneingang
Manfred Huber am Schlagzeug sowie der renommierte
Circus-Kapellmeister Tino Aeby. Letzterer spielt im fliegenden
Wechsel Trompete, Percussions und Gitarre. So kreieren die
beiden Musiker einen tollen, voll tönenden Sound, der zu keiner
Zeit an „Konservenklänge“ denken lässt. Dies gelingt zum
Beispiel eindrucksvoll beim Udo-Jürgens-Medley, von „Mit 66
Jahren“ bis zu „Ich war noch niemals in New York“, mit dem der
zweite Programmteil eröffnet wird. Auch für das hervorragende
Lichtdesign zeichnet Manfred Huber verantwortlich. Zu Latin
Music wechselt die Begleitung beim Auftritt der achtköpfigen
Truppe Danger aus Marokko. Ihre traditionellen Menschenpyramiden
gipfeln darin, dass Abdul seine sechs Kollegen und das weibliche
Truppenmitglied auf einmal trägt und damit etwa 500 Kilogramm
stemmt. Mit seinem Trompetenspiel leitet Don Christian über zur
eleganten Luftakrobatik von Andrea Navritolva im Netz. Gekonnte
Posen und Abfaller wechseln sich ab. Mit noch mehr weiblichem
Charme geht es weiter bei der Hula-Hoop-Nummer von Nicole
Berousek. Auch diese Tochter des Jongleurs gewinnt einem
bekannten Genre eher ungewöhnliche Seiten ab. Sie lässt weniger
die Reifen um Körper, Arme und Beine rotieren, sondern zeigt vor
allem einen wild-dynamischen Tanz, in dem sie auch mit den
Reifen jongliert.
Don Christian, Mario Berousek,
Duo Ortiz
Das prägende Gesicht der
Vorstellung ist Don Christian. In seinem fünften und
ausführlichsten Auftritt zeigt er mit einigen großen und kleinen
Mitstreitern aus dem Publikum seine Version des Orchesters. Er
ist kein Komiker der leisen Töne, sondern spielt stets mit
vollem Einsatz und großer Geste. So schafft er es, mit seiner
Ausstrahlung das gesamte Chapiteau auszufüllen, alle
Besucherinnen und Besucher zu erreichen, sie herzhaft zum Lachen
zu bringen. Die prominenteste Verpflichtung in der Show ist
sicherlich mit Meisterjongleur Mario Berousek gelungen, der bis
heute nichts von seiner Klasse verloren hat. Noch immer
jongliert er seine Keulen in so wahnsinnigem Tempo, dass sie vor
den Augen verschwimmen. Verkauf und Ausstrahlung tun ihr
Übriges. Für den prickelnden Abschluss der Show sorgt das Duo
Ortiz auf dem Todesrad. Mit Tricks wie Blindlauf und
Seilspringen bereitet Hauptakteur Jhon Palmer nochmals
Nervenkitzel. Beim Finale applaudiert das Publikum stehend.
Clown Don Christian verabschiedet sich schließlich, nun doch mit
leiseren Tönen, in einem romantischen Epilog mit einem
Glockenspiel zur Melodie von „Smile“. |