Zu dieser Einschätzung tragen die
gelungene Zusammenstellung der Darbietungen, das sehr schöne
Lichtdesign von Patrick Rosseel – vor seinem „Un-Ruhestand“
langjähriger Chef de Piste beim Circus Knie – und der bewährte
Sound des fünfköpfigen Orchesters unter der Leitung von Yurii
Kharchenko bei. Es empfängt uns gleich mit einer traditionellen
Ouvertüre, ehe Clown Luc alias Lukas Böss zur Melodie von „Smile“
ein scheinbares Glockenspiel auf Seifenblasen anstimmt. Direktor
Martin Stey begrüßt das Publikum und verabschiedet es später im
Finale, ansonsten verzichten seine Frau Mia und er selbst in
dieser Saison leider auf den Auftritt in der Manege.
Fares Mbarek, Isabelle Hostettler
und Lukas „Luc“ Böss, Simone Stey
Vertreten ist die Familie Stey im Programm
aber doch, und zwar durch Töchterchen Simone, die ihr schwarzes
Pony zu Lauffiguren anleitet, es absitzen und mit den
Vorderbeinen auf ein Podest steigen lässt. Gleich im Anschluss
dirigiert Fares Mbarek fünf gescheckte Ponys routiniert durch
eine Freiheitsdressur. Der Marokkaner ist als Requisiteur und
Stallmeister ein seit vielen Saisons bekanntes Gesicht bei Stey,
wenn auch bisher nur im Hintergrund, und hat nun selbst einen
großen Auftritt. Dieser wäre Lukas Böss in dieser Saison fast
verwehrt geblieben. Zunächst fiel der geplante Duettpartner kurz
vor Tourneebeginn aus familiären Gründen aus, so dass Luc sich
in kürzester Zeit neue Reprisen und Entrees erarbeiten musste.
Zu allem Überfluss aber stürzte er nach Saisonbeginn während
seines Auftritts als „komischer Dirigent“ so unglücklich vom
Podium, dass er sich schwer an Meniskus und Kreuzband verletzte.
Längere Zeit fiel er daraufhin komplett aus und musste sich von
seiner Lebensgefährtin Isabelle sowie Martin Stey und Thilo
Sehling vertreten lassen. Auch konnte er aufgrund einer
notwendigen Operation Mitte Oktober nicht bis zum Saisonschluss
beim Geschäft bleiben. Bei unserem Besuch jedoch steht er in der
Manege und zeigt mit Partnerin Isabelle im ersten großen
Auftritt eine heitere Illusion, die wundersame Vermehrung von
Flaschen. Luc und Isabelle gefallen mit ihrem engagierten Spiel
mit toller Mimik und kommen ohne Einbezug von Mitspielern aus
dem Publikum aus. Die absolute Leidenschaft zum Circus wird bei
Isabelle Hostettler auch dadurch deutlich, dass sie während der
gesamten Saison eine Teilzeitstelle, eine anspruchsvolle
berufliche Fortbildung und die Auftritte bei Stey unter einen
Hut bringt. Chapeau!
Nicolas
Lagroni, Milena Michael, Oswaldo Ramos
Für den „ewig jungen Circus“ steht nicht
nur das sympathische Clownspaar, sondern auch der jugendliche
Bouncing-Jongleur Nicolas Lagroni. Zu mitreißender Musik und mit
toller Ausstrahlung lässt er bis zu acht Bälle gegen den Boden
springen und fängt sie wieder. Bei anderen Touren wirft er die
Bälle in die Luft. Dorthin entschwebt anschließend Milena
Michael bei ihrer Akrobatik im Netz. Sie demonstriert nicht nur
Kraft und Beweglichkeit, sondern verfügt auch über ein
charmantes Lächeln. Die Eltern der jungen Brasilianerin gehörten
den bestens bekannten „Flying Michaels“ an, sie selbst wurde an
der renommierten Circus-Akademie in Verona ausgebildet und war
auch schon Mitglied der „Salto Dancers“ bei Bouglione. Die „Eintrittskarten“-Reprise
von Luc und Isabelle und sein Spiel auf musikalischen
Fingerpfeifen überbrücken den Auf- und später den Abbau für das
Drahtseil von Oswaldo Ramos. Wie schon bei seinem ersten
Stey-Engagement 2019 heizt er mit mexikanischem Temperament die
Stimmung an. Gekonnt springt er Seil, durch einen
papierbespannten Reifen oder über zwei Hürden. Ein tolles
Arrangement klassischer Circusmelodien begleitet ihn
musikalisch.
Demian
Artistic Groupe
Die vierköpfige Truppe von Valentin Demian
sorgt für eine würdige Pausennummer, und dies mit gewagten
Sprüngen von der russischen Schaukel ans Hochreck. Es dient als
Zwischenstation, um nach Salti und Überschlägen auf einer
Bodenmatte zu landen. Im zweiten Teil der Darbietung wird das
Reck weggenommen und es folgen noch höhere Sprünge von der
Schaukel unter die Zeltkuppel und dann zur Matte. Gezeigte
Leistung, effektvolles Licht, durchgängige Choreographie und
aufpeitschende Musik bilden ein ideales Ganzes.
Oswaldo
Ramos, Edi Laforte, Milena Michael
Der zweite Programmteil wird von Oswaldo
Ramos eröffnet, der nun als Laserman agiert und eindrucksvolle
Bilder aus Licht schafft. Die Hundenummer von Edi Laforte
gefällt nicht nur mit dem Trickreichtum, den die quirligen
Vierbeiner an den Tag legen, sondern auch mit den liebevoll
gestalteten Requisiten mit einem bunten Circuswagen und dazu
passenden Postamenten. Mit Anmut und Können überzeugt Milena
auch beim zweiten Auftritt, nunmehr an den Strapaten –
beispielsweise mit einem Wirbel in einer Fußschlaufe oder den
kraftvollen Überschlägen zum Abschluss.
Irena Lagroni, Clown Luc, Demian
Aristic Groupe
Noch mehr weiblichen Charme bietet Irena
Lagroni bei ihren Antipodenspielen. Zunächst bewegt sie mit
Händen und Füßen eine Walze, dann vier Teppiche. Als
Schlusstrick lässt sie einen Ball über vier Plattformen an einer
langen Stange emporhüpfen, die an ihren Füßen befestigt ist, ehe
sie den Ball schließlich in einem Korb an der Spitze versenkt.
Noch einmal unterhält uns Clown Luc, der nach dem Wegfall der
Dirigenten-Reprise im zweiten Programmteil etwas zu kurz kommt.
Diesmal geht es ganz klassisch um ein Kästchen, dem beim Öffnen
Musik entweicht und das so die Vorstellung stört. Es endet in
einer gelben Abfalltonne, die Musik jedoch nicht. Auch für den
Abschluss des zweiten Programmteils sorgt die Demian Artistic
Groupe, nunmehr mit Höhenflügen am Quadratreck. Im bunten Finale
verabschiedet sich das Ensemble vom sehr zufriedenen Publikum. |