Und er reist auch in diesem Jahr
erfolgreich, das schmucke Viermastzelt in weiß, blau und rot ist
bei unserem Besuch in Volketswil gut besetzt. Zwar ist nicht von
der Hand zu weisen, dass die musikalische Begleitung vom Band
die Wirkung des Programms beeinträchtigt, aber doch ist das
Licht wieder vorzüglich. Kein Geringerer als Patrick Rosseel hat
es eingerichtet. Nachdem er beim Schweizer National-Circus Knie
in den Ruhestand gegangen ist, bleibt er durch solche Aufträge
mit der Circuswelt verbunden.
Francesco Brunaud
Das Programm 2022 des Zirkus Stey
wird zum einen geprägt durch Francesco Brunaud. Der französische
Clown hat in zahlreichen äußerst renommierten Manegen rund um
den Globus gearbeitet. Gewiss ist der charmante ältere Herr im
lila Anzug kein moderner Comedian, sein Humor ist nicht zum
Schenkel klopfen. Aber er setzt in seinen poetisch-heiteren
Reprisen auch vorwiegend auf das eigene Können und nicht aufs
Bloßstellen von Mitspielern – nur im letzten Auftritt dürfen
zwei Zuschauer als „König und Prinzessin“ mitwirken. Zu Beginn
sucht Francesco im Publikum seinen Sitzplatz und wird vom
kleinen Direktionsspross Rolf Julian Stey in die Manege gerufen.
Aus einem kleinen Koffer holt er eine Plüschziege, die Vorbotin
der echten Vierbeiner, die kurz darauf von Simone Irene Mirelle
Stey vorgeführt werden. Wie er in seinem zweiten Auftritt eine
Weltkugel mittels Gebläse fliegen lässt, ist wohl seine
bekannteste Szene. Sie ist mit Francescos Namen verbunden. Mit
einem dopsenden Ball macht er Musik auf Bratpfannen, später
spielt er mit der Nase Ravels Bolero auf der Flöte und zeigt
weiteres musikalisches Können auf Mundharmonika und Alphorn.
Gemeinsam mit dem Publikum singt er Bruder Jakob, begleitet von
den Glocken an seinen Hand- und Fußgelenken. Bezaubernd ist auch
das Spiel mit kleinen und großen Seifenblasen, das hier von
seiner Ehefrau Nadine vorgestellt wird.
Simone Stey, Pauli Raatz,
Fares Mbarek
Auf die Ziegennummer von Simone
Irene Mirelle Stey kamen wir bereits zu sprechen. Insgesamt
sieben Tiere dirigiert die Neunjährige gemeinsam mit ihrem
erwachsenen Helfer Fares Mbarek. Der Sprung über den Rücken
eines Requisiteurs gehört ebenso zum Repertoire wie das
Balancieren auf einer Tonne. Nach dieser sehr traditionellen
Eröffnungsnummer wird es etwas moderner, wenn Paulin Raatz stets
freundlich lächelnd ihre Übungen am Strapaten-Trapez zeigt. Auf
uns wirken die Tricks wie Spagat und Schulterstand in der
besuchten Vorstellung gleichwohl etwas hektisch, sie werden
jeweils nur kurz gehalten. Gerne würden wir wieder einmal das
Direktionspaar Martin und Mia Stey mit Tieren in der Manege
erleben, doch auch in dieser Saison werden die hauseigenen Ponys
vom langjährigen Mitarbeiter Fares Mbarek vorgeführt. Versiert
dirigiert er die ansprechende Laufarbeit.
Vlada Naraieva, Kevin
Stipka
Während zum einen Clown Francesco
das Programm prägt, sind es zum anderen - im Verlauf des
Programms - drei weibliche
Solokünstlerinnen mit insgesamt fünf Darbietungen. Und so folgt
auf Paulin Raatz die ukrainische Artistin Vlada Naraieva, die
beim European Youth Circus 2018 Gold in der Altersgruppe der
Jüngeren gewann. Ihre Handstandkunst beeindruckt, ihr Kostüm mit
heller Vorder- und schwarzer Rückseite wirkt effektvoll. Nach
wie vor bemerkenswert ist, wie sie die neun Stufen zum Podium
auf dem linken Arm hinauf hüpft, ohne einmal abzusetzen.
Gleichwohl ist die Musikbegleitung für dieses Umfeld etwas
sperrig. In das traditionelle Konzept des Zirkus Stey passen
traditionelle Circusartisten eben doch am besten. Und so sorgt
Kevin Stipka vor der Pause für das Highlight der Vorstellung.
Bei seinen Tennisjonglagen – anfangs mit Devilsticks, später mit
bis zu fünf Schlägern – vereinen sich artistisches Können,
offensives Auftreten und mitreißende Musik zu einem idealen
Ganzen. Tosender Applaus ist der Lohn. Hälfte zwei eröffnet
wiederum Vlada Naraieva. In ihrer recht kurzen Zweitnummer
jongliert sie zunächst vier Ringe, während sie gleichzeitig
einen Hula-Hoop-Reif in Kniehöhe kreisen lässt und einen
weiteren auf der Stirn balanciert. Gekonnt lässt sie zum
Abschluss sieben Hula-Hoop-Ringe um Arme, Rumpf und Beine
kreisen.
Black Wizard, Paulin
Raatz, Yasmina Tarantini
Klänge aus dem Radio inspirieren
Pauline Raatz zu einem modernen akrobatischen Tanz rund um einen
Stuhl. Auch hier gilt, dass traditionelle Circusnummern sich
besser ins Konzept des Zirkus Stey fügen würden, auch wenn es
mehr als erfreulich ist, wenn Absolventen der Berliner
Artistenschule am Markt erfolgreich sind und Engagements
erhalten – und wenn sich die jungen Leuten für die Strapazen
einer mehrmonatigen Circustournee offen zeigen und nicht nur
Richtung Varietés und Galas streben. Aus einer traditionellen
tschechischen Circusfamilie entstammt Yasmina Tarantini, die
ihre Kontorsionen dynamisch arbeitet, mit „African Spirit“
gestaltet und jederzeit strahlend präsentiert. Am Ende nimmt sie
eine Rose mit dem Mund vom Boden auf und verabschiedet sich mit
temperamentvollen Überschlägen. Das Ganze wird effektvoll
beleuchtet. Das Trio „Black Wizard“ sorgt mit Limbotanz und
Pyramidenbau für einen fröhlichen und mitreißenden Abschluss im
traditionellen afrikanischen Stil. |