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Zirkus Stey - Tour 2022
www.zirkus-stey.ch ; 106 Showfotos

Volketswil, 3. September 2022: Corona, Krieg, Inflation – es gab schon einfachere Zeiten, um Circus zu machen. „Wir haben uns dennoch entschieden, auf Tournee zu gehen“, sagt Direktor Martin Stey in seiner Begrüßung des Publikums. Und spricht offen an, dass es in dieser Saison keine Livemusik im Chapiteau seines Zirkus Stey gibt, da die langjährig bewährten Musiker aus der Ukraine nicht anreisen durften. Dennoch lautet das Motto „Life ist Live“. Aufgrund der besonderen Situation hat das Unternehmen seine Saison zwar erst im August begonnen anstatt im März, aber immerhin: Der Zirkus Stey reist.

Und er reist auch in diesem Jahr erfolgreich, das schmucke Viermastzelt in weiß, blau und rot ist bei unserem Besuch in Volketswil gut besetzt. Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass die musikalische Begleitung vom Band die Wirkung des Programms beeinträchtigt, aber doch ist das Licht wieder vorzüglich. Kein Geringerer als Patrick Rosseel hat es eingerichtet. Nachdem er beim Schweizer National-Circus Knie in den Ruhestand gegangen ist, bleibt er durch solche Aufträge mit der Circuswelt verbunden.


Francesco Brunaud

Das Programm 2022 des Zirkus Stey wird zum einen geprägt durch Francesco Brunaud. Der französische Clown hat in zahlreichen äußerst renommierten Manegen rund um den Globus gearbeitet. Gewiss ist der charmante ältere Herr im lila Anzug kein moderner Comedian, sein Humor ist nicht zum Schenkel klopfen. Aber er setzt in seinen poetisch-heiteren Reprisen auch vorwiegend auf das eigene Können und nicht aufs Bloßstellen von Mitspielern – nur im letzten Auftritt dürfen zwei Zuschauer als „König und Prinzessin“ mitwirken. Zu Beginn sucht Francesco im Publikum seinen Sitzplatz und wird vom kleinen Direktionsspross Rolf Julian Stey in die Manege gerufen. Aus einem kleinen Koffer holt er eine Plüschziege, die Vorbotin der echten Vierbeiner, die kurz darauf von Simone Irene Mirelle Stey vorgeführt werden. Wie er in seinem zweiten Auftritt eine Weltkugel mittels Gebläse fliegen lässt, ist wohl seine bekannteste Szene. Sie ist mit Francescos Namen verbunden. Mit einem dopsenden Ball macht er Musik auf Bratpfannen, später spielt er mit der Nase Ravels Bolero auf der Flöte und zeigt weiteres musikalisches Können auf Mundharmonika und Alphorn. Gemeinsam mit dem Publikum singt er Bruder Jakob, begleitet von den Glocken an seinen Hand- und Fußgelenken. Bezaubernd ist auch das Spiel mit kleinen und großen Seifenblasen, das hier von seiner Ehefrau Nadine vorgestellt wird.


Simone Stey, Pauli Raatz, Fares Mbarek

Auf die Ziegennummer von Simone Irene Mirelle Stey kamen wir bereits zu sprechen. Insgesamt sieben Tiere dirigiert die Neunjährige gemeinsam mit ihrem erwachsenen Helfer Fares Mbarek. Der Sprung über den Rücken eines Requisiteurs gehört ebenso zum Repertoire wie das Balancieren auf einer Tonne. Nach dieser sehr traditionellen Eröffnungsnummer wird es etwas moderner, wenn Paulin Raatz stets freundlich lächelnd ihre Übungen am Strapaten-Trapez zeigt. Auf uns wirken die Tricks wie Spagat und Schulterstand in der besuchten Vorstellung gleichwohl etwas hektisch, sie werden jeweils nur kurz gehalten. Gerne würden wir wieder einmal das Direktionspaar Martin und Mia Stey mit Tieren in der Manege erleben, doch auch in dieser Saison werden die hauseigenen Ponys vom langjährigen Mitarbeiter Fares Mbarek vorgeführt. Versiert dirigiert er die ansprechende Laufarbeit.
 


Vlada Naraieva, Kevin Stipka

Während zum einen Clown Francesco das Programm prägt, sind es zum anderen - im Verlauf des Programms - drei weibliche Solokünstlerinnen mit insgesamt fünf Darbietungen. Und so folgt auf Paulin Raatz die ukrainische Artistin Vlada Naraieva, die beim European Youth Circus 2018 Gold in der Altersgruppe der Jüngeren gewann. Ihre Handstandkunst beeindruckt, ihr Kostüm mit heller Vorder- und schwarzer Rückseite wirkt effektvoll. Nach wie vor bemerkenswert ist, wie sie die neun Stufen zum Podium auf dem linken Arm hinauf hüpft, ohne einmal abzusetzen. Gleichwohl ist die Musikbegleitung für dieses Umfeld etwas sperrig. In das traditionelle Konzept des Zirkus Stey passen traditionelle Circusartisten eben doch am besten. Und so sorgt Kevin Stipka vor der Pause für das Highlight der Vorstellung. Bei seinen Tennisjonglagen – anfangs mit Devilsticks, später mit bis zu fünf Schlägern – vereinen sich artistisches Können, offensives Auftreten und mitreißende Musik zu einem idealen Ganzen. Tosender Applaus ist der Lohn. Hälfte zwei eröffnet wiederum Vlada Naraieva. In ihrer recht kurzen Zweitnummer jongliert sie zunächst vier Ringe, während sie gleichzeitig einen Hula-Hoop-Reif in Kniehöhe kreisen lässt und einen weiteren auf der Stirn balanciert. Gekonnt lässt sie zum Abschluss sieben Hula-Hoop-Ringe um Arme, Rumpf und Beine kreisen.


Black Wizard, Paulin Raatz, Yasmina Tarantini

Klänge aus dem Radio inspirieren Pauline Raatz zu einem modernen akrobatischen Tanz rund um einen Stuhl. Auch hier gilt, dass traditionelle Circusnummern sich besser ins Konzept des Zirkus Stey fügen würden, auch wenn es mehr als erfreulich ist, wenn Absolventen der Berliner Artistenschule am Markt erfolgreich sind und Engagements erhalten – und wenn sich die jungen Leuten für die Strapazen einer mehrmonatigen Circustournee offen zeigen und nicht nur Richtung Varietés und Galas streben. Aus einer traditionellen tschechischen Circusfamilie entstammt Yasmina Tarantini, die ihre Kontorsionen dynamisch arbeitet, mit „African Spirit“ gestaltet und jederzeit strahlend präsentiert. Am Ende nimmt sie eine Rose mit dem Mund vom Boden auf und verabschiedet sich mit temperamentvollen Überschlägen. Das Ganze wird effektvoll beleuchtet. Das Trio „Black Wizard“ sorgt mit Limbotanz und Pyramidenbau für einen fröhlichen und mitreißenden Abschluss im traditionellen afrikanischen Stil.

Im Finale präsentiert Francesco Brunaud zum „Earth Song“ nochmals seine Weltkugel, ehe der 80er-Jahre-Hit „Life is Live“ das Programmotto aufgreift und nochmals für Stimmung sorgt. Nach zwei Stunden guter Unterhaltung im schönen Ambiente verabschiedet Direktor Martin Stey sich vom zufriedenen Publikum, das dem Unternehmen Jahr für Jahr die Treue hält.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll