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Circus Vargas - Tour 2022
www.circusvargas.com

Santa Barbara, 18. Juni 2022: Viele Circusse sind es nicht mehr, die aktuell noch durch die Vereinigten Staaten von Amerika reisen. Einer der wohl letzten großen Namen ist der Circus Vargas. Gegründet im Jahr 1969, ursprünglich als Drei-Manegen-Circus, wechselte das Unternehmen gleich vier Mal den Besitzer. Heute ist der Circus in den Händen von Katya Arata Quiroga und ihres Ehemannes Nelson Quiroga. Als Flying Tabares gewannen die beiden mit ihrer Flugtrapeztruppe einen Goldenen Clown im Jahr 2004 und waren unter anderem zehn Jahre bei Ringling auf Tournee.

Den Namen „Vargas“ dürften viele Circusfreunde hierzulande vor allem auch mit dem Elefantenbullen Colonel Joe in Verbindung bringen. Er gehörte ursprünglich zu dem Unternehmen, bevor er Ende der 1990er Jahre mit seinem Trainer James Pydebois nach Europa ging und Anfang der 2000er dann zum Circus Krone kam.


Direktion Katya Arata Quiroga und Nelson Quiroga, Chapiteau des Circus Vargas

Nachdem Nelson und Katya anlässlich des 40-Jahr-Jubiläums des Festivals in Monte Carlo im Jahr 2016 zum letzten Mal in ihre Flugtrapezkostüme schlüpften, sind es jetzt ihre Kinder, die mit ihrer Truppe die Tradition am doppelten Flugtrapez weiterführen.


Opening, Flying Tabares

Vor drei Jahren konnten wir die fantastische Darbietung im Heilbronner Weihnachtscircus bewundern. Auf der diesjährigen Tournee treten die Artisten „nur“ zu sechst, auf einer Bahn, auf. Das tut der Leistung mit dreifachem Salto, Passage und Doppelsalto einer Frau aber keinen Abbruch. Der zweite Dreifache an diesem Abend, hier von einer Frau gesprungen, ging in der von mir besuchen Vorstellung leider ins Netz. „All Aboard“ ist das Motto der diesjährigen Show, was soviel bedeutet wie „alle an Bord“. Passend dazu fährt im Opening die Attrappe einer Lokomotive aus dem Artisteneingang, ehe die Artistenschar auf den Zug aufspringt, „um in die erste Gastspielstadt zu fahren“. Dort angekommen, sorgt eine große Flaggenparade für ein manegenfüllendes Bild. Auch vor der Pause gibt es nochmal ein wunderbar in Szene gesetztes Schaubild, in dem ein Großteil des Ensembles tanzt und Kostproben seines Könnens serviert. Circus als Thema für die Inszenierung eines Programms ist doch immer noch das beste Motto!


Truppe Cretu, Familie Faltyny

Apropos manegenfüllende Bilder, das Flugtrapez ist nicht die einzige Truppe im Programm. Mit drei Frauen und vier Männer sind die Cretus aus Rumänien angereist. In ganz klassischer Aufmachung überzeugen sie am Schleuderbrett mit Salti bis zum Fünf-Personen-Hoch. Aus fünf Personen besteht die Familie Faltyny. Emil Faltyny und seine Frau Vlasta jonglieren nun mit ihren drei Kindern, ganz so wie sie es schon mit ihren Eltern taten (u.a. Charles Knie 2009).


Vlasta und Emil Faltyny, Daniella Arata Quiroga

Emil zeigt zudem seine gewohnt mitreißende Leiterbalance inklusive Kubusjonglage. Eine wirkliche Überraschung stellt für mich die Hula-Hoop-Darbietung von Vlasta dar. Nachdem die Tschechin angefangen hat, die Reifen um ihre Hüften kreisen zu lassen, ergießt sich Regen aus der Kuppel. Gepaart mit mitreißender Rockmusik macht sie so aus ihrem Genre eine echte Attraktion! Daniella, die 19-Jährige Tochter des sympathischen Direktionsehepaars, überzeugt mit ihrer Equilibristik-Darbietung. Wunderbar im Tangostil in Szene gesetzt, verbiegt sie sich in verschiedenen Handstandvariationen und schießt zu guter Letzt einen Luftballon mit Pfeil und Bogen per Fuß ab.


Motorradkugel, Brian Mota, Kimberley Lester

Während wir in der Nachmittagsvorstellung Rubel Medini und seine temporeiche Rola-Rola-Nummer sehen, treten am Abend Lebensgefährtin Kimberly Lester und ihre Schwester Jessica mit Antipoden auf. Zu Riverdance-Melodien werden Bälle und Rollen abwechselnd jongliert, während immer eine Schwester die Tricks tänzerisch begleitet. „Die Darbietungen zeigen wir immer im Wechsel, da unsere Show sonst zu lange dauert. Länger als zwei Stunden darf ein Programm für das amerikanische Publikum nicht sein“, erklärt mir Chefin Katya Aratta Quiroga. Die Clownerie liegt in den Händen der Portugiesen Miguel und Brian Mota. Vater und Sohn spannen den roten Faden durch die Show, und vor allem der junge Brian besticht durch wirklich originelle Einfälle, so zum Beispiel, wenn ihm sein Klavier wie von Geisterhand Streiche spielt. Als Freund von Direktionstochter Mariella wirkt er außerdem beim Flugtrapez mit. Zum Ende der Show gibt es dann nochmal zwei besonders publikumswirksame Genres zu erleben. Patrick und Josue Marinelli zeigen Sprünge auf dem Todesrad. Wenn man bedenkt, dass die beiden während der Corona-Pause zum ersten Mal auf dem Requisit standen, kann man den Brüdern nur Respekt für ihre Arbeit zollen. Patrick eröffnet außerdem das Programm mit Flügen und Haltefiguren an den Strapaten. Bei beiden handelt es sich übrigens um die Söhne von Nelsons Bruder Alberto Marinelli. Er selbst ist mit seinen sieben Requisiteuren für den reibungslosen Ablauf der Show sowie für das angenehme Lichtdesign zuständig. Das Todesrad ist nicht etwa der Schlusspunkt des Programms, es wird wieder abgebaut, bevor die Motorradkugel in die Manege geschoben wird. Drei Fahrer drehen darin schließlich ihre Runden und werden wie üblich frenetisch gefeiert.

Gefeiert werden auch die Artisten im anschließenden Finale. Hier fällt noch einmal auf, dass ganze 30 Mitwirkende die attraktive Show bestritten haben. Vargas bringt Circus im europäischen Stil und von sehr guter Qualität in die Städte Kaliforniens. Hoffen wir, dass das Aufrechterhalten dieser amerikanischen Circustradition, auf Höhe unserer Zeit, weiterhin mit vielen Besuchern belohnt wird!

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Text: Simon Preißing; Fotos: Circus Vargas