Der im
Februar 2022 begonnene Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine
zwang viele Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen. So kamen
auch ukrainische Artisten etwa nach Berlin. Daniel Burow kam mit
einigen von ihnen in Kontakt und stellte so letztendlich das
Team für seine zweite Produktion zusammen.

Chapiteau der Familie von Stephan Riedesel
Herausgekommen ist eine durchinszenierte Show mit Tanz, Theater
und Artistik, die rund eine Stunde lang unterhält, berührt und
zum Nachdenken anregt. Gespielt wird Lyalka, so der Titel, bei
allen sich bietenden Gelegenheiten, so etwa beim Berlin Circus
Festival oder als eigenständiges Gastspiel im Berliner
Pfefferberg Theater. Wir erleben das Stück bei den 4. Mannheimer
Zirkustagen in einem Chapiteau der Familie von Stephan Riedesel,
die auch den Ludwigshafener Weihnachtscircus veranstaltet.
Aufgebaut ist es vor dem Jugendhaus Waldpforte, welches von
Dieter Camilotto geleitet wird. Der engagierte Circusfreund
organisiert die Mannheimer Zirkustage in Summe, zu der auch
Projektwochen für Schulen gehören.

Lyalka
(Mila Bytchkova)
Bleiben
wir aber bei denen, die ihre Ausbildung schon hinter sich haben
oder sie aktuell auf professionellem Niveau durchlaufen, etwa an
der Staatlichen Artistenschule in Berlin. Denn das zeichnet alle
Künstler aus, die bei Lyalka in der Manege stehen. Da sind die
Tänzerinnen Sofia Honza, Julia Fedchuk, Sofia Karakulova und
Veronika Krukovska. Aktuell leben sie in Budapest und reisen von
dort zu den Auftritten des Scenic Circus. Für die Artistik
zuständig sind Sonya Kotelmets, Viktoria Shevchenko und Markian
Strotsiak. Hauptfigur ist Pantomimin und Artistin Mila Bytchkova.

Szene
mit den Tänzerinnen und Markian Strotsiak
Bytchkova
verkörpert die zentrale Person des Stücks, ein Mädchen mit
geflochtenen schwarzen Zöpfen und gestreiftem Kleid. „Das
Erwachsenwerden verwandelt die junge Lyalka in eine Marionette,
gelenkt von den Zwängen um sie herum. Wird sie sich von ihren
Fäden befreien können?“ So beschreibt die Homepage die „Coming-of-Age-Story“,
welche „von der Suche nach Freiheit“ handelt. Das Zitieren von
Texten der Website sei hier gestattet, denn die Show ist
vielschichtig, lässt viele Interpretationsmöglichkeiten zu,
sodass jeder Zuschauer seine eigenen Assoziationen hat. Das also
die Botschaft, die die Macher sich erdacht haben. Für Regie und
Choreographie ist Gulnara Savenko verantwortlich, die Kostüme
hat Diana Susanto entworfen, Priska Heynert hat in
künstlerischen Fragen beraten.
  
Viktoria Shevchenko und Sonya Kotelmets
Die
Aufführung beginnt mit einem Opening. Die Artisten zeigen ihr
Können, Lyalka mischt sich unter das Treiben und die Tänzerinnen
sind nicht nur mit ihrer ersten Choreographie zu bewundern, zwei
von ihnen arbeiten einige Tricks an Tüchern. Es wird
ausgelassener, bunter, rote Nasen werden aufgesetzt. Bunte Bälle
fliegen durch die Luft, Teller rotieren auf Stäben. Ein
Charivari entsteht. Das erste Solo gehört Viktoria Shevchenko.
Sie hält nicht nur gekonnt mehrere Hula Hoop-Reifen mit
verschiedenen Körperteilen in Bewegung, sondern verbiegt sich
dabei auf faszinierende Weise. In der nächsten Szene stehen die
Tänzerinnen hinter großen Bilderrahmen, die aber auch Spiegel
darstellen können. Lyalka erkundet die Figuren hinter dem Rahmen
und interagiert schließlich mit ihnen. Originell ist der
eingebaute Quick Change-Trick, nach dem die Tänzerinnen ähnliche
Outfits wie die Protagonistin tragen. Nach einem Tanz des
Quintetts wird ein großes weißes Paket mit roter Schleife
geöffnet. Darin befinden sich Viktoria Shevchenko und Sonya
Kotelmets in Roboter-artigen Kostümen. Auf jeweils zwei
Handstäben zelebrieren sie Partner-Equilibristik. Auf ein und
zwei Händen halten sie ihre biegsamen Körper virtuos im
Gleichgewicht. Lyalka (Mila Bychkova) kommt hinzu und
interagiert mit den beiden Maschinenmenschen. Wir erleben
akrobatische Kunststücke am Luftring und am Boden.
 
Markian
Strotsiak, Viktoria Shevchenko
Mit seinen
klassisch gearbeiteten Jonglagen begeisterte Markian Strotsiak
beim European Youth Circus 2022 zumindest mich. Wenngleich die
Jury ihn leer ausgehen ließ, hat er mich damals schon
begeistert. Im dunklen Anzug, mit weißem Hemd und roter
Krawatte, gibt er den klassischen Jongleur, der mit Bällen,
Keulen und Ringen arbeitet. Sein Level ist bereits jetzt
beachtlich, hinzu kommt der jugendliche Charme, mit dem er seine
Touren verkauft. Es macht einfach Spaß, ihm zuzusehen. Die
Tänzerinnen tragen nun lange schwarze Kleider und schauen
wichtig in schwarze Aktenordner. Lyalka gesellt sich zu dem
Quartett und wird sodann an Händen und Füßen gefesselt. Die
Schnüre hängen an zwei Traversen über Kreuz, mit denen Mila
Bychkova in die Luft gezogen wird. Als Marionette präsentiert
sie Luftakrobatik. Erlöst wird sie von Markian Strotsiak, der
inzwischen ein weißes Sakko trägt und das Herz der Hauptperson
„im Tanz erobert“. Als Harlekin erleben wir Viktoria Shevchenko
mit einer wunderschönen Kür an den Strapaten. Dazu gehört etwa
der Spagat an den beiden Bändern ohne Zuhilfenahme der Hände.
Das restliche Ensemble tanzt dazu in der Manege. In einem
ausgelassenen Finale verabschieden sich alle Mitwirkenden vom
Publikum. Noch einmal erleben wir artistische Einlagen. |