Das schafft hohe Erwartungen
an die neue Monti-Kreation von "Comedia Zap" - und, um es vorweg
zu wagen, wir werden trotz dieses Anspruchs nicht enttäuscht!
Die beiden Regisseure verwandeln die Bühne in ein Atelier – die
Szenographie umfasst verschiedene Bildpanels, die Ausschnitte
aus einem eindrucksvollen Kunstwerk des amerikanischen Malers
Michael Lang zeigen. Hinzu kommen bewegliche Podeste und ein
ebenso variables „Dachfenster“, das zur Anmutung des
Kunstateliers beiträgt.
  
Antonin Wicky, Ensemble,
Halle Baart
Hier möchte ein Künstler –
gespielt von dem australischen Artisten David Trappes – ein Bild
von einem als Statue posierenden Modell (Artist Mattis Motteau) gestalten. Doch der
Maler hat seine Kreativität verloren, wie zahlreiche zerknüllte
Blätter auf dem Boden zeigen. Da nutzt es auch nichts, dass der
überaus sympathische Schweizer Clown Antonin Wicky mit seiner
markanten Hochstehfrisur ihn mit einer Farbpalette motivieren
möchte. Es folgt ein Charivari, in dem das Ensemble in seinen
bunten Kostümen tanzt, mit Bilderrahmen in den Händen und weißen
Masken. Mehrere „Farbeimer“ werden ausgeleert, und aus einem von
ihnen entspinnt sich ein gelbes Stoffband und letztendlich das
Strapeze – ein Trapez aus Strapatenbändern –, an dem Halle Baart
verschiedenste Figuren wagt, unter anderem einen kreisenden
Genickhang. Herrlich witzig ist die Szene, in der Antonin Wicky
einen Tisch mit Farbtöpfen darauf davontragen will. Doch immer
wieder fallen die Tischbeine heraus, was die Aufgabe ungemein
erschwert und zu ihrer Vollendung auch noch akrobatisches
Geschick erfordert.
  
Anne Arellano,
Ensemble, Mario Muntwyler
Ein Bild, das zum Leben
erwacht und dabei den Künstler neu inspiriert, verkörpert Anne
Arellano. Zu treibender Musik zelebriert die Amerikanerin ihre
hochwertigen Handstände und erntet – nach dem präzise mit den
Füßen vollführten Pfeil-und-Bogen-Trick – letztlich rhythmischen
Applaus. Besonders bunt und farbenfroh ist das wirbelnde Bild,
in dem das Ensemble mit verschiedenen Tüchern einen
akrobatischen Tanz auf die Bühne bringt. Aus der Gruppe tritt
letztendlich Direktionsspross Mario Muntwyler hervor, der mit
seinen anspruchsvollen, variantenreichen und sicheren Jonglagen
mit bis zu sieben Keulen fasziniert – vor und hinter dem Rücken
lässt er die Requisiten fliegen, fängt sie auch nach rasanten
Pirouetten wieder auf. Ringsherum zeigen fahrbare Holzrahmen
„Bilder“ aus Jonglierkeulen.
  
Antonin Wicky, David Trappes
und Skip Walker-Milane, Orchester unter der Leitung von Piotr
Gunia
In seiner nächsten Szene
bringt Clown Antonin das posierende Model auf Abwegen, ja er
begibt sich selbst in fast schon absurde Model-Posen und beweist
dabei sein akrobatisches Geschick. Währenddessen kommt ihm ein Schuh
abhanden. Eine besondere Freude ist die Pausennummer, denn der
baumstammgroße David Trappes – der wie erwähnt auch den Künstler
verkörpert – und sein deutlich kleinerer australischer Landsmann
Sjip Walker-Milane widmen sich einem selten gezeigten
Genre, der hohen Perche. Und diese wird hier auch noch in
äußerst origineller Weise eingesetzt. Denn während David Trappes die Stange auf seiner Schulter trägt, zeigt Skip
Walker-Milane daran ein Repertoire, wie man es von Darbietungen
am Chinesischen Mast kennt. Das gilt beispielsweise, wenn er
sich wie eine Flagge horizontal von der Stange abdrückt oder
kopfüber daran hinuntersaust. Während das Model bis dahin mit
einem Apfel in der Hand fürs Bild posiert, wird ihm nun eine
Popcorntüte zum Halten gereicht – ein augenzwinkernder Hinweis
auf die nachfolgende Pause. -
Jede Monti-Vorstellung wird auch
von der wunderbaren, stets speziell komponierten Livemusik
getragen. Dies gilt ganz besonders in dieser Saison, in der
Lukas Stäger für sein 5. Monti-Engagement besonders mitreißende
Klänge geschaffen hat. Da ist es nur folgerichtig, dass das
fünfköpfige Orchester unter der Leitung von Piotr Gunia zu
Beginn des zweiten Teils auf den Bühnenelementen im Hintergrund
und dann durch die Manege paradierend musiziert. Dies im Gefolge
von Antonin Wicky, dessen Trompete dabei in viele Einzelteile
zerspringt und hektisch wieder repariert werden muss. Auch dies
ist ein besonderer Spaß.
  
Mattis Motteau und Julie
Levrat, Rosita Hendry, Adrian Alonso Garcia, Carlos Salmeran
Serrani und Sara Gonzalez Soler
So außergewöhnlich wie das
Perche-Genre vor der Pause, so weit verbreitet ist das Cyrrad in
Produktionen des Neuen Circus. Zunächst dreht Mattis Motteau
darin alleine seine Runden, später rotiert er gemeinsam mit
Julie Levrat im Huckepack-Verfahren. Während sie allein ihre
Cyrrad-Kunst zeigt, glänzt er mit Breakdance. Die fahrbaren
Bilderrahmen kommen nochmals in einer schönen Ensembleszene zum
Einsatz. Die Damen tragen große Hüte, es werden Sektkelche
serviert, alle begrüßen sich mit Küsschen links und rechts –
schon finden wir uns auf einer festlichen Vernissage, in der
imaginäre Bilder in den hölzernen Rahmen betrachtet werden. Der
verloren gegangene Schuh des Clowns erscheint als vermeintliches
Kunstobjekt wieder. Die nächste Szene spielt bei Gewitter unter
dem Dach des Ateliers. Rosita Hendry setzt nach der turbulenten
Vernissage und vor der rasanten Schlussphase nochmal einen
ruhigen Kontrapunkt am Vertikalseil, zeigt voller Hingabe Ver-
und Entwicklungen und einen sehr gewagten Abfaller zum
Abschluss. Noch eine gehörige Portion Inspiration sammelt Clown
Antonin bei einer Rollschuh-Rallye rund um die Manege, in die
auch mehrere Besucher eingebunden werden. Der Reigen der sieben
akrobatischen Darbietungen wird beschlossen von den Handvoltigen
eines spanischen Trios mit den Fängern Adrian Alonso Garcia und
Carlos Salmeran Serrani sowie Fliegerin Sara Gonzalez Soler.
Außer spektakulären Sprüngen und Salti zu fröhlicher Musik wird
auch ein Drei-Personen-Hoch geboten.

"Et voilà" - da
ist das Kunstwerk!
In der begeisternden Schlussszene
malen die Ensemblemitglieder gemeinsam auf vier verschiedenen
Leinwänden. Jedes Motiv für sich ergibt scheinbar keinen Sinn,
doch richtig gedreht und die vier Fragmente zu einem großen Bild
zusammengefügt, erkennen wir endlich das ersehnte Bild der
„Statue“ mit Apfel in der Hand so wie es von dem posierenden
Model vorgemacht wird. „Et voilà“, da ist das große Werk – am
Ende der jederzeit vergnüglichen Geschichte hat der zu Beginn in
einer Krise befindliche Künstler seine Schaffenskraft wieder
gefunden. |