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Circus Monti - Tour 2023
www.circus-monti.ch ; 171 Showfotos

Aarau, 2. September 2023: In die Welt der Kunst entführt uns der Circus Monti in seiner Produktion „Et voilà“. Nach der in Sandtönen gehaltenen Show 2022, die von einer Wüstenreise erzählte, erwartet uns nun wieder eine bezaubernd farbenprächtige Inszenierung. Regie geführt haben einmal mehr Cécile Steck und Didi Sommer alias „Comedia Zap“. Die von ihnen gestalteten Shows sind als Glanzlichter in die Geschichte des Circus Monti eingegangen, von der mediterranen „Piazza Monti“ 2006 über das „Grand Hotel Monti“ 2009 bis zu den Geschichten, die sich 2013 aus „Pop up“-Büchern entfalteten.

Das schafft hohe Erwartungen an die neue Monti-Kreation von "Comedia Zap" - und, um es vorweg zu wagen, wir werden trotz dieses Anspruchs nicht enttäuscht! Die beiden Regisseure verwandeln die Bühne in ein Atelier – die Szenographie umfasst verschiedene Bildpanels, die Ausschnitte aus einem eindrucksvollen Kunstwerk des amerikanischen Malers Michael Lang zeigen. Hinzu kommen bewegliche Podeste und ein ebenso variables „Dachfenster“, das zur Anmutung des Kunstateliers beiträgt.


Antonin Wicky, Ensemble, Halle Baart

Hier möchte ein Künstler – gespielt von dem australischen Artisten David Trappes – ein Bild von einem als Statue posierenden Modell (Artist Mattis Motteau) gestalten. Doch der Maler hat seine Kreativität verloren, wie zahlreiche zerknüllte Blätter auf dem Boden zeigen. Da nutzt es auch nichts, dass der überaus sympathische Schweizer Clown Antonin Wicky mit seiner markanten Hochstehfrisur ihn mit einer Farbpalette motivieren möchte. Es folgt ein Charivari, in dem das Ensemble in seinen bunten Kostümen tanzt, mit Bilderrahmen in den Händen und weißen Masken. Mehrere „Farbeimer“ werden ausgeleert, und aus einem von ihnen entspinnt sich ein gelbes Stoffband und letztendlich das Strapeze – ein Trapez aus Strapatenbändern –, an dem Halle Baart verschiedenste Figuren wagt, unter anderem einen kreisenden Genickhang. Herrlich witzig ist die Szene, in der Antonin Wicky einen Tisch mit Farbtöpfen darauf davontragen will. Doch immer wieder fallen die Tischbeine heraus, was die Aufgabe ungemein erschwert und zu ihrer Vollendung auch noch akrobatisches Geschick erfordert.


Anne Arellano, Ensemble, Mario Muntwyler

Ein Bild, das zum Leben erwacht und dabei den Künstler neu inspiriert, verkörpert Anne Arellano. Zu treibender Musik zelebriert die Amerikanerin ihre hochwertigen Handstände und erntet – nach dem präzise mit den Füßen vollführten Pfeil-und-Bogen-Trick – letztlich rhythmischen Applaus. Besonders bunt und farbenfroh ist das wirbelnde Bild, in dem das Ensemble mit verschiedenen Tüchern einen akrobatischen Tanz auf die Bühne bringt. Aus der Gruppe tritt letztendlich Direktionsspross Mario Muntwyler hervor, der mit seinen anspruchsvollen, variantenreichen und sicheren Jonglagen mit bis zu sieben Keulen fasziniert – vor und hinter dem Rücken lässt er die Requisiten fliegen, fängt sie auch nach rasanten Pirouetten wieder auf. Ringsherum zeigen fahrbare Holzrahmen „Bilder“ aus Jonglierkeulen.


Antonin Wicky, David Trappes und Skip Walker-Milane, Orchester unter der Leitung von Piotr Gunia

In seiner nächsten Szene bringt Clown Antonin das posierende Model auf Abwegen, ja er begibt sich selbst in fast schon absurde Model-Posen und beweist dabei sein akrobatisches Geschick. Währenddessen kommt ihm ein Schuh abhanden. Eine besondere Freude ist die Pausennummer, denn der baumstammgroße David Trappes – der wie erwähnt auch den Künstler verkörpert – und sein deutlich kleinerer australischer Landsmann Sjip Walker-Milane widmen sich einem selten gezeigten Genre, der hohen Perche. Und diese wird hier auch noch in äußerst origineller Weise eingesetzt. Denn während David Trappes die Stange auf seiner Schulter trägt, zeigt Skip Walker-Milane daran ein Repertoire, wie man es von Darbietungen am Chinesischen Mast kennt. Das gilt beispielsweise, wenn er sich wie eine Flagge horizontal von der Stange abdrückt oder kopfüber daran hinuntersaust. Während das Model bis dahin mit einem Apfel in der Hand fürs Bild posiert, wird ihm nun eine Popcorntüte zum Halten gereicht – ein augenzwinkernder Hinweis auf die nachfolgende Pause. - Jede Monti-Vorstellung wird auch von der wunderbaren, stets speziell komponierten Livemusik getragen. Dies gilt ganz besonders in dieser Saison, in der Lukas Stäger für sein 5. Monti-Engagement besonders mitreißende Klänge geschaffen hat. Da ist es nur folgerichtig, dass das fünfköpfige Orchester unter der Leitung von Piotr Gunia zu Beginn des zweiten Teils auf den Bühnenelementen im Hintergrund und dann durch die Manege paradierend musiziert. Dies im Gefolge von Antonin Wicky, dessen Trompete dabei in viele Einzelteile zerspringt und hektisch wieder repariert werden muss. Auch dies ist ein besonderer Spaß.


Mattis Motteau und Julie Levrat, Rosita Hendry, Adrian Alonso Garcia, Carlos Salmeran Serrani und Sara Gonzalez Soler

So außergewöhnlich wie das Perche-Genre vor der Pause, so weit verbreitet ist das Cyrrad in Produktionen des Neuen Circus. Zunächst dreht Mattis Motteau darin alleine seine Runden, später rotiert er gemeinsam mit Julie Levrat im Huckepack-Verfahren. Während sie allein ihre Cyrrad-Kunst zeigt, glänzt er mit Breakdance. Die fahrbaren Bilderrahmen kommen nochmals in einer schönen Ensembleszene zum Einsatz. Die Damen tragen große Hüte, es werden Sektkelche serviert, alle begrüßen sich mit Küsschen links und rechts – schon finden wir uns auf einer festlichen Vernissage, in der imaginäre Bilder in den hölzernen Rahmen betrachtet werden. Der verloren gegangene Schuh des Clowns erscheint als vermeintliches Kunstobjekt wieder. Die nächste Szene spielt bei Gewitter unter dem Dach des Ateliers. Rosita Hendry setzt nach der turbulenten Vernissage und vor der rasanten Schlussphase nochmal einen ruhigen Kontrapunkt am Vertikalseil, zeigt voller Hingabe Ver- und Entwicklungen und einen sehr gewagten Abfaller zum Abschluss. Noch eine gehörige Portion Inspiration sammelt Clown Antonin bei einer Rollschuh-Rallye rund um die Manege, in die auch mehrere Besucher eingebunden werden. Der Reigen der sieben akrobatischen Darbietungen wird beschlossen von den Handvoltigen eines spanischen Trios mit den Fängern Adrian Alonso Garcia und Carlos Salmeran Serrani sowie Fliegerin Sara Gonzalez Soler. Außer spektakulären Sprüngen und Salti zu fröhlicher Musik wird auch ein Drei-Personen-Hoch geboten.


"Et voilà" - da ist das Kunstwerk!

In der begeisternden Schlussszene malen die Ensemblemitglieder gemeinsam auf vier verschiedenen Leinwänden. Jedes Motiv für sich ergibt scheinbar keinen Sinn, doch richtig gedreht und die vier Fragmente zu einem großen Bild zusammengefügt, erkennen wir endlich das ersehnte Bild der „Statue“ mit Apfel in der Hand so wie es von dem posierenden Model vorgemacht wird. „Et voilà“, da ist das große Werk – am Ende der jederzeit vergnüglichen Geschichte hat der zu Beginn in einer Krise befindliche Künstler seine Schaffenskraft wieder gefunden.

Cécile Steck und Didi Sommer haben gemeinsam mit dem gesamten Kreativteam des Circus Monti – zu erwähnen sind noch Barbara Tschumi (Kostüme), Tiziana Cocca (Choreographie) und Christoph Siegenthaler (Licht) – eine Wundertüte voller Ideen kreiert, die beim Publikum im praktisch ausverkauften Chapiteau auf dem Aarauer Schachen größten Anklang findet und mit tosendem, lang anhaltenden Applaus gefeiert wird. Dabei wird das Thema Kunst durchgängig umgesetzt, von der ersten bis zur letzten Minute der Vorstellung. Zu dieser Produktion kann man auch der Direktionsfamilie Muntwyler nur gratulieren.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll