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Cirque Arlette Gruss - Tour 2023/24
www.cirque-gruss.com ; 158 Showfotos

Straßburg, 18. Mai 2024: Ewig möge der traditionelle Circus bestehen, „Eternel“ (zu Deutsch: Ewig) ist auch das Motto der aktuellen Produktion des Cirque Arlette Gruss. Im wunderbaren Ambiente wird die Show von der schwungvollen und abwechslungsreichen, hervorragend gespielten Musik des neunköpfigen Orchesters unter der Leitung von Igor Nita getragen. Für „Eternel“ wird nicht nur eine Auswahl engagierter Darbietungen aneinandergereiht. Vielmehr wurden darüber hinaus zwei große Ensemblenummern auf Fahrrädern und Russischen Barren eigens und exklusiv für dieses Programm einstudiert.

Ewig anzudauern scheint leider auch die Suche nach einem festen Standort für die Gastspiele des Cirque Arlette Gruss in Straßburg. Seit unseren ersten Besuchen wurden erst ein Platz in der City, dann nacheinander zwei unterschiedliche Standorte im Jardin des deux rives am Rhein, später ein Gelände am Stade de la Meinau und zuletzt das Messegelände Wacken bespielt. Für 2024 sah es zunächst so aus, als müsse das Straßburg-Gastspiel mangels einer geeigneten Fläche ausfallen. Erst im Februar 2024 konnte doch noch ein Aufenthalt in der Grenzstadt verkündet werden, nun wieder im Jardin des deux rives. Dort allerdings nur für drei Tage, unter sehr beengten Verhältnissen sowie mit einem Parkplatz, der mit einer abenteuerlichen Zufahrt versehen ist und vom Circus einen Fußmarsch entfernt liegt. Im nächsten Jahr soll dann an gleicher Stelle immerhin wieder ein längerer Aufenthalt möglich sein.


Opening

Zum Beginn der Show gehört die Manege zunächst einem Clownsduo, das für diese Saison bei Arlette Gruss neu zusammengefunden hat: der jüngere Komiker Francesco Fratellini und sein deutlich reiferer Kollege Pieric. Gemeinsam wärmen sie das Publikum mit einem Klatschspiel auf und untermalen zudem pantomimisch die Sicherheitsanweisungen, die aus dem Off gesprochen werden. Einen Wechsel gab es nicht nur bei der Clownerie. Auch Mr. Loyal Kevin Sagau ist nach einigen Jahren nicht mehr dabei. Ausführliche Moderationen mit bedeutungsschweren Texten, wie sie Sagau und seine Vorgänger stilvoll vortrugen, gibt es nun nicht mehr. An deren Stelle wurde die Sängerin Eva Poirieux verpflichtet, die bei vielen Gelegenheiten im Programm zu hören ist. Sie empfängt uns mit einem ruhigen Song über den ewig bestehenden Circus. Rhythmischer wird es dann im großen Opening mit dem gesamten Ensemble in fantasievollen Kostümen.


Sarah Florees, Sarah Houcke, Pieric

Die große Szene geht direkt über in die erste Darbietung. Sarah Florees bewegt sich hierbei anmutig am Kronleuchter in großer Höhe, wiederum von Gesang begleitet. Dabei demonstriert die Artistin ihre Kraft und Beweglichkeit. Mutig beschließt sie ihren Auftritt im Genickhangwirbel. Störrisch ist dagegen der Esel, mit dem Pieric sich müht. Er staubt das Tier ab und reinigt ihm scheinbar die Ohren mit einem weißen Taschentuch – zum linken Ohr rein, zum rechten Ohr raus, mitten durch den Schädel. Vier Männer tragen auf einer Sänfte in Form eines großen, roten Sessels Sarah Houcke in die Manege. Wieder auf dem Boden angelangt, leitet diese nun in ihrem eleganten Kleid mit passendem Hut insgesamt fünf Esel zu verschiedenen Lauffiguren an, begleitet von fröhlichen, bläserdominierten Klängen. Drei der Tiere stellen sich auf Postamente, die anderen beiden traben in Achten um sie herum.


Francesco Fratellini, Alexis Gruss, Magicshow mit u.a. Jonnathan Obando Acero und Elea Broger

Wiederum heiter wird es mit Francesco Fratellini. Er möchte sich mit einem Zuschauer ablichten lassen, den er in die Manege geholt hat, doch die mit dem Fotografieren beauftragte Zuschauerin drückt offenbar stets im falschen Moment ab. Hauseigen ist die Magic-Show, in der Jonnathan Obando Acero – ehemaliger Motorradkugel-Fahrer und seit einigen Jahren Lebensgefährte von Laura-Maria Gruss – als Groß-Illusionist im Kreise seiner Assistentinnen auftritt. Natürlich geht es auch hier ums Verschwinden und Erscheinen. So zum Beispiel, wenn wir Jonnathan in einer Kiste wähnen, die von brennenden Speerspitzen durchbohrt wird, die von oben herunterfallen. Doch der Magier kehrt unversehrt und an völlig anderer Stelle zurück. Elea Broger, Tochter von Clown André und Freundin von Eros Gruss, wird als „Dame ohne Unterleib“ präsentiert. Dies natürlich nur vorübergehend. All dies wird mit rockigem Gesang begleitet. Zur Entspannung pustet Pieric eine große Feder in die Luft und fängt sie auf der Stirn balancierend. In einer recht kompakten Dressurfolge zeigt uns die junge Alexis Gruss, was ihre vier Hunde alles gelernt haben, darunter verschiedene Sprünge.


Sandeep Kale, Francesco Fratellini, Troupe Arlette Gruss

Einen ersten Höhepunkt erreicht die Show mit dem Auftritt von Sandeep Kale. Was er uns präsentiert, ist in Indien ein verbreiteter Sport, in europäischen Manegen jedoch eine absolute Rarität. An einem Baumstamm zeigt er dynamische, geradezu ekstatische Bewegungen zwischen sich halten, fallen und wieder fangen, dies kombiniert mit Elementen der Equilibristik. Kopfüber am Requisit hängend, sich nur mit den Beinen sichernd, springt er abschließend zu Boden und landet auf den Füßen. Fünf Tänzerinnen in orientalisch anmutenden Kostümen leiten die Nummer ein und verstärken ihr geheimnisvoll-exotisches Flair. Mit Melodien aus dem Musical-Filmklassiker „Mary Poppins“, gespielt auf einer Vielzahl von Glocken, leitet Francesco Fratellini zur Pausennummer über. Das kubanische Duo Lyd war vor Jahren mit seiner Fahrradakrobatik bei Arlette Gruss zu sehen, dann im Quartett gemeinsam mit den Gruss-Junioren Alexis und Eros. Nun wurde die Darbietung weiter zu einer großen Gruppennummer im Rock’n’Roll-Rhythmus ausgebaut. Zusätzliche Akteure der "Troupe Arlette Gruss" sind die Truppe Havanna sowie Laura-Maria Gruss mit Partner und Elea Broger. In immer neuen Konstellationen teilen sich zwei und mehr Artisten ein Fahrrad, um damit Runden durch die Manege zu drehen. Schließlich formen elf junge Frauen und Männer einen Fächer auf einem einzigen Fahrrad. Wirklich eine eindrucksvolle Eigenkreation, in der sicher viel Trainingsfleiß steckt.


Flying Almar, Ballett als Madonna, Elvis Presley, Marilyn Monroe sowie Charly Chaplin, Linda Biasini-Gruss

Im Opening zur zweiten Hälfte wird das Orchester vorgestellt. Dann gehört der Luftraum des Chapiteaus den Flying Almar. Das Requisit bietet den sechs Damen und Herren zwei Flugbahnen nebeneinander, doch leider wird das Potenzial dieser Konstellation nicht wirklich ausgenutzt. Es könnte darin bestehen, durch permanenten Wechsel der Bahnen Tricks quasi nonstop zu präsentieren oder auch einmal synchron zu arbeiten. Nach den üblichen Tricks wie gestrecktem Doppelsalto und Dreifachem endet die Darbietung, doch auch auf eine Passage oder den effektvollen Kopfüber-Sturz aus der Kuppel warten wir vergeblich. In seiner nächsten Szene stellt Francesco Fratellini fest, dass er mit einem Mikrofon abhören kann, was im eigenen Kopf und in den Köpfen von Zuschauerinnen und Zuschauern vor sich geht – die „Ohrwürmer“ geben Aufschluss über den jeweiligen Gemütszustand. In einem tänzerischen Bild zu einem Michael-Jackson-Song erleben wir im Fokus noch einmal Personen der Musik- und Unterhaltungsgeschichte, die bei genauem Hinsehen bereits im Opening zu erkennen waren. Künstler, die wohl für ewig – eternel – zum Bewusstsein der Menschen gehören werden. Konkkret sind dies der „King of Pop“ Michael Jackson, Madonna, Elvis Presley, Marilyn Monroe, Charly Chaplin und Liza Minelli. Damit wird der Übergang zu den Pferdedressuren des Hauses geschaffen. Linda Biasini-Gruss und Laura-Maria Gruss leiten zunächst sechs Friesen zu verschieden Lauffiguren an. Dabei dirigieren Mutter und Tochter jeweils eine Dreiergruppe longierter Rösser. Schließlich übernimmt Linda Gruss den gesamten Sechserzug, nun tatsächlich „in Freiheit“ vorgeführt. Die Steigerpferde zum Abschluss stellen die beiden Akteurinnen im Wechsel vor.


Pieric, Duo Beige, Duo Dimaa

Es folgt ein equestrisches Duett der besonderen Art: Clown Pieric „reitet“ mit einer Pferdefigur und im Duett mit einer Puppe, die wiederum auf einem lebendigen Pony sitzt. Ein großes artistisches Ausrufezeichen setzen Kelly Joo und Angelika Janicková alias „Duo Beige“ mit ihrer gemeinsamen Arbeit an den Strapaten. Insbesondere die verschiedenen Zahnhänge und doppelten Zahnhänge begeistern. Ungeheuer wagemutig ist eine Art Abfaller in den Fußhang an einem Fuß, bei dem das Band von der Partnerin nur mit den Zähnen gehalten wird. Bravo! Der Auftritt des Damen-Duos geht nahtlos über in die Arbeit zweier Herren. Das Duo Dimaa, Dmitry Makrushin und Georgii Volkov, präsentiert kraftvolle Partnerakrobatik – dies in allen denkbaren Möglichkeiten wie Hand auf Kopf, Hand auf Hand und Hand auf Fuß.


La Troupe Arlette Gruss, Finale

Die „Troupe Arlette Gruss“ hat außer ihrer Fahrradnummer noch einen zweien großen Act einstudiert, der die Schlussnummer bildet. Hier steht die Truppe Havanna im Mittelpunkt, denn das gewählte Genre ist der Russische Barren. Vielfältige Tricks bis hin zum Dreifachen werden geboten, mal auf drei Fieberglasbalken nebeneinander, die von den kräftigen Unterleuten gehalten werden, mal mit Sprüngen von Barren zu Barren. Acht schmale weiße Stangen – in unterschiedlichen Positionen gehalten von Mitgliedern der Truppe und des Balletts – dienen vor allem dazu, raumgreifende Impressionen zu schaffen. Insgesamt entsteht ein kolossales Schlussbild. Leider wird der Schwung der Darbietung nicht mit in ein direkt folgendes Finale genommen. Stattdessen wird noch einmal komplett entschleunigt, dies mit einem ruhigen, poetischen Zwischenspiel mit den beiden Clowns und der Sängerin, das sich um die Wanderschaft kleiner Lichter dreht. Es bietet der Troupe Arlette Gruss die Gelegenheit, die weißen Kostüme der Barrennummer gegen einheitliche rote Roben für das kompakt gehaltene Finale auszutauschen.

Der Besuch im Cirque Arlette Gruss gehört einfach fest zum zirzensischen Jahreslauf, und das wird hoffentlich „ewig“ so bleiben. Nun steht im Spätjahr der Auftakt der Jubiläumstournee zum 40-jährigen Bestehen des Unternehmens auf dem Programm. Es ist wunderbar, dass die Familie Gruss weiterhin Jahr für Jahr mit diesem herrlichen Circus und seinen aufwendig gestalteten, in dieser Form einzigartigen Programmen auf Tournee durch Frankreich geht – und stets mehrfach nahe der deutschen Grenze Station macht.

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Text: Tobias Moll; Fotos: Markus Moll