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Circus Barnum - Tour 2024
www.circus-barnum.de ; 136 Showfotos

Wertheim, 6. Oktober 2024: Gleich drei Circusse aus der weitläufigen Familie Kaiser haben wir in der Saison 2024 besucht. Alle bieten ein schönes Circus-Erlebnis. Und so sind aller guten Dinge drei, als wir an diesem Sonntagmorgen beim Circus Barnum von Markus Kaiser eintreffen. Gespielt wird in Wertheim, der nördlichsten Stadt Baden-Württembergs. Ende der 1980er Jahre erlebten wir hier den Circus Busch-Roland mit Ursula Böttchers Eisbären an der Main-Tauber-Halle, direkt in der Kernstadt gelegen. Später stand für Circusgastspiele der große Messeplatz auf dem Reinhardshof zur Verfügung. Das weitläufige Areal auf dem Gebiet der ehemaligen US-Kaserne bot auch den Branchengrößen Probst, Charles Knie und sogar Krone genügend Platz.

Nun ist das Gelände bebaut und kann leider nicht mehr für Manegen-Unterhaltung genutzt werden. So hat der Circus Barnum im Industriegebiet des Stadtteils Bestenheid aufgebaut, umgeben von Güterhafen, Tankstelle, Kläranlage und Großbetrieben. Romantisch ist das nicht gerade.


Außenansicht des Circus Barnum in Wertheim

Immerhin bietet der Circus selbst einen schönen Farbtupfer. Ein Blickfang ist der herrliche Kassenwagen, der in Airbrush-Techik Tiermotive von Pferden über Vogelstrauß und Zebra bis zu Giraffe bietet. Hinzu kommen Auflieger mit schön gestalteten Planen samt dem Schriftzug des Circus sowie natürlich das schmucke, rot-weiße 32-Meter-Chapiteau mit vier Masten und acht Quaderpolen. Das Vorzelt konnte leider infolge eines technischen Defekts nicht errichtet werden, und so finden wir den Restaurationswagen direkt im Spielzelt auf den rechten Seite. Auf der linken Seite des Zelts steht die Schalensitztribüne, zudem werden bequeme Stühle in den Logen angeboten. Eine Gästetoilette gibt es leider nicht. Die Lichtanlage besteht aus LED-Scheinwerfern und Moving Heads, ein schöner samtroter Vorhang mit goldenen Barnum-Lettern prägt das Bild im Zelt. Für heutige Zeiten absolut außergewöhnlich ist der große Tierbestand, zu dem zahlreiche Pferde und Ponys, Kamele und exotische Rinder, Zebras und Lamas sowie einige Ziegen gehören. In der Pause werden wir die Gelegenheit haben, uns von der mustergültigen Unterbringung im Stallzelt und den Außengehegen zu überzeugen.


Chico, Markus Kaiser, Melanie Donnert

Doch zunächst erfreuen wir uns am ersten Teil der Vorstellung, die – ohne Ouvertüre oder persönliche Begrüßung durch die Direktion – relativ unvermittelt mit dem ersten Einsatz von Clown Chico (Schubert) beginnt. Er erweist sich mit seinem Klatschspiel und Glocken als freundlicher Sympathieträger und tritt im Laufe der Show noch mehrfach in Erscheinung. Den artistischen Auftakt liefert Melanie Donnert mit einer überzeugenden Kür an den weißen Tüchern. Zur Trickfolge gehört beispielsweise der Abfaller aus einer Spagatposition heraus. Nach Clownerie und Akrobatik deckt Direktor Markus Kaiser mit seinen sechs gescheckten Ponys auch gleich die dritte Säule des klassischen Circus ab, die Tierdressuren. Unter seiner versierten Anleitung absolvieren die Tiere verschiedene Lauffiguren, steigen mit den Vorderhufen auf die Piste und überspringen Hürden.


Claudia Lagroni, Angelina Lagroni, Miguel Kaiser

Claudia Lagronis Antipodenspiele sind bestens bekannt, unter anderem von Universal Renz und Flic Flac. Der Spezialtrick der attraktiven Lady ist weiterhin, wie sie auf ihren Füßen einen Stapel aus vielen Kisten errichtet und wieder abbaut. Zuvor sind es vier lange Walzen, die sie mit Händen und Füßen bewegt. Nach Clown Chicos amüsanter Variante der Golfball-Reprise, an der auch eine Dame und ein Herr aus dem Publikum mitwirken dürfen, hat Lagronis Tochter Angelina ihren großen Auftritt. Die hübsche junge Frau präsentiert eine Darbietung mit Hula-Hoop-Reifen im Burlesque-Style. Sie startet mit einem sinnlichen Tanz, bei dem sie beispielsweise in einer kontorsionistischen Handstandpose einen Reif um einen Fuß kreisen lässt. Es folgt dynamische Musik, zu der bis zu fünf Hula Hoops um Arme, Beine und Rumpf der Artistin kreisen. Zum Abschluss setzt sie ein ganzes Bündel Reifen in Bewegung. Direktionssohn Miguel Kaiser moderiert die ganze Vorstellung aus dem Off, gefällt dabei mit seiner angenehmen Stimme und guter Betonung. Doch nun tritt er auch selbst in die Mange. Und zwar für seine rasanten und sicheren Jonglagen mit kleinen Bällen und Fußbällen, Keulen und Ringen sowie Fackeln, bei denen er von mitreißender Musik begleitet wird. Sein Bruder Juliano hat sich besonders der Tierdressur verschrieben. Als Pausennummer bringt er einige der Exoten des Hauses in die Manege. Drei Kamele und deren Touren werden von sieben exotischen Rindern abgelöst, die ebenso gekonnt und routiniert vorgestellt werden.


Juliano Kaiser, Kenia Boys, Claudia und Dominik Lagroni

Dass er auch ein guter Akrobat ist, beweist Juliano Kaiser zum Auftakt des zweiten Programmteils bei seiner Stuhlpyramide. Sieben Stühle stapelt er auf einem sehr hohen Tisch, so dass er letztlich – ohne Longensicherung – in bemerkenswerter Höhe seine Handstände drückt. Die musikalische Begleitung mit „Time to say Goodybye“ steigert die Dramatik weiter. Wie uns die nächste Ansage verrät, ist Messerwerfer Texas Jim leider wegen des bevorstehenden Abbaus verhindert, so dass er von Clown Chico vertreten wird. Ein Herr aus dem Publikum darf sich als „Freiwilliger“ ans Brett stellen, sehr zum Vergnügen der anderen Gäste. Selbstverständlich kommt er unbeschadet davon. Mit viel Lebensfreude entführen uns die beiden „Kenia Boys“ nach Afrika. Sie kombinieren Partnerakrobatik, Feuerspiele und Limbotanz. Ähnlich temperamentvoll geht es weiter, wenn Claudia Lagroni im Sekundentakt ihre eleganten Kleider wechselt. Auch Ehemann Dominik gefällt mit einem Quickchange, hier von einem schwarzen zu einem weißen Anzug.


Juliano und Vivien Doren Kaiser

Nochmals für gute Laune sorgt Clown Chico, wenn er aus drei Herren und einer Dame aus den Zuschauerreihen eine Rockband formt. Zum Höhepunkt und Abschluss der Spielfolge bringt Juliano Kaiser einen wunderbaren, schwarz-weißen Sechserzug Freiheitspferde in die Manege. Geschmückt mit schwarz-blauen Geschirren und blauen Federpuscheln, absolvieren diese ein umfangreiches Repertoire an Lauffiguren, die von einem Potpourri temperamentvoller Steiger gekrönt werden. Alles wird mit leichter Hand dirigiert und läuft ebenso sicher wie temporeich ab. Erst im Finale lernen wir Direktionstochter Vivien Doren Kaiser kenen, die mit ihrer wunderbaren Stimme „Come back home“ aus dem Greatest-Showman-Soundtrack interpretiert. Auf TikTok hat die junge, hübsche Sängerin 35.000 Follower. Direktor Markus Kaiser übernimmt die Abschiedsworte ans Publikum.

Damit endet eine schöne, unterhaltsame Vorstellung; die Gäste zeigen sich sehr zufrieden und applaudieren entsprechend. Vor ihrem Abschluss steht auch die Tournee 2024 des Circus Barnum, denn auf das Wertheim-Gastspiel wird nur noch eine Station in Bamberg folgen, ehe schon der  Weihnachtscircus in Nürnberg vorbereitet wird – dort in größeren, reich geschmückten Zeltanlagen und unter anderem mit Musikalclowns und Flugtrapez.

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Text und Fotos: Markus Moll