Nun ist
das Gelände bebaut und kann leider nicht mehr für
Manegen-Unterhaltung genutzt werden. So hat der Circus Barnum im
Industriegebiet des Stadtteils Bestenheid aufgebaut, umgeben von
Güterhafen, Tankstelle, Kläranlage und Großbetrieben. Romantisch
ist das nicht gerade.
 
Außenansicht des Circus Barnum in Wertheim
Immerhin
bietet der Circus selbst einen schönen Farbtupfer. Ein Blickfang
ist der herrliche Kassenwagen, der in Airbrush-Techik Tiermotive
von Pferden über Vogelstrauß und Zebra bis zu Giraffe bietet.
Hinzu kommen Auflieger mit schön gestalteten Planen samt dem
Schriftzug des Circus sowie natürlich das schmucke, rot-weiße
32-Meter-Chapiteau mit vier Masten und acht Quaderpolen. Das
Vorzelt konnte leider infolge eines technischen Defekts nicht
errichtet werden, und so finden wir den Restaurationswagen
direkt im Spielzelt auf den rechten Seite. Auf der linken Seite
des Zelts steht die Schalensitztribüne, zudem werden bequeme
Stühle in den Logen angeboten. Eine Gästetoilette gibt es leider
nicht. Die Lichtanlage besteht aus LED-Scheinwerfern und Moving
Heads, ein schöner samtroter Vorhang mit goldenen Barnum-Lettern
prägt das Bild im Zelt. Für heutige Zeiten absolut
außergewöhnlich ist der große Tierbestand, zu dem zahlreiche
Pferde und Ponys, Kamele und exotische Rinder, Zebras und Lamas
sowie einige Ziegen gehören. In der Pause werden wir die
Gelegenheit haben, uns von der mustergültigen Unterbringung im
Stallzelt und den Außengehegen zu überzeugen.
  
Chico,
Markus Kaiser, Melanie Donnert
Doch
zunächst erfreuen wir uns am ersten Teil der Vorstellung, die –
ohne Ouvertüre oder persönliche Begrüßung durch die Direktion –
relativ unvermittelt mit dem ersten Einsatz von Clown Chico
(Schubert) beginnt. Er erweist sich mit seinem Klatschspiel und
Glocken als freundlicher Sympathieträger und tritt im Laufe der
Show noch mehrfach in Erscheinung. Den artistischen Auftakt
liefert Melanie Donnert mit einer überzeugenden Kür an den
weißen Tüchern. Zur Trickfolge gehört beispielsweise der
Abfaller aus einer Spagatposition heraus. Nach Clownerie und
Akrobatik deckt Direktor Markus Kaiser mit seinen sechs
gescheckten Ponys auch gleich die dritte Säule des klassischen
Circus ab, die Tierdressuren. Unter seiner versierten Anleitung
absolvieren die Tiere verschiedene Lauffiguren, steigen mit den
Vorderhufen auf die Piste und überspringen Hürden.
  
Claudia
Lagroni, Angelina Lagroni, Miguel Kaiser
Claudia
Lagronis Antipodenspiele sind bestens bekannt, unter anderem von
Universal Renz und Flic Flac. Der Spezialtrick der attraktiven
Lady ist weiterhin, wie sie auf ihren Füßen einen Stapel aus
vielen Kisten errichtet und wieder abbaut. Zuvor sind es vier
lange Walzen, die sie mit Händen und Füßen bewegt. Nach Clown
Chicos amüsanter Variante der Golfball-Reprise, an der auch eine
Dame und ein Herr aus dem Publikum mitwirken dürfen, hat
Lagronis Tochter Angelina ihren großen Auftritt. Die hübsche
junge Frau präsentiert eine Darbietung mit Hula-Hoop-Reifen im
Burlesque-Style. Sie startet mit einem sinnlichen Tanz, bei dem
sie beispielsweise in einer kontorsionistischen Handstandpose
einen Reif um einen Fuß kreisen lässt. Es folgt dynamische
Musik, zu der bis zu fünf Hula Hoops um Arme, Beine und Rumpf der
Artistin kreisen. Zum Abschluss setzt sie ein ganzes Bündel
Reifen in Bewegung. Direktionssohn Miguel Kaiser moderiert die
ganze Vorstellung aus dem Off, gefällt dabei mit seiner
angenehmen Stimme und guter Betonung. Doch nun tritt er auch
selbst in die Mange. Und zwar für seine rasanten und sicheren Jonglagen mit kleinen Bällen und Fußbällen, Keulen und Ringen
sowie Fackeln, bei denen er von mitreißender Musik begleitet
wird. Sein Bruder Juliano hat sich besonders der Tierdressur
verschrieben. Als Pausennummer bringt er einige der Exoten des
Hauses in die Manege. Drei Kamele und deren Touren werden von sieben exotischen Rindern
abgelöst, die ebenso gekonnt und routiniert
vorgestellt werden.
  
Juliano
Kaiser, Kenia Boys, Claudia und Dominik Lagroni
Dass er
auch ein guter Akrobat ist, beweist Juliano Kaiser zum Auftakt
des zweiten Programmteils bei seiner Stuhlpyramide. Sieben
Stühle stapelt er auf einem sehr hohen Tisch, so dass er
letztlich – ohne Longensicherung – in bemerkenswerter Höhe seine
Handstände drückt. Die musikalische Begleitung mit „Time to say
Goodybye“ steigert die Dramatik weiter. Wie uns die nächste
Ansage verrät, ist Messerwerfer Texas Jim leider wegen des
bevorstehenden Abbaus verhindert, so dass er von Clown Chico
vertreten wird. Ein Herr aus dem Publikum darf sich als
„Freiwilliger“ ans Brett stellen, sehr zum Vergnügen der anderen
Gäste. Selbstverständlich kommt er unbeschadet davon. Mit viel
Lebensfreude entführen uns die beiden „Kenia Boys“ nach Afrika.
Sie kombinieren Partnerakrobatik, Feuerspiele und Limbotanz.
Ähnlich temperamentvoll geht es weiter, wenn Claudia Lagroni im
Sekundentakt ihre eleganten Kleider wechselt. Auch Ehemann
Dominik gefällt mit einem Quickchange, hier von einem schwarzen
zu einem weißen Anzug.
 
Juliano
und Vivien Doren Kaiser
Nochmals
für gute Laune sorgt Clown Chico, wenn er aus drei Herren und
einer Dame aus den Zuschauerreihen eine Rockband formt. Zum
Höhepunkt und Abschluss der Spielfolge bringt Juliano Kaiser
einen wunderbaren, schwarz-weißen Sechserzug Freiheitspferde in
die Manege.
Geschmückt mit schwarz-blauen Geschirren und blauen
Federpuscheln, absolvieren diese ein umfangreiches Repertoire an
Lauffiguren, die von einem Potpourri temperamentvoller Steiger
gekrönt werden.
Alles wird mit leichter Hand dirigiert und läuft ebenso sicher
wie temporeich ab. Erst im Finale lernen wir Direktionstochter
Vivien Doren Kaiser kenen, die mit ihrer wunderbaren Stimme
„Come back home“ aus dem Greatest-Showman-Soundtrack
interpretiert. Auf TikTok hat die junge, hübsche Sängerin 35.000
Follower. Direktor Markus Kaiser übernimmt die Abschiedsworte
ans Publikum. |