Vordergründig geht
es um den verführerischen Duft von Milch und Schokolade, um zwei
Lebens- und Genussmittel also, die untrennbar zusammen gehören.
So wie die Menschen unterschiedlicher Hautfarben, hell und
dunkel, die in dieser Show gemeinsam auftreten. Auf dem
Plakatmotiv taucht eine schwarze Frau in sinnlicher Pose aus
einem weißen Milchsee auf. Das ist die unausgesprochene zweite
Ebene des Titels. Die großzügigen Zeltanlagen sind wieder
auf dem Parkplatz Holberg in Kloten, direkt am Flughafen Zürich,
aufgeschlagen. Erstmals besuchen wir die erste von zwei Shows an
einem Samstag anstatt der Spätvorstellung. Bei Tageslicht
treffen wir ein. Doch sobald wir den langen Tunnel passiert
haben und das aufwendig dekorierte Vorzelt betreten, geraten
Raum und Zeit in Vergessenheit. Auch am späten Nachmittag
herrscht hier düstere Nachtclub-Atmosphäre. Der frühere Beginn
schadet der Stimmung keineswegs. Leicht bekleidete Künstler
mischen sich unter die wartenden Gäste, in einer hell
beleuchteten Glasbox können Fotos mit einzelnen Artisten gemacht
werden. Zwei Schokoladenbrunnen in Weiß und Braun laden ein, mit kleinen Holzlöffelchen die dampfenden, süß
duftenden Köstlichkeiten zu probieren, verschiedene
Schokoladenraffinessen können erworben werben. Das Angebot an
Cocktails und das Dinner vor der Show, das optional gebucht
werden kann, sind an das Thema Milch und Schokolade angepasst.
Ensemble,
Jean Pearl und Danny Lee, Polina Karvovskaya
Im Chapiteau mit
den außen liegenden Bogenmasten, den Polsterstühlen in den Logen
und den ansteigenden Reihen auf der Schalensitztribüne ist beste
Sicht von allen Plätzen garantiert. Sofort fällt der Blick auf
die neue, beleuchtete Showtreppe, die vor dem Artisteneingang
steht. Im ersten Bild performt nahezu das gesamte Ensemble eine
Choreographie im Cabaret-Style auf dieser Treppe. Vom ersten
Augenblick an werden wir ins Geschehen hineingezogen und
vollends davon gefangen genommen. Damen und Herren tragen Frack,
Zylinder und Fliege zu weißer Unterwäsche, dazu die Damen
hochhackige Schuhe oder hohe Stiefel, die Herren weiße Schuhe
mit weißen Socken. Auf Hemd und Hose kann bei solch
beneidenswerten Körpern der Frauen und Männer getrost verzichtet
werden. Zum Songklassiker „Fever“ fällt der Spot immer wieder
auf andere Köpfe, greift er diese aus der düsteren Stimmung
heraus, ehe die ganze Compagnie in gleißendes Licht getaucht
wird. Nun treten die Protagonisten des Abends hervor, Sängerin
Jean Pearl und Zeremonienmeister Danny Lee – sie im verruchten
Outfit ganz in Rot, er in einem Dress in Brauntönen, bei dem
scheinbar flüssige Schokolade den weißen Hut hinuntertropft.
Gemeinsam heißen sie uns willkommen. Polina Karvovskaya sieht
sich am Boden von gleich drei Männern des Ohalala-Balletts
begehrt, die nun die Fräcke und Zylinder auch noch abgelegt
haben. Zunächst zwischen ihnen hin- und hergereicht, entschwebt
sie der Situation mit ihrem Zopfhang. Unter der Kuppel
demonstriert sie dabei in ihrem perlenglänzenden, eng
anliegenden Kostüm ihre hohe Flexibilität oder dreht sich in
Wirbeln. Das extrem starke Lichtdesign der gesamten Show, das
bewegliche Scheinwerfer ebenso wie Laser einsetzt, veredelt
diese erste Darbietung und alle folgenden weiter. Der glasklare
Sound korrespondiert damit.
Sam Goodburn,
Ballett, Stardust Sketers
Zur Liebe gehört
das Lachen, und so bietet auch Ohlala Jahr für Jahr schräge
Comedy. Dafür ist diesmal Sam Goodburn zuständig. Er dreht zunächst nur mit einem offenen
Bademantel bekleidet, aber ansonsten nackt eine Runde auf dem
Einrad zwischen Loge und Gradin. Auf der Tribüne angekommen,
möchte er Hose, Sakko und T-Shirt anlegen, ohne sein
Gefährt zu verlassen. Mithilfe eines „Freiwilligen“ aus dem
Publikum, der mit Keksen angelockt wird, gelingt ihm dieses
Kabinettstückchen bravourös. Und natürlich so, dass die
entscheidenden Stellen seines Körpers den neugierigen Blicken
verborgen bleiben. Zeremonienmeister Danny Lee nimmt auf der
Tribünentreppe einen kräftigen Schluck aus einem Glas Milch und
ruft „I present you Milk and Chocolate“. Beim zweiten Teil des
Satzes zeigt er auf die Bühne. Der Auftakt für eine Art
afrikanischen Stammestanz, modern interpretiert, den die jeweils
drei Damen und Herren des Ohlala-Balletts im Halbdunkel in
knappen Outfits mit Lepoarden-Mustern auf die Bühne bringen.
Wiederum wurden professionelle, ausdrucksstarke Tänzer
verpflichtet, wieder steht in dieser Show zeitgenössische
Tanzkultur gleichberechtigt neben der Artistik. Doch in diesem
Jahr scheinen die Choreographien noch ausgefeilter und
hochwertiger als in den bisherigen Produktionen. Dafür zeichnet
wiederum Starchoreograph Fidel Buika verantwortlich. Fast
ausnahmslos in Weiß- und Brauntönen sind die Kostüme der Show
gestaltet, beim Ballett wie bei den Artisten. Der Aufwand für
dreieinhalb Wochen Spielzeit ist enorm. Und so steht beim Duo
Stardust Skaters Yevhenii Yemelianenko farblich für Milch und
seine Ehefrau Vlada Kamyshnikova für Schokolade. Bei seiner
Rollschuhnummer überzeugen der gelernte Akrobat und die frühere
Eiskunstläuferin durchaus auch mit außergewöhnlichen Tricks. Bei
ihrem abschließenden Genickhangwirbel beispielsweise dreht er
sich nicht auf Rollen im Kreis, sondern sich mit den Händen in
Strapatenschlaufen haltend, einige Meter über dem Boden
schwebend. Gesanglich begleitet werden die beiden von der
stimmstarken Jean Pearl, dazu fahren einige Männer aus dem
Ensemble auf Rollschuhen über die Bühne, tanzen lasziv im
Hintergrund oder räkeln sich auf der Showtreppe.
Shag, Emma
Philips, Ballett
Artistik pur gibt
es dagegen bei Shak, der aus einer Öffnung im Boden erscheint
und am Ende der Darbietung dort wieder verschwindet. Zwischen
Laserstrahlen verknotet er sich auf unmöglichste Art und Weise,
erntet dafür spitze Schreie aus dem Publikum. Für seine Knochen
scheinen andere Normen zu gelten. „Bonetics“ hat der
Kontorsionist auf seinen Rücken tätowiert, und dieser Name ist
Programm. Entspannung ist dagegen angesagt, wenn Sam Goodburn
während seiner nächsten Einradfahrt das Requisit für seinen
nachfolgenden Trick auf die Bühne bringt. Auf den Händen trägt
er ein Metallgestell, das ihm kurz darauf eine Fahrt über ein
gespanntes Drahtseil erlaubt. Danach ist eine nachmittägliche
„Kaffeeparty“ angesagt, die famose Liveband spielt „Tea for all“
und „Cream“ von Pink. Dazu erscheinen Mitglieder des Balletts
mit koketten Schürzen, einer der Tänzer trägt eine aparte
Kochmütze und eine Sahne-Sprühflasche in der Hand. Und mit ihnen
tritt Emma Philips auf, die bei ihren Antipodenspielen zunächst
drei Teppiche und zwei Schirme, dann einen massiven Tisch und
zusätzlich noch drei Teppiche auf Händen und Füßen kreisen
lässt. Im Hintergrund wird eine Tänzerin in einer erhöhten,
gläsernen Schale von mehreren Herren in sündiger Weise mit Milch
übergossen. Auch Emma Philips erklimmt schließlich die Schale.
Mit diesem großen Schaubild geht es in die Pause.
Ballett
Mit „Black and
Gold“ von Sam Sparro und „Sweet Dreams“ von den Eurythmics, live
gesungen von Jean Pearl, werden wir in einer weiteren großen
Szene zum zweiten Programmteil empfangen. Dabei liegt die
Sängerin als mondäne Diva auf einem Kanapee, umtanzt von den
Herren und Damen des Balletts.
Duo Paradise,
Aleksey Teslin, Lady Lydia
Ein Höhepunkt des
Programms ist sicherlich die Darbietung des Duos Paradise.
Anastasia Krutikova und ihr Mann Artem Panasuk verzaubern mit
ihrer Kombination aus Kontorsionen und Hand-auf-Hand-Akrobatik
voller Sinn und Sinnlichkeit, umgeben von brennenden Kerzen.
Beeindruckend ist beispielsweise sein einarmiger Handstand auf
ihrer Schulter, während sie im Spagat liegt – oder der
Schlusstrick, bei dem sie mit verbundenen Augen in einer Brücke
steht und dann die Hände vom Boden nimmt. Dies, während ihr
Partner einen Handstand auf ihrem Becken drückt. Der Applaus
steigert sich zum Orkan, die beiden Künstler bedanken sich,
indem sie ihre Finger zu Herzen formen. Amüsant wird es gleich
darauf wieder mit Sam Goodburn, der seine Kekse nun mit
gezieltem Schwung von seinem rechten Fuß mit gezieltem Schwung
in den eigenen Mund befördert. Wenn es in dieser großartigen
Show überhaupt einen Moment ergibt, der ein wenig langatmig
erscheint, dann ist es der „Dance Battle“, bei dem die Damen und
Herren des Balletts sich miteinander
messen. Dazu werden nochmal neue Kostüme eingesetzt, sehen wir
die Damen in Dessous in Brauntönen und mit angedeuteten
Fetisch-Elementen. Unter Anleitung von Danny Lee sollen einige
Logengäste dazu Wertungstafeln hochhalten, die freilich nur die
Wahl zwischen 9 oder 10 Punkten lassen. Die ganze Szene dient
letztlich dazu, den Auftritt von Aleksey Teslin einzuleiten. Er
ist der Gewinner des Contests. Eine Diabolonummer wie
seine haben wir noch nicht gesehen, denn sie ist als
durchgehender Tanz mit exaltierten Bewegungen choreographiert.
Dennoch gelingt es ihm, während der Dancemoves bis zu drei
Doppelkegel übers Seil tanzen und durch die Luft wirbeln zu
lassen. Im Hintergrund agiert weiter das Ballett. Als klassische
Schönheit im Stil von Marilyn Monroe erscheint Lady Lydia mit
blonder Mähne und Zigarette in der Hand. Ihren Trenchcoat legt
sie bald ab, um in Unterwäsche ihre Feuerspiele im Burlesque-Style zu zelebrieren. Sie schluckt und spuckt Feuer,
führt Flammen ganz nah an ihrer nackten Haut vorbei und lässt –
nur noch mit dem Allernotwendigsten bedeckt – große Fackeln
effektvoll kreisen, so dass die Flammen lodern.
Ballett mit Shag,
Sergiy Mishchurenko, Catwall Acrobats
Nun wird uns die
Rückseite der großen Showtreppe präsentiert. Sie besteht aus
einer Wand mit Löchern darin. Aus diesen greifen unzählige Arme
lüstern nach der fast nackten Tänzerin, die vor der Wand steht.
Von der Oberseite der Treppe fasst auch Kontorsionist Shak nach
ihr. Noch ein intensives Erlebnis bietet der Auftritt von Sergiy
Mishchurenko am Flying Pole. Mal hält er sich nur mit einer
Hand, mal nur mit den Beinen an seinem kreisenden Requisit,
beweist in großer Höhe seine Kraft und Beweglichkeit – dies
zwischen rotierenden Lichtstrahlen und begleitet von sphärischem
Gesang. Mit einem Sprung an die Polestange, nur mit der Kraft
seiner Beine gefangen, beendet er den Auftritt. Seit Ohlala vom
Militärflughafen Dübendorf in das größere Zelt des
Weihnachtscircus „Salto“, ebenso aus dem Hause Gregory Knie,
umgezogen ist, sind die Shows noch stärker geworden. Und so
sorgt eine fünfköpfige, rein männliche Formation der Catwall
Acrobats für die Schlussnummer. Von der russischen Schaukel wird
in ein hohes Tuch geflogen, einschließlich Pirouettesprüngen und
mit Salti bis hin zum „Dreifachen“. Zudem bestaunen wir
komplette Überschläge mit der Schaukel, zunächst von einem
Artisten, dann von dreien gemeinsam. Der ganze Act wird von
mitreißender Musik begleitet. |