Und bei allen
Gegensätzen gibt es freilich auch Gemeinsamkeiten. So sorgt der
langjährige Knie-Mitarbeiter Patrick Rosseel nach seinem
offiziellen Eintritt in den Ruhestand für das tolle Licht bei
Stey. Zusammen mit Direktor Martin Stey ist er darüber hinaus
für die Programmregie verantwortlich. Seine Illuminationen
tragen wie die schwungvolle Musik des vierköpfigen Orchesters
unter der Leitung von Konstantin Cybizow zu einem gelungenen
Circusabend im angenehmen Ambiente bei. Und noch ein weiterer
Schweizer Circus darf hier erwähnt werden: Harlekin. Einige
Nummern aus dem aktuellen Stey-Programm waren dort in der
Vorsaison zu erleben. Doch das ist fürs Publikum vollkommen
unerheblich, denn die Reisegebiete der beiden Unternehmen
überschneiden sich nicht.
Simone Stey,
Sebi, Mikhail Hidei
Nach der Ouvertüre und
der Begrüßung durch Direktor Martin Stey gehört die Manege
seiner elfjährigen Tochter
Simone Stey. Seit Jahren wirkt sie in den Programmen mit, mal
mit kurzen akrobatischen Einlagen, mal im Rahmen der
Haustierdressuren. Nun hat sie sich erstmals eine ausführliche
Luftnummer im und am Netz erarbeitet. Damit debütierte sie 2023
bei Steys Weihnachtscircus im Pilatusmarkt in Luzern-Kriens undist
nun auch im Saisonprogramm 2024 vertreten. Eine
„Verjüngungskur“ hat die Show bei der Clownerie erfahren, denn
in den vergangenen beiden Jahren war der erfahrene Francesco Brunaud für die Komik zuständig. Nun sorgt Nachwuchsclown Sebi
van Gool für Heiterkeit, und dies auf gekonnte und sympathische
Weise. Der junge Mann gehört zur Direktionsfamilie des Genfer Weihnachtscircus. In seiner ersten Szene
zeigt er seine musikalische Seite und spielt „La Vie en Rose“,
dies zunächst auf einer fahrbaren Orgel und dann mit Glocken.
Das jüngste Mitglied der Familie Stey, Sohn Rolfi, steht im
Mittelpunkt der Dressurnummer mit sieben Ziegen. Seine Mutter
Mia assistiert ihm mit einem Augenzwinkern. Balkenlauf,
Reifensprung oder die Balance auf einer rollenden Tonne gehören
unter anderem zum Repertoire. Direkt im Anschluss wirkt Rolfi
auch in Sebis Reprise mit, die sich um ein verschlucktes rotes
Lichtlein dreht. Im Circus Harlekin hat Mikhail Hidei in einem
schönen Harlekin-Kostüm auf dem Schlappseil gearbeitet. Für Stey
wählt er ein Outfit mit Jeans, weißem Tanktop und rotem, offenen
Hemd sowie Hosenträgern und Schuhen in der gleichen Farbe.
Unverändert stark ist seine Arbeit. So sitzt er auf einem Stuhl
auf dem Seil und jongliert dabei mit fünf Ringen oder er
kombiniert seine Einradfahrt mit der Jonglage von vier Ringen
und lässt dabei noch zwei Teller auf einem Gestell rotieren,
welches er mit dem Mund hält.
Mia Stey,
Truppe Cheban, Sebi
Im amüsanten
Waschmaschinen-Entree wird Clown Sebi, hier im Dialog mit Martin
Stey, auf die Größe des kleinen Rolfi „geschrumpft“. Von Hause
aus klein sind die vier gescheckten Ponys, die Direktorin Mia
Stey zu ruhiger Musik in einer schönen Laufarbeit vorstellt.
Strahlend, charmant und gut gelaunt tritt sie auf. Mit ins
Publikum geworfenen Bällen wird der Aufbau des Requisits für die
Truppe Cheban überbrückt, die wir ebenfalls aus dem Circus
Harlekin kennen. Bis knapp unter die Kuppel reichen die gewagten
Sprünge der fünf Jungs von der russischen Schaukel, ob nun beim
Zweifachen mit Schraube, einem doppelten Rückwärtssalto oder dem
dreifachen Salto. Gelandet wird jeweils auf der Matte. Als
engagierter Dirigent möchte Sebi die Musiker des Orchesters
anleiten, doch die Herren wünschen eine Pause. Diese gilt
natürlich ebenso fürs Publikum, das nun Snacks und Erfrischungen
in der Restauration genießen darf.
Alina Malko,
Walery und Anastasiia, Rafael Gil
Auch Hälfte zwei
wird vom Orchester schwungvoll eröffnet, und dann folgen rockige
Klänge vom Band. Diese hat Alina Malko für ihren Act am Flying
Pole gewählt. Bei ihren Figuren am Requisit beweist sie Kraft,
Mut und Beweglichkeit. Nur mit den Händen hält sie sich an der
schnell rotierenden Stange, später fängt sie sich nach einem
Sprung vom Boden ans Requisit. Während der Interpretation von
Jacques Brels Chanson „Ne me quitte pas“ („Verlass mich nicht“)
jagt Clown Sebi dem Scheinwerferstrahl hinterher, der immer
wieder seine Position ändert und ihn damit im Dunkeln stehen
lässt – ein schöner, eher selten gespielter Klassiker der
Clownerie, der mit Soleils „Varekai“ weltbekannt wurde. Als
Lovestory gestaltet ist die Nummer von Walery und Anastasiia,
die auch im echten Leben ein Paar bilden. Die Geschichte dreht
sich um einen Flirt auf einer Parkbank. Dabei beeindruckt er sie
mit seinem Können auf dem BMX-Rad. Spektakulär ist
beispielsweise der Sprung von der rechten Armlehne zur linken,
über die komplette Länge der Bank, auf der sie ausgestreckt
liegt. Ebenso springt er auf dem Rad beispielsweise von der
Rückenlehne der Bank auf eine seitlich angebrachte Laterne.
Nicht nur wir haben stets große Freude an den Jonglagen von
Rafael Gil, auch Familie Stey schätzt ihn offenkundig sehr, denn
der junge Mexikaner ist hier bereits zum dritten Mal nach 2019
und 2020 engagiert. Fünf Keulen, vier Fußbälle und fünf kleine
Bälle kommen zum Einsatz; letztere werden in kleinen Netzen am
Gürtel gefangen – und dies alles mit viel Temperament,
jugendlicher Ausstrahlung und Lebensfreude. Den Abschluss bildet
die Jonglage mit vier Sombreros.
Maria Girda,
Direktion Mia und Martin Stey im Finale, Truppe Cheban
Einzig für seine
Interpretation des Kunstschützen-Entrees benötigt Sebi eine
Mitspielerin aus dem Publikum, auch dieses Szene wird charmant
und liebevoll dargeboten. Während Maria Girda ihre
Kostümillusionen 2023 im Circus Harlekin noch gemeinsam mit
Clown Mister Tomito zeigte, ist nun Schlappseil-Akrobat Mikhail
Hidei ihr neuer Assistent. Dabei begeistert sie auch mit recht
unkonventionellen Varianten des schnellen Kleiderwechsels,
beispielsweise hinter gefiederten Flügeln oder im Schutz einer
emporschießendenden Dampfsäule. Als Schlussnummer erleben wir
nochmals die Truppe Cheban. Dabei schlagen sie auf großen Reifen
sitzend Salti. Mal wird einer nach einem der Sprünge in einer
Hand-auf-Hand-Position gefangen, mal lässt sich einer von Reifen
zu Reifen katapultieren. Auch Seilspringen gehört zum
Repertoire, und schließlich schlägt einer der Artisten einen
Rückwärtssalto mit dem Reifen, der von zwei Kollegen in einer
Handvoltigen-Position gehalten wurde. Eine attraktive Darbietung
mit Seltenheitswert. |