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Zirkus Stey - Tour 2024
www.zirkus-stey.ch ; 120 Showfotos

Volketswil, 16. März 2024: Gleich zwei Schweizer Circusse feierten am Abend des 15. März ihre Saisonpremiere 2024: der National-Circus Knie am Stammsitz in Rapperswil, der Zirkus Stey keine 30 Kilometer entfernt in Volketswil. Was lag da näher, als die Besuche der beiden Unternehmen an einem Wochenende miteinander zu verbinden. Beide berufen sich auf ihre lange Tradition, und doch sind sie ganz verschieden. Knie bietet die ganz große Show in technisch höchst aufwendiger, moderner Verpackung. Stey setzt auf ein klassisches Nummernprogramm im familiären Rahmen.

Und bei allen Gegensätzen gibt es freilich auch Gemeinsamkeiten. So sorgt der langjährige Knie-Mitarbeiter Patrick Rosseel nach seinem offiziellen Eintritt in den Ruhestand für das tolle Licht bei Stey. Zusammen mit Direktor Martin Stey ist er darüber hinaus für die Programmregie verantwortlich. Seine Illuminationen tragen wie die schwungvolle Musik des vierköpfigen Orchesters unter der Leitung von Konstantin Cybizow zu einem gelungenen Circusabend im angenehmen Ambiente bei. Und noch ein weiterer Schweizer Circus darf hier erwähnt werden: Harlekin. Einige Nummern aus dem aktuellen Stey-Programm waren dort in der Vorsaison zu erleben. Doch das ist fürs Publikum vollkommen unerheblich, denn die Reisegebiete der beiden Unternehmen überschneiden sich nicht.


Simone Stey, Sebi, Mikhail Hidei

Nach der Ouvertüre und der Begrüßung durch Direktor Martin Stey gehört die Manege seiner elfjährigen Tochter Simone Stey. Seit Jahren wirkt sie in den Programmen mit, mal mit kurzen akrobatischen Einlagen, mal im Rahmen der Haustierdressuren. Nun hat sie sich erstmals eine ausführliche Luftnummer im und am Netz erarbeitet. Damit debütierte sie 2023 bei Steys Weihnachtscircus im Pilatusmarkt in Luzern-Kriens undist nun auch im Saisonprogramm 2024 vertreten. Eine „Verjüngungskur“ hat die Show bei der Clownerie erfahren, denn in den vergangenen beiden Jahren war der erfahrene Francesco Brunaud für die Komik zuständig. Nun sorgt Nachwuchsclown Sebi van Gool für Heiterkeit, und dies auf gekonnte und sympathische Weise. Der junge Mann gehört zur Direktionsfamilie des Genfer Weihnachtscircus. In seiner ersten Szene zeigt er seine musikalische Seite und spielt „La Vie en Rose“, dies zunächst auf einer fahrbaren Orgel und dann mit Glocken. Das jüngste Mitglied der Familie Stey, Sohn Rolfi, steht im Mittelpunkt der Dressurnummer mit sieben Ziegen. Seine Mutter Mia assistiert ihm mit einem Augenzwinkern. Balkenlauf, Reifensprung oder die Balance auf einer rollenden Tonne gehören unter anderem zum Repertoire. Direkt im Anschluss wirkt Rolfi auch in Sebis Reprise mit, die sich um ein verschlucktes rotes Lichtlein dreht. Im Circus Harlekin hat Mikhail Hidei in einem schönen Harlekin-Kostüm auf dem Schlappseil gearbeitet. Für Stey wählt er ein Outfit mit Jeans, weißem Tanktop und rotem, offenen Hemd sowie Hosenträgern und Schuhen in der gleichen Farbe. Unverändert stark ist seine Arbeit. So sitzt er auf einem Stuhl auf dem Seil und jongliert dabei mit fünf Ringen oder er kombiniert seine Einradfahrt mit der Jonglage von vier Ringen und lässt dabei noch zwei Teller auf einem Gestell rotieren, welches er mit dem Mund hält.


Mia Stey, Truppe Cheban, Sebi

Im amüsanten Waschmaschinen-Entree wird Clown Sebi, hier im Dialog mit Martin Stey, auf die Größe des kleinen Rolfi „geschrumpft“. Von Hause aus klein sind die vier gescheckten Ponys, die Direktorin Mia Stey zu ruhiger Musik in einer schönen Laufarbeit vorstellt. Strahlend, charmant und gut gelaunt tritt sie auf. Mit ins Publikum geworfenen Bällen wird der Aufbau des Requisits für die Truppe Cheban überbrückt, die wir ebenfalls aus dem Circus Harlekin kennen. Bis knapp unter die Kuppel reichen die gewagten Sprünge der fünf Jungs von der russischen Schaukel, ob nun beim Zweifachen mit Schraube, einem doppelten Rückwärtssalto oder dem dreifachen Salto. Gelandet wird jeweils auf der Matte. Als engagierter Dirigent möchte Sebi die Musiker des Orchesters anleiten, doch die Herren wünschen eine Pause. Diese gilt natürlich ebenso fürs Publikum, das nun Snacks und Erfrischungen in der Restauration genießen darf.


Alina Malko, Walery und Anastasiia, Rafael Gil

Auch Hälfte zwei wird vom Orchester schwungvoll eröffnet, und dann folgen rockige Klänge vom Band. Diese hat Alina Malko für ihren Act am Flying Pole gewählt. Bei ihren Figuren am Requisit beweist sie Kraft, Mut und Beweglichkeit. Nur mit den Händen hält sie sich an der schnell rotierenden Stange, später fängt sie sich nach einem Sprung vom Boden ans Requisit. Während der Interpretation von Jacques Brels Chanson „Ne me quitte pas“ („Verlass mich nicht“) jagt Clown Sebi dem Scheinwerferstrahl hinterher, der immer wieder seine Position ändert und ihn damit im Dunkeln stehen lässt – ein schöner, eher selten gespielter Klassiker der Clownerie, der mit Soleils „Varekai“ weltbekannt wurde. Als Lovestory gestaltet ist die Nummer von Walery und Anastasiia, die auch im echten Leben ein Paar bilden. Die Geschichte dreht sich um einen Flirt auf einer Parkbank. Dabei beeindruckt er sie mit seinem Können auf dem BMX-Rad. Spektakulär ist beispielsweise der Sprung von der rechten Armlehne zur linken, über die komplette Länge der Bank, auf der sie ausgestreckt liegt. Ebenso springt er auf dem Rad beispielsweise von der Rückenlehne der Bank auf eine seitlich angebrachte Laterne. Nicht nur wir haben stets große Freude an den Jonglagen von Rafael Gil, auch Familie Stey schätzt ihn offenkundig sehr, denn der junge Mexikaner ist hier bereits zum dritten Mal nach 2019 und 2020 engagiert. Fünf Keulen, vier Fußbälle und fünf kleine Bälle kommen zum Einsatz; letztere werden in kleinen Netzen am Gürtel gefangen – und dies alles mit viel Temperament, jugendlicher Ausstrahlung und Lebensfreude. Den Abschluss bildet die Jonglage mit vier Sombreros.


Maria Girda, Direktion Mia und Martin Stey im Finale, Truppe Cheban

Einzig für seine Interpretation des Kunstschützen-Entrees benötigt Sebi eine Mitspielerin aus dem Publikum, auch dieses Szene wird charmant und liebevoll dargeboten. Während Maria Girda ihre Kostümillusionen 2023 im Circus Harlekin noch gemeinsam mit Clown Mister Tomito zeigte, ist nun Schlappseil-Akrobat Mikhail Hidei ihr neuer Assistent. Dabei begeistert sie auch mit recht unkonventionellen Varianten des schnellen Kleiderwechsels, beispielsweise hinter gefiederten Flügeln oder im Schutz einer emporschießendenden Dampfsäule. Als Schlussnummer erleben wir nochmals die Truppe Cheban. Dabei schlagen sie auf großen Reifen sitzend Salti. Mal wird einer nach einem der Sprünge in einer Hand-auf-Hand-Position gefangen, mal lässt sich einer von Reifen zu Reifen katapultieren. Auch Seilspringen gehört zum Repertoire, und schließlich schlägt einer der Artisten einen Rückwärtssalto mit dem Reifen, der von zwei Kollegen in einer Handvoltigen-Position gehalten wurde. Eine attraktive Darbietung mit Seltenheitswert.

Im Finale spendet das Publikum geschlossen Standing Ovations für dieses schön zusammengestellte Programm mit durchweg guten artistischen Nummern, liebenswerter Clownerie und ansprechenden Tiernummern. Einfach gepflegter, stimmiger Circus, wie er uns gefällt und uns Jahr für Jahr als treue Stammbesucher in die Schweiz reisen lässt.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll