Seit 2019 wird der Name Barelli
wieder eingesetzt, doch es dauerte weitere fünf Jahre, bis man
sich wieder als Großcircus präsentierte. Nachdem bei der „Grand
Retour“ in Frankfurt zunächst das schöne, aber gemietete
Chapiteau des Nürnberger Weihnachtscircus / Circus Barnum von
Markus Kaiser genutzt wurde, steht seit Mitte August 2024 ein
neuer, wiederum eigener „Barelli-Palast“ zur Verfügung. Für einige Monate
war Gebrüder Barelli damit der einzige Circus in Deutschland,
der auf Tournee ein Spielzelt mit außen liegenden Bogenmasten
nutzt. So ist beste Sicht in allen Kategorien garantiert.
Inzwischen ist dies auch beim Circus Krone der Fall. Laut der
Website des Circus Gebrüder Barelli hat das neue Chapiteau einen
Durchmesser von 39 Metern und bietet im Inneren 1237 Sitzplätze,
dies auf bequemen Klappsitzen der neuesten Generation. Auf den
besten Plätzen sind diese gepolstert. Dank der weißen Zelthaut
mit roten Absetzungen sowie den blauen Schriftzügen mit dem
Unternehmensnamen – und natürlich den mächtigen, nachts
beleuchteten Metallgitterbögen – erinnert die Konstruktion
durchaus an die des Circus Knie in der Schweiz. Zu den
Unterschieden gehört die Rundkuppel an der Spitze.
  
Circus Gebrüder Barelli
auf der Talavera in Würzburg
Beim Gastspiel auf dem Festplatz
Talavera in Würzburg wird der Familie Spindler leider nur ein
kleinerer Teil der riesigen Fläche überlassen, weshalb nicht
optimal aufgebaut werden kann. So kommt hier das herkömmliche,
zweimastige Vorzelt zum Einsatz und muss auf die neuere Version
verzichtet werden. Diese wurde erstmals bei der vorangegangenen
Tourneestation Böblingen aufgebaut und wird auch beim folgenden
Stopp in Mannheim errichtet. In schon verschwenderischer Weise
hängt dieses Zelt wie das Chapiteau unter zwei, natürlich
kleineren Gitterbögen und ist ansonsten in seiner Form offenbar
an das bei Roncalli angelehnt. Ohnehin war und ist Roncalli stets eine
Inspiration für die Familie Spindler. Wir denken an die Kasse
mit den Fenster-Ornamenten an den vier Schaltern, an den
Bürowagen mit seiner Veranda, beide in herrlich restaurierten
Holzschindelwagen untergebracht, sowie an den sehr edlen,
hölzernen Frontzaun mit seinen Lichterbögen und Laternen.
Aufgrund der eng begrenzten Fläche ist hier nur ein kleiner Teil
der nostalgischen Fahrzeugflotte ausgestellt, die wir vor
Jahresfrist in Frankfurt bewundert haben. Platz gefunden hat
immerhin ein zusätzliches Zelt, an der Vorderseite offen, das
ein kleines Circusmuseum beinhaltet. Was nicht zum selbst
gesetzten Anspruch des „schönsten Circus des Universums“ passt,
ist dagegen der gemietete Toilettenwagen.
  
Harry Barelli, Trupple Robles, Pieric
Blickfang im Chapiteau ist der wunderschöne Artisteneingang, der
noch aus den Zeiten des „alten“ Circus Barelli bekannt ist.
Gegenüber dem Frankfurt-Gastspiel 2024 ist sein Baldachin-Dach
nun vollständig wieder hergestellt, der nicht mehr passende „STARS“-Schriftzug
an der Front entfernt. Auf dem Podium findet das achtköpfige
Orchester seinen Platz, welches – von der Illusionsshow
abgesehen – die gesamte Vorstellung mit herrlicher, schwungvoll
gespielter Livemusik begleitet. Das Licht hängt an zwei
Ringtraversen unter der Zeltkuppel. Zur Eröffnung hören wir wiederum
die aus Off eingespielte Geschichte, wie Timmy Barelli in
dreijähriger Arbeit seinen Traumcircus geschaffen hat. Das
Impressum der Barelli-Website weist ihn nun als Geschäftsleiter
aus, seine Nichte Ashley als Inhaberin des Unternehmens. Zur
Begrüßung des Publikums kommen zunächst die Gebrüder Franz und
Timmy, dann ihr Vater Harry Barelli in die Manege. Dort fallen
sich die drei Herren in die Arme. Die stärkste Nummer dieses
Programms ist gleich zur Eröffnung platziert: Die Truppe Robles
ist von Charles Knie zu Barelli gewechselt und präsentiert hier
nun ihre erstklassige Hochseilnummer. Zum Salto-Mortale-Marsch
betritt das Septett die Spielfläche. Dreifacher Spagat der
Damen, Sprünge über einen und über zwei auf dem Seil kauernde
Partner, Dreierpyramide mit zwei Fahrrädern und freiem Stand auf
dem Stuhl, Zwei-Personen-Hoch, Bocksprung und die legendäre,
sicher ausgeführte Siebener-Pyramide werden präsentiert. Zu den
ganz prominenten Verpflichtungen im Ensemble gehört auch Clown
Pieric, der in seinem ersten Auftritt einen langen Stab
vielfältig einsetzt: wie eine Querflöte, wie ein Steckenpferd, wie ein Fernglas und dann ganz real als Blasrohr, mit dem er
eine Feder in die Luft pustet und sie auf seinem Kopf
fängt.
 
Franz und Timmy Barelli
Beim „alten“ Circus Barelli waren die hauseigenen Tiernummern
stets Glanzpunkte im Programm. Unvergessen sind beispielsweise
die viel zu früh verstorbene Rolina Barelli mit ihrem
braun-weißen Achterzug Araberpferde, Harry Barelli mit bis zu
zwölf Friesen oder auch Franz Barelli mit Nilpferd und Giraffe.
Umso erfreulicher, dass die Familie Barelli nun wieder eine
größere Dressurdarbietung präsentiert. Franz Barelli stellt
zunächst sechs Kamele mit Prunkdecken vor, im Anschluss jeweils
drei Kamele und Schimmel unter anderen im Gegenlauf und mit
Pirouetten. Dazwischen haben Ashley Barelli und eine Artistin
ihren Auftritt als orientalische Tänzerinnen in wunderbaren
Kostümen. Die gesamte Nummer macht Lust auf neue
Dressurschöpfungen der Familie. Ein echter Barelli-Klassiker und auch nach Jahrzehnten immer wieder
amüsant ist die Reprise um die „Eintrittskarte“, die Timmy Barelli mit seinem Vater als seriösem Part spielt.
  
Gebrüder Tonitos, Antony Barelli, Milena
Nach der starken Hochseilnummer zu Beginn ist es nicht unbedingt
ideal, als zweiten artistischen Act eine Drahtseilnummer
zu zeigen. Die Gebrüder Tonitos beginnen ihren Auftritt mit
einem Fechtduell auf dem gespannten Seil. Seilspringen und
verschiedene Sprünge folgen, unter anderem über eine mit Messern
gespickte Barriere. Von „Un Dos Tres“ bis „Eviva Espana“
reicht die stimmungsvolle musikalische Begleitung. Dass das
Musizieren in der Manege verboten ist, muss dagegen Antony
Barelli erfahren, Sohn von Franz und jüngster Spross der
Familie. Seine Trompete findet den Weg in eine Mülltonne, dies
unter den strengen Augen seines Vaters und von Pieric. Doch
natürlich hat sie dennoch Töne. Aus der Schweiz kommt die junge
Artistin Milena, die zur Melodie von „Purple Rain“ und im
violetten Licht Equilibristik auf drei Handstäben präsentiert.
Dabei überzeugt sie mit ihren eleganten, fließenden Bewegungen.
  
Salima Folco-Barelli, Francesco und Ashley Barelli
Die nächste starke Frau im Programm ist Salima Folco-Barelli,
die ihre bekannte Tüchernummer arbeitet. Auf verschiedene Posen
an den still hängenden Tüchern folgen Passagen, bei denen sie im
Kreis über dem Manegenrund fliegt. Eine Nummer, die es schon zu
damaligen Barelli-Glanzzeiten gab und die entsprechende
Erinnerungen weckt. Mit einem effektvollen Abfaller in einen
Blackout hinein findet sie ihren Abschluss. Mit einer weiteren
Reprise von Pieric im Zusammenspiel mit Franz Spindler wird zu
den formidablen Bouncing-Jonglagen von Francesco Barelli
übergeleitet, die wiederum als Pausennummer dient. Der
14-Jährige agiert in seinem dunklen Anzug mit Krawatte wie ein
Großer und lässt erst drei, dann fünf Bälle gegen den Boden
springen und fängt sie wieder. Dies alles, während er die Treppe
des Requisits hinunter geht, sich oben hinkniet oder Pirouetten
dreht. Hinzu kommen Touren in die Luft. Auch die Ausstrahlung
stimmt. Zum Abschluss präsentiert Francesco fehlerfrei Bouncings
mit sieben Bällen. Eine starke Leistung! Seine Cousine Ashley
Barelli eröffnet später die zweite Hälfte des Programms. Ihre
Hula-Hoop-Nummer lebt vor allem von der äußerst
temperamentvollen Präsentation der sympathischen jungen Dame mit
langen blonden Haaren und schönem gelben Kleid. Für zusätzliche
Effekte bei ihrem Auftritt sorgt ein flaches Holzpodium, aus dem
Lichter nach oben strahlen und das rundherum mit LED-Birnen
bestückt ist. Letztendlich lässt sie zu Latin-Hits vier Reifen um
ihre Arme und einen fünften um die Knie kreisen, abschließend
noch ein ganzes Bündel Reifen um den Körper.
  
Alfons Wille-Busch, Ramona
Barelli, Pieric
Eine große Überraschung erwartet uns nun: Statt der üblichen
Clownsszene mit Timmy Barelli erleben wir an diesem Abend einen
einmaligen Gastauftritt von Jung-Komiker Alfons Wille-Busch. Er
hat mit Timmy Barelli, dem Cousin seines Vaters Manuel Wille,
gewettet, dass er einen Clown im „mexikanischen Stil“ geben
kann, à la Chistirrin oder Pastelito junior. Und das gelingt ihm
gut, mit schwarzer, langer Perücke und einem temperamentvollen,
hektisch-überdrehten Auftreten, wie es von seinen Vorbildern
bekannt ist. Dabei spielt er mit Franz Barelli
seine Szene aus dem vorvergangenen Great Christmas Circus
Frankfurt, angelehnt
an „Das Musizieren ist hier verboten“. Dass er es beherrscht,
beweist er an Keyboard und Trompete. Auch seine gesanglichen
Fähigkeiten demonstriert der talentierte junge Mann. Der
Newcomer wird abgelöst von einem jahrzehntelang erfahrenen
Spaßmacher: Noch einmal erfreuen wir uns an Pieric, der seinem
Esel die Gehörgänge reinigt, dies mit einem Tuch scheinbar zum
linken Ohr herein und zum rechten wieder heraus. Von ihrem Vater
Harry übernommen hat Ramona Barelli die Vorführung des
Solo-Friesen „Zorro“. Dies gelingt ihr auf charmante, elegante
Weise. Unter anderem zeigt das Tier den spanischen Tritt, macht
einen Knicks und streckt den Kopf zwischen den auf einem Podest
platzierten Vorderbeinen durch. Mit einem vorwärts steigenden
Pony als Da Capo findet die Nummer ihren Abschluss. Das Thema
greift Pieric in seinem letzten Auftritt auf. Er „reitet“ mit
einer Pferdefigur. Ein Kind aus dem Publikum darf mit aufsitzen,
bis hin zum Steigen dieses „Rosses“.
  
Tonitos, Jackson, Finale mit u.a.
Antony Barelli
Sehr offensiv verkauft Kevin Tonitos seine Illusionsshow. Da
erscheinen seine Assistentinnen – sie stammen aus der Familie,
aber auch aus der Truppe Robles – aus einem vermeintlich leeren
Käfig oder werden zum Schein von Speeren durchbohrt. Der Magier
und eine der Damen wechseln ihre Plätze in einer verschlossen
wirkenden Box. Von Jidinis kennen wir die ungewöhnliche Illusion
mit geheimnisvollen Platzwechseln unter Tüchern. Mit der
Vorstellung des Orchesters wird der Aufbau des Todesrades
überbrückt. Erstmals sehen wir diese Disziplin mit einem Duo aus
dem Hause Robles. Truppenchef Julio Robles persönlich läuft in
einem der beiden Kessel, Partner Jackson übernimmt die Tricks
auf der Außenseite des gegenüberliegenden Kessels. Bei
Aufschwüngen außen am Rad, Blindlauf, Seilspringen und hohen
Sprüngen demonstriert er Wagemut und Können.
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