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Circus Knie - Tour 2025
www.knie.ch ; 235 Showfotos

Rapperswil, 7. März 2025: Natürlich zeigt der Circus Knie jedes Jahr ein komplett neues Programm. Das war in der Geschichte des Schweizer National-Circus nie anders und ergibt sich schon durch den jährlich wiederkehrenden Tourneerhythmus. 2025 ist da keine Ausnahme. Doch die neue Produktion unter dem Titel „It`s Magical!“ ist ganz besonders. Extrem innovativ, technisch auf dem neuesten Stand, äußerst harmonisch, auffallend stark besetzt und sehr aufwendig. Zum ersten Mal seit 1978 erleben wir in der Knie-Manege Großillusionen. Dafür fehlt in diesem Jahr die traditionelle Pferdefreiheit.

Trotzdem ist die Show wieder mehr dem klassischen Circus zugewandt als dies zuletzt der Fall war. Die erste Hälfte wird auf Holzboden und Sägemehl gespielt, die zweite auf einer leicht erhöhten LED-Bühne. Das recht sperrige Herein- und Herausfahren eines großen Podiums während der laufenden Vorstellung bleibt der Technikcrew (und dem Publikum) erspart. Die Kinetic Lights hängen während der gesamten Show unter der Kuppel und werden für ihre Einsätze herabgelassen sowie in Bewegung versetzt.


Szene aus dem Opening mit Maycol Knie junior

So etwa gleich beim Opening. Maycol Knie junior betritt im Outfit eines „Greatest Showman“ die Manege und begibt sich zwischen diese beleuchteten Kugeln, die an Fäden hängen. Daraufhin schickt er sie wieder nach oben, wo sie – wie von magischer Hand gesteuert – verschiedene, dynamische Ornamente, ja Kunstwerke bilden. Dazu wabert am Boden Kunstnebel, Lasereffekte unterstützen die fantastische Atmosphäre. Vom Artisteneingang nähern sich die Bingo-Artisten und -Tänzer. In einem wahren Rausch in Gold und Weiß zeigen sie ihre energiegeladenen Moves sowie akrobatischen Fähigkeiten. Ein weibliches Quartett fliegt an Bungeeseilen durch die Luft und lenkt so die Blicke wieder auf die Kinetic Lights. Myacol junior erhält Gesellschaft von der Sängerin und Clown Chistirrin. Priscilla Errani zeigt einen kurzen Ausschnitt aus ihrer Hula-Hoop-Nummer. Die Jungs von der Urban Crew komplettieren das Bild. Letztendlich erleben wir eine Art Charivari, in dem sich ein guter Teil des Ensembles vorstellt. Dies in aufeinander abgestimmten, traumhaften Kostümen. Ein Auftakt, der einen komplett aus dem Alltag reißt und unweigerlich in die Welt des Circus entführt. Die viel zitierten Glücksgefühle sind von Anfang an da. Beeindruckend auch die Anzahl der Mitwirkenden. In Summe spricht das Programmheft von 63 Artistinnen und Artisten aus 13 Ländern.


Hng Thean Leong, Mike Müller

Einer davon ist Hng Thean Leong, dem sodann das Scheinwerferlicht – und damit die Aufmerksamkeit des Publikums – ganz alleine gehört. Mit seinen außergewöhnlichen Diabolo-Jonglagen gewann er Gold beim Salieri Circus Award, bei Young Stage und beim Cirque de Demain. Zumeist arbeitet der Meisterartist aus Malaysia mit zwei Sets aus Handstäben mit Schnur dazwischen gleichzeitig. Zunächst schickt er damit eine Doppelspule auf nie gesehene Flugbahnen. Diese nimmt ihren Weg durch die Luft, um auf wunderbare Weise wieder zu Hng Thean Leong zurückzufinden. Das Ganze ungeheuer dynamisch und schwer zu beschreiben. Man muss es einfach mit eigenen Augen sehen. Am Ende hält er drei Diabolos gleichzeitig in der Luft. Entschleunigung bringt der erste Auftritt von Mike Müller. Wir kennen den Komiker noch aus dem Jubiläumsjahr 2019, wo er gemeinsam mit Viktor Giacobbo zu erleben war. Letzterer ist nur in ausgewählten Städten dabei, Müller in allen Abendshows. Darin hat er insgesamt vier Auftritte. Zwei davon als Landwirt. In dieser Rolle spricht er über Hof, Tiere und Job. Einem kleinen Hund hat er Kunststücke beigebracht, die dieser gegen Belohnung in Form von Würstchen gerne zeigt. Thematisch ist auch ein kleiner Ausflug in die Politik dabei. Vor der Pause animiert Mike Müller im Anzug das Publikum zum Mitmachen. Am meisten überzeugen uns aber die Szenen zu Beginn von Teil zwei. Als farbenfroh gekleidete Dame mit Luftballon in der Hand betritt er das Chapiteau und wähnt sich in einer Überraschungsparty zu Ehren seines Geburtstags. Hinreißend gespielt und mit einem Feuerwerk an Gags, die man auch ohne Kenntnis des Schweizer Tagesgeschehens versteht. Da werden Familiengeschichten aufgetischt und alte Bekannte unter den Zuschauern herzlich begrüßt. Wunderbarer Humor sorgt für befreiendes Lachen. Mithilfe eines Blumenstraußes komplimentiert Ivan Frédéric Knie die Dame nach draußen.


Vincent Vignaud, Chistirrin, Duo Acero

1978 verzauberten Lee Pee Ville & the Magic Company die Gäste des Circus Knie. Nun sorgt Vincent Vignaud mit seinen Girls für das große Staunen. Quasi aus dem Nichts erscheint der Franzose auf einem Motorrad. Wir sehen einen rundum verglasten Käfig. Eben noch war er leer, Vorhang zu, Vorhang auf – und schon stehen vier Frauen darin. Das Verschwinden aus einer unter die Kuppel gezogenen Kiste hat man schon zig mal gesehen. Aber nicht so. Nicht so spektakulär, nicht so aufwendig, nicht so originell. Auch hier gilt: man muss es selbst erleben. Vincent Vignauds Großillusionen gehören zum Besten, was man derzeit in diesem Genre in einer Manege sehen kann. Zu den genialen Tricks kommen wunderschöne Kostüme und ein professionelles Auftreten, das bei aller dramatischen Inszenierung ungeheuer sympathisch wirkt. Die Sympathien des Publikums erobert natürlich auch Chistirrin im Sturm. Nach bislang kürzeren Gastspielen bei Knie darf der Clown aus Mexiko 2025 die gesamte Tournee (bis auf Luzern) für Lachen sorgen. In den Abendvorstellungen bleibt es bei einem größeren Auftritt. Die Saxofonistin ist seine strenge Gegenspielerin, bis die beiden am Ende ein Duo auf diesem Instrument wagen. Doch auch die Titanic-Interpretation nimmt ihre ganz eigene Wendung. Dazwischen gibt es Jonglage, Slapstick und Chistirrin als Muskelkerl. Wunderbar kindlich-extrovertiert gespielt. Nachmittags, wenn Mike Müller nicht im Programm ist, bekommt Chistirrin mehr Raum. Aus Brasilien und Kolumbien stammt das Duo Acero. Giselle Souza und Edison Acero sehen blendend aus und verstehen es, ihre Kunst äußerst gewinnend zu verkaufen. Dafür benötigen sie einen Chinesischen Mast, den sie mit großer Leichtigkeit erklimmen und noch entspannter wieder hinunterkommen. Kern ihrer Kür sind aber die faszinierenden Haltefiguren. Edison hält sich kopfüber mit den Oberschenkeln an der Stange fest, während Giselle auf seinen Armen einen Handstand vollführt. Einen Handstand zeigt sie ebenfalls auf dem Oberkörper ihres Partners, während sich dieser im rechten Winkel vom Pole abdrückt. Für einen Trick übernimmt auch Giselle den tragenden Part. Starke Akrobatik wird mit südamerikanischer Lebensfreude präsentiert.


Truppe Skokov, Duo Disar

In einem Aufgang des Gradins lässt es Vincent Vignaud schneien und ermöglicht einer Partnerin in Windeseile einen Kostümwechsel. Eine Treppe weiter will Chistirrin es ihm gleich tun. Mithilfe eines Zuschauers entsteht hier eine ganz eigene Magie. In der Manege wurde derweil eine doppelte Russische Schaukel aufgebaut. Daran zeigen sieben Damen in langen blauen Kleidern traumhafte Flüge. Ihre in eine fantastische Choreografie eingebundenen Sprünge landen sie auf einer Matte oder auf der gegenüberliegenden Schaukel. 2018 war die Truppe Skokov erstmalig beim Schweizer National-Circus. Schön, diese einzigartige Darbietung hier noch einmal erleben zu können. Natürlich ist auch wieder der Sprung „über Kreuz“ zu sehen. Ab dem Gastspiel in Solothurn wird eine andere Formation aus dem gleichen Genre in der Show sein. Während des folgenden Umbaus ziehen Menschen in Kutten und mit großen Kerzen durch das Chapiteau. Es sind unwahrscheinlich viele Personen, sodass sich ein imposantes Bild ergibt. Wirklich extrem beeindruckend. Sie treffen sich auf der Spielfläche, bilden einen Kreis, stellen die Kerzen auf der Piste ab und verabschieden sich durch den Artisteneingang. Welch ein Intro! Es ist das Intro für das Duo Disar, welches in seiner Luftnummer an den Strapaten Zahn- und Zopfhang in bislang nicht gekannter Weise kombiniert. Gleich in der ersten Sequenz hält er sie mit den Zähnen fest, während sie selbst mit dem Gebiss an einem kleinen Verbindungsstück hängt. Beim Schlusstrick übernimmt sie dann die obere Position. Im Zopfhang schwebt sie unter der Kuppel, an einer Schlaufe an einem ihrer Füße hält sich ihr Partner mit den Zähnen fest. 2024 gab es für das Paar aus Usbekistan einen Silbernen Clown in Monte Carlo. Abgerundet wird diese dramatische Liebesgeschichte durch ein traumhaftes Licht und das von der Sängerin intonierte Lied „It's all coming back to me now“.


Chanel Marie Knie, Maycol Knie junior, Ivan Frédéric Knie

Chistirrin treibt seine Späße im Zuschauerraum und schon ist der Holzboden in der Manege verschwunden. Das nun freigegebene Sägemehl wird für das große Tableau der achten Generation der Familie Knie benötigt. Es beginnt Chanel Marie. Auf Schimmel Laureus reitet die junge Dame eine Hohe Schule. Das tut sie für ihre 14 Jahre beeindruckend gekonnt, stilvoll und souverän. Die verschiedensten Schrittfolgen präsentiert sie in einem harmonischen Ablauf, als wäre es ganz einfach. Natürlich steckt dahinter ein aufwendiges Training. Die Kinetic Lights werden eingesetzt und sorgen für wunderschöne Effekte. Auf zwei Friesen stehend kommt Ivan Frédéric herein, nach gemeinsamen Runden verlässt Chanel Marie die Szenerie und Ivan beginnt seine Stehendreiterei. Zunächst lässt er einen dritten Friesen unter sich hindurchlaufen, dann als Überraschung seinen Bruder Maycol junior, der auf einem Pony reitet. Der jüngste Sohn von Géraldine Knie und Maycol Errani erobert so die Herzen der Zuschauer im Handumdrehen. Es folgt die eigentliche Ungarische Post, bei der Ivan am Ende 15 Vorauspferde an langen Bändern hält, die er zuvor einzeln aufgenommen hat. In der Mitte dirigiert Wioris Errani das rasante Geschehen. Frenetischer Applaus, stehende Ovationen, als sich das Geschwistertrio anschließend gemeinsam verabschiedet. Nach einer Einlage von Mike Müller geht es in de Pause.


Opening Teil 2, Zhejiang Folk Art & Acrobatics General Troupe, Urban Crew

Danach ist die LED-Bühne aufgebaut. Sie bedeckt einen Großteil der Manege und ist etwas höher als die Piste. Auf ihrer Oberfläche erleben wir die Ausspielung animierter Grafiken. Es entstehen wahre Kunstwerke, die als Untergrund für die jeweiligen Auftritte dienen. Eindrucksvoll werden sie gleich beim Opening des zweiten Teils eingesetzt. Es ist ein Traum in Weiß, bei dem die Bingo-Formation Partnerakrobatik, Luftartistik und Tanz in einer Choreografie vereint. Viele Details werden liebevoll integriert. Danach lässt Vincent Vignaud eine Frau schweben. Es scheint tatsächlich so, dass die Dame ohne jede Hilfe waagerecht im Raum liegt. Ein Feuerreifen, mit dem der Magier ihren Körper umschließt, verstärkt den Eindruck. Drei Paare aus dem Bingo-Ensemble in historischen Kostümen mit Schirmen bilden den ungemein stilvollen Rahmen für das Duo der Zhejiang Folk Art & Acrobatics General Troupe. Die Hauptakteure verbinden Hand-auf-Handakrobatik mit Antipodenspielen. Sprich, er balanciert sie in akrobatischen Posen, während sie mit den Füßen historische Schirme jongliert. Gleich fünf davon hält sie am Ende gleichzeitig in Bewegung. Es sind extrem anspruchsvolle Tricks, die das Auge des Publikums verwöhnen. Die LED-Bühne rundet den Ausflug nach China ab. Noch zweimal geht es vor dem Finale nach Asien. Direkt im Anschluss erleben wir die Urban Crew von den Philippinen. Mehr Lebensfreude, mehr Ausgelassenheit geht kaum. Die Jungs haben einen umwerfenden Charme und eine nicht enden wollende Energie. Sie verbinden Tanz, Akrobatik und Parkour. Ständig begeistern sie mit neuen Aktionen, in die sie auch Reifen einbeziehen. Ihre Moves sind elektrisierend, ihre Artistik richtig stark. Auch hier wieder ein neuartiges Erlebnis für eine Circusshow. Eines, das wahnsinnig viel Spaß macht. Zwischendurch erleben wir eine kurze Lasershow.


Svyatoslav Rasshivkin, UniCircle Flow

Der Earth Song von Michael Jackson bildet den Soundtrack für die Kür an den Strapaten von Svyatoslav Rasshivkin. Wenngleich sich diese natürlich zum größten Teil unter der Kuppel abspielt, nimmt der jugendliche Artist ein Bad in den Kinetic Lights. Immer wieder taucht er in dieses „schwebende Lichtermeer“ ab, welches sich in immer neuen Gebilden präsentiert. Alleine schon dafür zu sorgen, dass sich die Seile der Lichter und der Strapaten nicht verheddern, muss eine anspruchsvolle Aufgabe sein. Natürlich findet sie im Verborgenen statt. Das Publikum darf sich an starker Akrobatik mit wundervollen Effekten erfreuen. Ganz cool hält sich Svyatoslav Rasshivkin im Spagat in der Luft, seine Füße in Schlaufen am Ende der Bänder, die Hände frei in der Luft. Auch energiegeladene Umschwünge absolviert er, neben vielen weiteren Tricks, mit scheinbarer Leichtigkeit. Mit traumhaften Bildern verwöhnt uns auch die Schlussnummer. Unter dem Titel UniCircle Flow kreisen acht Japanerinnen auf Einrädern über die Bühne. Sie tun dies in roten Gewändern mit langen Röcken. Schon dadurch wird eine wunderschöne Wirkung erzielt. Ganz so, als würden sich Kreisel drehen. In immer wieder anderen Formationen kreiert das Oktett ständig neue lebende Kunstwerke voller Dynamik. Ständig sind die Artistinnen in Bewegung, immer nehmen sie auf ihren Rädern gemeinsam neue Wege. Alles ist minutiös abgestimmt, läuft wie am Schnürchen ab. Auch hier wird die LED-Bühne wieder nutzenstiftend eingesetzt. Zum Finale tragen die Bingo-Mitglieder und die philippinischen Tänzern neue hinreißende Kostüme im Grundton Weiß. Die Artisten werden auf einer dreistöckigen Bühne hereingefahren. Noch einmal geben alle alles, es ist eine einzige Party. Es wird getanzt, es gibt Zugaben, das Publikum spendiert minutenlange Standing Ovations. Die Abschiedsworte spricht, begleitet von ihren Kindern, Géraldine Knie.

Der artistischen Direktorin gebührt der größte Dank für diese geniale Show. Sie ist der kreative Kopf dieser Meisterleistung, die natürlich nur mit einem Team möglich ist. Stellvertretend seien hier ihr Ehemann Maycol Errani als technischer Direktor, Lichtdesigner Axel Melchior und Orchesterchef Ruslan Fil genannt. Eine funktionierende Administration bildet das Rückgrat. Dafür zeichnet Doris Knie verantwortlich. Das diesjährige Programm des Circus Knie ist wirklich magisch. Traumhaft besetzt und bis in jedes Detail liebevoll inszeniert. Die großen Bilder stimmen genauso wie die kleinen Zwischenspiele. Das Ensemble ist eindrucksvoll, es kommt nicht eine Sekunde Langeweile auf. Aufwendige Umbauten wurden gegenüber den letzten Jahren deutlich reduziert. Trotzdem ist die Produktion technisch up to date, wahnsinnig innovativ und kreativ. Sie schenkt ihren Gästen einfach eine irrsinnig große Portion Lebensfreude. Der Schweizer National-Circus ist 2025 einmal mehr das Maß aller Dinge! Chapeau!

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Text und Fotos: Stefan Gierisch