Fangen wir
beim Material an. Mein erster Besuch im damals „größten Circus
Europas“ muss ungefähr 1980 gewesen sein. Die grundlegende Optik
hat sich seitdem nicht verändert. Das blaue, langgezogene
Chapiteau wurde von vier Hauptmasten getragen und von
Sturmstangen gestützt. Die Rundleinwand war blau-weiß gestreift.
Im Inneren gab es einen breiten, ebenerdigen Haupteingang. Logen
und Gradin waren durch eine Gasse getrennt. Die Sitzeinrichtung
hatte damals 5.600 Plätze auf Einzelstühlen und Bänken. Das war
grundsätzlich bis 2024 so. Die Masten im Inneren wurden ebenso
reduziert wie die Anzahl der Sitzplätze, eine zweite
Logenkategorie kam hinzu. Natürlich wurde das Material im Laufe
der Jahre immer wieder erneuert. Es blieb aber beim vertrauten
Gesamtbild.

Das
neue „Megazelt“ auf der Theresienwiese in München
Auch das
neue Chapiteau hat eine blaue Zeltplane und eine blau-weiße
Rundleinwand. Das ist es dann aber auch schon mit den
Gemeinsamkeiten. Getragen wird der imposante Palast von zwei
Gitterrohrbögen, die sich über die Außenhaut spannen. Hinzu
kommen jeweils zwei innenliegende Masten im vorderen und
hinteren Bereich. In Summe hat die Konstruktion acht Spitzen. In
der Mitte gibt es eine langgezogene Kuppel. Am ersten Bogen
hängt ein beleuchteter Schriftzug mit den Logo des Unternehmens.
Über 3 Millionen Euro hat sich der Circus Krone diese
Sonderanfertigung kosten lassen. Sie ist 84 Meter lang und 57
Meter breit. Die Kuppel hängt in 17 Metern Höhe, das Dach
überspannt eine Fläche von 3.200 Quadratmetern. Soweit einige
Zahlen aus dem Programmheft, in dem der reisende Bau als das
„größte reisende Circuszelt der Welt“ bezeichnet wird. In der
Medienarbeit zur Premiere hat sich dann der Begriff „Megazelt“
etabliert. Absolut nachvollziehbar, denn die Optik ist extrem
beeindruckend.

Blick
in den Zuschauerraum
Was von
außen gigantisch wirkt, gestaltet sich im Inneren als
überraschend kompakt. Denn das Interieur ist in mehrere Bereiche
untergliedert, von denen zwei für den Zuschauer zugänglich sind.
Durch die leicht angepasste Fassade und den überdachten
Verbindungsgang geht es in den ersten Abschnitt des Chapiteaus,
die Gastronomie. Der Blick fällt zunächst auf einen Balkon und
zwei prachtvolle, geschwungene Treppen mit beleuchteten Stufen,
die zu den Balkonlogen führen. Darauf befindet sich der
Container für die Licht- und Tonregie. Auch die Verkaufsstände
für Gastronomie und Souvenirs sind eher zweckmäßig gehalten.
Hier soll es noch Anpassungen geben. Wir betreten den
Zuschauerraum durch den Mittelgang, der im Vergleich zu früher
schmal und erhöht ist, eine Rampe führt hinauf. Dann eröffnet
sich die ganze Pracht des zentralen Parts. Zunächst fällt der
Blick auf den von den letzten Saisons bekannten Artisteneingang.
Dann auf das Gradin. Es bietet Platz für 2.000 Zuschauer. Diese
sitzen auf gepolsterten Klappsitzen der Premiumklasse. Die
Plätze sind von der ersten Reihe an ansteigend. Zudem so
geschickt angeordnet, dass eine optimale Sicht gewährleistet
ist. Alle Böden sind mit Platten ausgelegt. Auf staubigem
Asphalt oder einer Wiese muss hier keiner gehen. Die Balkonlogen
sind nicht umlaufend, sondern befinden sich nur im mittleren
Teil. Störende Masten gibt es logischerweise nicht, das Gros der
Scheinwerfer hängt an vier Traversen direkt unter dem Zeltdach
sowie entlang der Rundleinwand. Diesen Anblick muss man erstmal
sacken lassen. Ein extrem ansprechendes Ambiente, größer könnte
der Kontrast zum bisherigen Krone-Chapiteau kaum sein.

Opening
mit Bingo
Kommen wir
nun zur Vorstellung. Auch diese ist komplett neu, sowohl was die
Besetzung als auch was die Machart angeht. 2018 erlebten wir
letztmalig den traditionellen Krone-Stil mit Showtreppe, Ballett
im Revuestil und einem großen klassischen Circusprogramm. Im
folgende Jahr kam mit der Produktion „Mandana“ ein
einschneidender Wechsel. Mit neuem Artisteneingang, einer
durchgehenden Inszenierung, prachtvollen Kostümen und
künstlerischem Anspruch. Nach der Covid-bedingten Zwangspause
ging es dann im Sommer 2022 mit einer Neuproduktion von „Mandana“
unter dem Titel „Stars in der Manege“ weiter. In diesem Frühjahr
wurde der Anspruch ausgerufen, den Stil der Programme im
Kronebau auf die Show der Sommersaison zu übertragen. Dazu
passend wurde das Motto „Farbenspiel“ der Produktion 2023/24 im
Stammhaus übernommen. Dies ergänzt um den Zusatz „Gold Edition“.
Der mag in München als Abgrenzung zu eben jenem Winterprogramm
Sinn machen, in Schrobenhausen und den weiteren Tourstationen
stiftet er keinen erkennbaren Mehrwert.
 
Fumagalli, Orchester unter der Leitung von Rafael Wojaczek
Die Show
beginnt mit einem bestens bekannten Gesicht: Fumagalli betritt
im roten Livree das Scheinwerferlicht. Im vergangenen Jahr wurde
noch über seinen Abschied aus der Manege nach dem Kölner
Weihnachtscircus 2024/25 berichtet, nun steht der berühmte Clown
wie eh und je im roten Ring. In seinem ersten Auftritt gibt er
den komischen Dirigent. Das ist eine wunderbare Idee. Nicht nur,
weil es ein origineller Auftakt ist, sondern weil so auch gleich
das Orchester vorgestellt wird. Glücklicherweise gibt es bei
Krone wieder Livemusik. Rafael Wojaczek und seine Musiker waren
bereits beim letzten Würzburger Weihnachtscircus zu hören. Nun
thronen sie über der Gardine und begleiten die meisten
Darbietungen mit ihrem wunderbaren Spiel. Nach den
Begrüßungsworten von Ringmaster Nikolai Tovarich folgt das
Opening. Und das wird Bingo-Style zelebriert. Eine große
Formation des Circus-Theaters aus Kiew ist dabei, dazu kommen
weitere Artisten. Es wird voller Energie getanzt und Akrobatik
gezeigt. Da erleben wir Handstände, Hula Hoop, Handvoltigen,
Akrobatik an Tüchern, sogar ein Trampolin ist im hinteren
Bereich dabei. Die Mitwirkenden tragen mehrheitlich weiße
Kostüme, das Programm-Motto wird durch bunte Schals
visualisiert, die geschwenkt werden. Die letzten Sequenzen des
mitreißenden Charivaris finden im Zuschauerraum statt, sodass
ein nahtloser Übergang zur nächsten Nummer stattfinden kann.
Überhaupt hat diese Produktion keinen Leerlauf. Die Umbauten
gehen schnell und geräuschlos, zudem werden sie – wo notwendig –
durch Showelemente mit Bingo-Mitgliedern auf dem Gradin
überbrückt.
  
Chu
Chuan-Ho, Thomas Lacey, Clown Brian
Chu
Chuan-Ho ist der einzige Soloartist im Programm. Mit bis zu drei
Diabolos jongliert das Energiebündel aus Taiwan. Freudestrahlend
lässt er die Doppelkegel in immer wieder neuen, schier
unglaublichen Bahnen durch die Luft fliegen. Dies am Ende sogar
im Spagat. Eine große Rasselbande auf vier Beinen bringt Thomas
Lacey in die Manege. Seine bunt gemischte Hundedressur gehört
zum Besten, was das Genre derzeit zu bieten hat. Mit großer
Vorfreude, aber durchaus geduldig warten die Tiere auf ihren
Podesten, bis sie ihr Können zeigen dürfen. Da wird durch Reifen
und über Hürden gesprungen. Da gibt es starke Tricks und witzige
Kabinettstückchen. Das Ganze wird ungeheuer flott, sympathisch
und versiert präsentiert. Thomas Lacey und seine Hunde verstehen
sich offensichtlich bestens und haben riesigen Spaß daran, das
Publikum zu unterhalten. Mit einer Polonaise verabschieden sie
sich. Dem regelmäßigen Besucher im Kronebau ist auch Clown Brian
bekannt. Der junge Portugiese im gelben Frack muss sich als
Konzertpianist mit allerlei Widrigkeiten plagen, die er pfiffig
löst. Sein gelber Flügel verschlingt ihn gar. Dank einer
Miniversion des Instruments kommt es dann doch noch zu einer
musikalischen Aufführung.
 
Jana
Mandana Lacey-Krone, mongolischer Reiter
Komplett
neu einstudiert wurden die groß inszenierten Reiterspiele. An
ihnen wirken Jana Mandana Lacey-Krone, Hans Ludwig Suppmeier,
Sven Jahn-Munoz sowie vier Reiter aus der Mongolei mit. Hinzu
kommen vier Kamele und mehrere Pferde. Alle Akteure tragen
prächtige Kostüme, die Tiere dazu passende Decken und Geschirre.
Zunächst erleben wir eine Laufarbeit mit jeweils vier Kamelen
und berittenen Pferden, dirigiert von Jana Mandana Lacey-Krone
und Hans Ludwig Suppmeier. Es schließen sich die mongolischen
Artisten mit Elementen der Dshigitenreiterei an. Auf zwei
stattlichen schwarzen Pferden präsentiert sich Sven Jahn-Munoz
als Stehendreiter. Ein drittes Pferd lässt er unter sich
hindurchlaufen. Noch einmal erleben wir die Trickreiter. Danach
füllt sich die Spielfläche wieder. Jana Mandana Lacey-Krone zu
Pferd und zwei Kamele werden auf Podesten platziert. Dazwischen
ziehen Pferde mit und ohne Reiter ihre Kreise. Weiter geht es
mit dem letzten Auftritt der mongolischen Reiter. Gemeinsam mit
Sven Jahn-Munoz strapazieren sie mit ihren waghalsigsten Stunts
unsere Nerven. So etwa beim Umklettern des Pferdekörpers bei
vollem Tempo. Gemeinsam nehmen die Mitwirkenden den frenetischen
Applaus der Zuschauer entgegen.
 
Willer Nicolodi, Flying Tabares
Drei der
Gäste stehen kurz danach selbst im Zentrum des Geschehens.
Willer Nicolodi hat sie in die Manege gebeten, um ihnen mit
geliehenen Stimmen Sätze zu entlocken, die sie wohl freiwillig
nicht gesagt hätten. Doch der routinierte Bauchredner sorgt
dafür, dass sich niemand blamiert. Zuvor hat sich der
Entertainer bereits höchst witzige Wortgefechte mit Joselito,
dem frechen Mäuserich aus Mexiko, geliefert. Unter dem Titel
Mongoljingoo entführen uns vier anmutige Schlangenmädchen nach
Fernost. Die Mongolinnen beherrschen nicht nur die Kunst der
Kontorsion und Handstandakrobatik, sie sind zudem treffsichere
Schützinnen. Pfeil und Boden lösen sie mit den Füßen aus,
während sie sich dabei auf den Händen im Gleichgewicht halten.
Im Quartett und in kleinerer Zusammensetzung faszinieren sie mit
ihrer Kunst. Dabei tragen sie wunderschöne Kostüme und haben
immer ein Lächeln auf den Lippen. Während Bingo-Tänzerinnen auf
den Treppen des Gradins agieren, wird über der Manege alles für
die Pausennummer vorbereitet. Diese gehört den Flying Tabares
und ihrem Flugtrapez auf zwei Bahnen. Vier Fliegerinnen und drei
Flieger vollführen einen Sprung nach dem anderen und landen in
den Händen der beiden Fänger. Die beiden Bahnen erlauben einen
äußerst flüssigen Ablauf. Die Formation aus den USA versteht
sich darüber hinaus darauf, die Stimmung anzuheizen. Die
doppelte Passage bildet den Schlusspunkt. Der Dreifache Salto
ist zumindest in dieser Vorstellung nicht dabei.
 
Martin
Lacey junior, Fumagalli und Daris
Teil zwei
beginnt – anders als noch bei „Mandana“ - mit der
Raubtierdressur. Wohl keine andere Nummer mit großen Katzen
dürfte so hochkarätig und vielfach ausgezeichnet worden sein wie
die von Martin Lacey junior. Doch dieser steht zunächst gar
nicht im Käfig. Vielmehr startet sein Sohn Alexis die
Vorführung. Im Winterprogramm erlebten wir Vater und Sohn noch
gemeinsam, jetzt dirigiert der 17-jährige Direktionsspross die
Raubkatzen selbständig. Er übernimmt den ersten Teil der
Darbietung, sprich er lässt die beiden Tiger hochsitzen, bittet
sie an ihre Plätze und zeigt mit einer Gruppe Löwen das
Hochsitzen im Kreis. Das alles ruhig und schon erstaunlich
sicher. Wunderbar zu sehen, wie sich hier die nächste Generation
bereit macht. Martin Lacey junior lässt seine Löwen dann
springen und einen Fächer bilden. Danach gibt es Aktionen mit
einzelnen Tieren. Vom wilden Scheinangriff bis hin zum
vertrauten Kuscheln mit einem auf dem Sägemehl liegenden weißen
Löwen. Die Standing Ovations beim Heimspiel in München nehmen
Martin und Alexis gemeinsam entgegen. Während der Käfig abgebaut
wird, ziehen die Bingo-Akteure erneut die Blicke auf sich. Sogar
ein Sänger ist dabei. Das Orchester begleitet fulminant. Wenn
Fumagalli im Programm ist, ist natürlich auch das Bienchen
dabei. Gemeinsam mit seinem Bruder Daris und Nikolai Tovarich
spielt der Starclown auf seine unnachahmliche Weise das
Feuerwasser-Entree. Es bleibt im wahrsten Sinne des Wortes kein
Auge trocken, ein herrlicher Spaß für alle Generationen.
 
Jana
Mandana Lacey-Krone, Hans Ludwig Suppmeier
Hohe
Schule und Freiheitsdressur zu Abba-Melodien erlebten wir
bereits in der Farbenspiel-Inszenierung, die es 2023/24 im
Kronebau gab. Nun sehen wir die Neuauflage. Zunächst reiten Jana
Mandana Lacey-Krone und Hans Ludwig Suppmeier eine doppelte Hohe
Schule auf zwei Schimmeln. Erlesene Reitkunst wird hier sehr
gewinnend dargeboten. Zurück auf dem Sägemehl, lässt Suppmeier
einen Nonius-Hengst steigen. Einen Zehnerzug dieser Pferderasse
führt die Direktorin sodann in Freiheit vor. Anschließend
stellen vier davon ihre Vorderhufe auf kleine Podeste. Ein
geschecktes Pony läuft um sie herum. Es folgt ein von Suppmeier
dirigierter fünffacher Steiger. Bei der anschließenden Belohnung
mit Futter erschleicht sich eines der Pferde eine doppelte
Portion. Einen Vorwärtssteiger gibt es als Da Capo. Dieses
rundum gelungene Tableau zeichnet sich durch wunderschöne Tiere
und abwechslungsreiche Reit- und Dressurkunst aus. Abgerundet
durch eine sympathische Präsentation und die zeitlosen Melodien
von Abba.
 
Mystery
of Gentlemen, Extreme Light
Clown
Brian wird bei seinem Saxophonspiel im Zuschauerraum von
Bingo-Tänzerinnen begleitet. In gelb gekleidet sorgen sie für
Farbenpracht. Im Kontrast dazu treten Mystery of Gentlemen in
grauen und braunen Farbtönen auf. In edlen Business-Outfits
verwöhnen uns die beiden Damen und sieben Herren mit einer
circensischen Rarität. Die Truppe aus der Mongolei arbeitet ihre
Handvoltigen auf Kugeln. Die Herren katapultieren ihre
Partnerinnen zu spektakulären Flügen in die Luft, während sie
sich selbst auf den Kugeln im Gleichgewicht halten müssen. Die
Landung findet auf den Händen weiterer Akteure statt – diese
stehen entweder am Boden oder ebenfalls auf Kugeln. Das geht bis
hin zum Drei-Personen-Hoch. Damit wäre bereits für eine würdige
Schlussnummer gesorgt, doch es geht noch weiter. Der Auftritt
vor dem Finale gehört Extreme Light. Die im Dunkeln agierende
Formation greift in genialer Weise noch einmal das
Programm-Motto auf. Dank ihrer mit LED-Elementen besetzten
Outfits überraschen die Artisten mit immer wieder neuen
Effekten. Sie tauchen stets an unerwarteten Stellen auf, mischen
Breakdance mit präzise einstudierten Tanzformationen. Dazu gehen
die Lichtornamente an ihren Kostümen auf die Millisekunde genau
an und aus. Mit Bingo startet die Abschiedszeremonie, in der
sich alle Mitwirkenden vom Publikum verabschieden. In der Mitte
steht die Direktionsfamilie. Nikolai Tovarich spricht die Worte
zum Ausklang, während die Gäste begeistert im Stehen
applaudieren. |