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Festival Golden Trick of Kobzov 2016
 http://circusfest.kobzov.ua/en - 95 Showfotos

Odessa (Ukraine), 7. bis 10. Juli 2016: Der 1999 gegründete Zirkus von Nicolai Kobzov ist heute das größte privat geführte Unternehmen in der Ukraine – und dies sogar mit einem Eintrag im Buch der Rekorde. Rund 500 Angestellte, darunter allein über 200 Artisten, sind beschäftigt. Zum Portfolio des umtriebigen Direktors gehören unter anderem zwei reisende Einheiten, ein privates Zirkusmuseum und seit fünf Jahren auch das inzwischen international renommierte Festival „Golden Trick of Kobzov“. Zunächst in Kiev beheimatet, hat es nun in Odessa am Schwarzen Meer seinen Ausrichtungsort.

Den kompletten Sommer über, von Juli bis September, gastiert der Zirkus Kobzov mit einer der beiden Einheiten in der Küstenstadt und hält hier für einige Tage auch das Festival ab. Außerhalb der Stadt hat man auf dem Parkplatz einer großen Shoppingmall die beeindruckenden gelben Zeltanlagen errichtet. Neben einem Vorzelt für die Gastronomie sind gleich zwei große Vier-Master aufgebaut, wobei eines den Artisten als Proben- und Rückzugsort zur Verfügung steht. Zum Erlebnis gehört hier nicht nur die eigentliche Vorstellungsbesuch; auch ein kleiner Dinosaurier-Park, Ausstellungen mit Filmfiguren wie Spiderman oder den Minions, ein Spiegelkabinett, Kinderschminken sowie der Zoo mit Tieren des Circo Darix Togni warten – gegen Bezahlung – auf Gäste. 


Finale

Anfang Juli pausierte die aktuelle Produktion „Woozu“ nun für einige Tage und machte Platz für die fünfte Auflage des Festivals „Golden Trick of Kobzov“. Dieses bot einen guten Blick auf viele vorwiegend aus der Ukraine selbst stammende Künstler. Einige internationale Darbietungen komplettierten das Teilnehmerfeld. In zwei verschiedenen Auswahlvorstellungen traten die Artisten zunächst gegeneinander an. Daraus wählte die hochkarätig besetzte Jury die Besten aus, welche in einem weiteren Durchlauf dann nochmals bewertet wurden. Als Special Guests waren zudem die Pellegrini Brothers vor Ort. Mit ihrer beeindruckenden Partnerakrobatik sorgte das Quartett für Stehende Ovationen beim Publikum in Odessa. 


Splash
of Flash, Pellegrini Brothers, Olga Boyko

Die Auszeichnungen in Gold blieben in diesem Jahr in der Ukraine. Besonders stark präsentierten sich Amaliia Avanesian und Yevgen Abakumov unter dem eigenwilligen Namen „Splash of Flash“ an den Strapaten. Hervorzuheben sind die unterschiedlichen Variationen des Zahnhanges, bei der oftmals sie den tragenden Part übernimmt. Dass nicht allein Leistung, sondern heutzutage vielmehr auch der Verkauf für den Erfolg einer Darbietung relevant ist, beweist Olga Boyko am Luftring. Neben guten Tricks überzeugt besonders das stimmige Gesamtpaket aus Musik, Kostüm und Ausstrahlung der Künstlerin.

 
Yvan Deforge, Michael Betrian, Duo Skyline

Ausstrahlung hat unverkennbar auch Michaël Betrian. Der Niederländer stellte in Odessa seine neue, düster-mystisch, mit Feuereffekten inszenierte Diabolo-Interpretation „Impact“ vor und hatte das Publikum einmal mehr schnell auf seiner Seite. Verdienter Lohn ist die Auszeichnung in Silber. Darüber freuten sich sichtlich auch Anastasiia Parhomenko und Olena Kharchenko. Die beiden jungen Ukrainerinnen wagen sich als Duo Skyline an Tüchern in große Höhen und zeigen dort ungesichert durchaus riskante Haltetricks. Einen dritten silbernen Preis erhielt der Franzose Yvan Deforge für die Präsentation exotischer Tiere aus dem Hause Darix Togni. Zunächst demonstrieren Kamele und Zebras anspruchsvolle Lauffiguren, ehe sich nacheinander auch Bisons, ein Känguru und Strauße in der Manege zeigen. Abschluss ist Deforges umjubelter Ritt auf einer Giraffe. Der leichte, respektvolle Umgang mit den Tieren ist vorbildlich; die Haltung hinter den Kulissen in diesem Fall ebenso zufriedenstellend.


Run to Infintity, Truppe Vavilov

Gleich fünf Mal vergab die Jury in diesem Jahr Bronze. Gleich im Quartett wagt sich die ukrainische Formation „Run to Infinity“ unter der Leitung von Denis Ovcharenko an den chinesischen Mast. Die Wirkung der Tricks wird durch die stimmige, teils synchrone oder gemeinsame Präsentation der drei jungen Herren und ihrer Partnerin enorm gesteigert. Zu den bekanntesten Teilnehmern des Festivals gehört die Truppe Vavilov. Die russischen Handvoltigeure überzeugen vor allem mit einem Salto zum Drei-Personen-Hoch, während der mittlere Partner erst im Moment des Sprunges auf den Untermann klettert. Originell ist auch die Idee, mit Masken im Gesicht und auf dem Hinterkopf anzutreten und so ständigen "Blickkontakt" zum Zuschauer zu halten.


Akos Biritz, Victor Moissev, Juan Carlos Muñoz Navarro

Sehr puristisch fällt die Strapaten-Darbietung von Akos Biritz aus. Der Fokus liegt deutlich auf der Betonung des Körpers, etwa bei den kraftvollen Aufschwüngen. Die Verbindung des Ungarn zum zeitgenössischen Zirkus ist unverkennbar. Tolle visuelle Effekte erreicht Victor Moiseev. Der Russe hält bis zu sieben Bällen horizontal um seinen Körper in Bewegung, ohne dass sich diese berühren. So wird die gelungene Impression eines sich bewegenden, fließenden Planetensystems in der Manege geschaffen. Eine echte Entdeckung ist auch der chilenische Clown Juan Carlos Muñoz Navarro. Auch wenn seine Figur sicherlich an manchen Stellen noch genauer ausgearbeitet werden könnte, kommen seine Auftritte dank guter Mimik, Gestik und kreativer Ideen – insbesondere bei einer ganz eigenen Version des Box-Entrees – schon jetzt bestens an; die Auszeichnung in Bronze ist damit sicher verdient.


Powerizer Acrobats, Yuliia Nos und Oleh Kolisnichenko, Vladislava Naraeva

Mit viel Ausstrahlung und leistungsstarken Tricks agierte die Amerikanerin Michels-Gualtieri Akaela am Schwungtrapez. Alona Burlachenko und Oleksandr Chystyakov aus der Ukraine boten eine stimmige, mit toller Musik untermalte Hand-auf-Hand-Darbietung als Duo Midnight Story. Die Version der ebenfalls aus der Ukraine stammenden Yuliia Nos und Oleh Kolisnichenko war dagegen schwächer. Zunächst überraschend und interessant war die Akrobatik auf Sprungstelzen der russischen Powerizer Acrobats. Die Idee erschöpfte sich jedoch recht schnell. Äußert leistungsstark waren die Handstandvariationen von Vladislava Naraeva, allerdings stimmte die Idee der Präsentation als Mannequin nicht wirklich mit dem Alter der jungen Ukrainerin überein. Zweifellos aber hat sie hervorragende Zukunftsaussichten. Dies gilt auch für Alisa Shehter aus Israel am Luftring. Wenngleich auch sie starke Tricks an ihrem Requisit beherrscht, könnte ein Wechsel von Kostüm und Musik ihren Auftritt deutlich wirkungsvoller machen.


Duo Musa, Davio Togni, Trio Beautiful

Olga Sevastianova präsentierte sich an Tuchschlaufen in der Luft samt einiger Abfaller. Zusammen mit ihrem Partner zeigte die Russin zudem recht gewöhnliche Quick Change-Illusionen. Das Duo Musa hat eine komische Variante seiner Trapez-Darbietung erarbeitet, die bei den Zuschauern gut ankommt. Im bekannten Stil ähnlicher Darbietungen gehalten, war die Partnerequilibristik des Trio Beautiful aus der Ukraine. Rein auf die Leistung setzten Mihaela Musteata und Fiodor Buliga aus Moldovien mit durchaus waghalsigen, aber longengesicherten Luftvoltigen am Fangstuhl. Eher klassisch zeigten sich auch Oleksiy Mruz aus der Ukraine mit Rola Rola-Balancen, Mizdrea Tudor aus Moldavien auf dem Drahtseil samt Salti sowie die italienischen Brüder Davio und Corrado Togni als Clowns mit Abladen, Aufladen. Sie brachten zudem weitere Tier-Darbietungen ins Festival ein. Davio Togni präsentierte seine Tiger, Corrado Togni die beiden Elefanten. Beide Nummern boten eher gewöhnliche Abläufe. Betrüblich ist allerdings, dass die Haltungsbedingungen der Dickhäuter – auch wenn sie sich frei im Paddock bewegen können – nicht dem Niveau der anderen Tierarten entsprechen.


Quartett Gladius, Yvan Deforge mit Partnerin, Rustam Yuldashev

Einige Künstler beließen es nicht bei einer artistischen Disziplin und versuchten durch die Mischung mit anderen Formen neue Ideen zu liefern. Eine interessante Kombination versprach zunächst die Kombination von Hoher Schule und Akrobatik am Cyr von Yvan Deforge mit Partnerin. Allerdings arbeiten beide meist nacheinander, was den Eindruck dann doch deutlich schmälert. Die Ukrainerin Yengeniya Obolonina verband Handstandequilibristik mit mitreißendem folkloristischem Tanz, während der ebenfalls aus der Ukraine stammende Andrii Spatar neben seinen Handständen unterschiedlichste Gesichtsmasken wechselte. Das Quartett Gladius aus der Ukraine kombinierte Handvoltigen und Equilibristik. Ievgeniia Fetkulova und Mikhail Sozonov balancierten Bälle auf Händen und Füßen während ihrer equilibrisitischen Tricks. Die gleichen Gedanken hatten scheinbar Liviu Tudor aus Rumänien mit Tellerdrehen und der Ukrainer Rustam Yuldashev an den Strapaten, ließen sie sich doch bei ihren Darbietungen durch einen Hund stören. Geschmackssache ist sicherlich auch der Auftritt von Raul Domingos Veiga. Der Brasilianer mischt Handstände, Striptease und Comedy zu einer skurrilen Darbietung, die in entsprechendem Umfeld aber durchaus vorstellbar ist.

Mit dem Festival „Golden Trick of Kobzov“ ist es Direktor Nicolai Kobzov und seinem Team gelungen, den Blick der Zirkuswelt für ein paar Tage auf die Ukraine zu richten. Die hochkarätig besetzte Jury, internationale Gäste und zuletzt auch die Resonanz der einheimischen Bevölkerung bei stets vollen Zelten sprechen für das gute Leistungsniveau, welches dieses Festival erreicht hat und es zu einem spannenden Ort für die Pflege der Zirkuskunst machen.

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Text: Benedikt Ricken; Fotos: Alexis Jehl