Den kompletten Sommer über, von
Juli bis September, gastiert der Zirkus Kobzov mit einer der
beiden Einheiten in der Küstenstadt und hält hier für einige
Tage auch das Festival ab. Außerhalb der Stadt hat man auf dem
Parkplatz einer großen Shoppingmall die beeindruckenden gelben
Zeltanlagen errichtet. Neben einem Vorzelt für die Gastronomie
sind gleich zwei große Vier-Master aufgebaut, wobei eines den
Artisten als Proben- und Rückzugsort zur Verfügung steht. Zum
Erlebnis gehört hier nicht nur die eigentliche
Vorstellungsbesuch; auch ein kleiner Dinosaurier-Park,
Ausstellungen mit Filmfiguren wie Spiderman oder den Minions,
ein Spiegelkabinett, Kinderschminken sowie der Zoo mit Tieren
des Circo Darix Togni warten – gegen Bezahlung – auf Gäste.
Finale
Anfang Juli pausierte die
aktuelle Produktion „Woozu“ nun für einige Tage und machte
Platz für die fünfte Auflage des Festivals „Golden Trick of
Kobzov“. Dieses bot einen guten Blick auf viele vorwiegend aus
der Ukraine selbst stammende Künstler. Einige internationale
Darbietungen komplettierten das Teilnehmerfeld. In zwei
verschiedenen Auswahlvorstellungen traten die Artisten
zunächst gegeneinander an. Daraus wählte die hochkarätig
besetzte Jury die Besten aus, welche in einem weiteren
Durchlauf dann nochmals bewertet wurden. Als Special Guests
waren zudem die Pellegrini Brothers vor Ort. Mit ihrer
beeindruckenden Partnerakrobatik sorgte das Quartett für
Stehende Ovationen beim Publikum in Odessa.
Splash
of Flash, Pellegrini Brothers, Olga Boyko
Die Auszeichnungen in Gold
blieben in diesem Jahr in der Ukraine. Besonders stark
präsentierten sich Amaliia Avanesian und Yevgen Abakumov unter
dem eigenwilligen Namen „Splash of Flash“ an den Strapaten.
Hervorzuheben sind die unterschiedlichen Variationen des
Zahnhanges, bei der oftmals sie den tragenden Part übernimmt.
Dass nicht allein Leistung, sondern heutzutage vielmehr auch
der Verkauf für den Erfolg einer Darbietung relevant ist,
beweist Olga Boyko am Luftring. Neben guten Tricks überzeugt
besonders das stimmige Gesamtpaket aus Musik, Kostüm und
Ausstrahlung der Künstlerin.
Yvan Deforge, Michael Betrian, Duo Skyline
Ausstrahlung hat unverkennbar
auch Michaël Betrian. Der Niederländer stellte in Odessa seine
neue, düster-mystisch, mit Feuereffekten inszenierte
Diabolo-Interpretation „Impact“ vor und hatte das Publikum
einmal mehr schnell auf seiner Seite. Verdienter Lohn ist die
Auszeichnung in Silber. Darüber freuten sich sichtlich auch
Anastasiia Parhomenko und Olena Kharchenko. Die beiden jungen
Ukrainerinnen wagen sich als Duo Skyline an Tüchern in große
Höhen und zeigen dort ungesichert durchaus riskante
Haltetricks. Einen dritten silbernen Preis erhielt der
Franzose Yvan Deforge für die Präsentation exotischer Tiere
aus dem Hause Darix Togni. Zunächst demonstrieren Kamele und
Zebras anspruchsvolle Lauffiguren, ehe sich nacheinander auch
Bisons, ein Känguru und Strauße in der Manege zeigen.
Abschluss ist Deforges umjubelter Ritt auf einer Giraffe. Der
leichte, respektvolle Umgang mit den Tieren ist vorbildlich;
die Haltung hinter den Kulissen in diesem Fall ebenso
zufriedenstellend.
Run to Infintity, Truppe
Vavilov
Gleich fünf Mal vergab die Jury
in diesem Jahr Bronze. Gleich im Quartett wagt sich die
ukrainische Formation „Run to Infinity“ unter der Leitung von
Denis Ovcharenko an den chinesischen Mast. Die Wirkung der
Tricks wird durch die stimmige, teils synchrone oder
gemeinsame Präsentation der drei jungen Herren und ihrer
Partnerin enorm gesteigert. Zu den bekanntesten Teilnehmern
des Festivals gehört die Truppe Vavilov. Die russischen
Handvoltigeure überzeugen vor allem mit einem Salto zum
Drei-Personen-Hoch, während der mittlere Partner erst im
Moment des Sprunges auf den Untermann klettert. Originell ist
auch die Idee, mit Masken im Gesicht und auf dem Hinterkopf
anzutreten und so ständigen "Blickkontakt" zum Zuschauer zu
halten.
Akos Biritz, Victor Moissev,
Juan Carlos Muñoz Navarro
Sehr puristisch fällt die
Strapaten-Darbietung von Akos Biritz aus. Der Fokus liegt
deutlich auf der Betonung des Körpers, etwa bei den
kraftvollen Aufschwüngen. Die Verbindung des Ungarn zum
zeitgenössischen Zirkus ist unverkennbar. Tolle visuelle
Effekte erreicht Victor Moiseev. Der Russe hält bis zu sieben
Bällen horizontal um seinen Körper in Bewegung, ohne dass sich
diese berühren. So wird die gelungene Impression eines sich
bewegenden, fließenden Planetensystems in der Manege
geschaffen. Eine echte Entdeckung ist auch der chilenische
Clown Juan Carlos Muñoz Navarro. Auch wenn seine Figur
sicherlich an manchen Stellen noch genauer ausgearbeitet
werden könnte, kommen seine Auftritte dank guter Mimik, Gestik
und kreativer Ideen – insbesondere bei einer ganz eigenen
Version des Box-Entrees – schon jetzt bestens an; die
Auszeichnung in Bronze ist damit sicher verdient.
Powerizer Acrobats, Yuliia Nos und Oleh Kolisnichenko, Vladislava
Naraeva
Mit viel Ausstrahlung und
leistungsstarken Tricks agierte die Amerikanerin
Michels-Gualtieri Akaela am Schwungtrapez. Alona Burlachenko
und Oleksandr Chystyakov aus der Ukraine boten eine stimmige,
mit toller Musik untermalte Hand-auf-Hand-Darbietung als Duo
Midnight Story. Die Version der ebenfalls aus der Ukraine
stammenden Yuliia Nos und Oleh Kolisnichenko war dagegen
schwächer. Zunächst überraschend und interessant war die
Akrobatik auf Sprungstelzen der russischen Powerizer Acrobats.
Die Idee erschöpfte sich jedoch recht schnell. Äußert
leistungsstark waren die Handstandvariationen von Vladislava
Naraeva, allerdings stimmte die Idee der Präsentation als
Mannequin nicht wirklich mit dem Alter der jungen Ukrainerin
überein. Zweifellos aber hat sie hervorragende
Zukunftsaussichten. Dies gilt auch für Alisa Shehter aus
Israel am Luftring. Wenngleich auch sie starke Tricks an ihrem
Requisit beherrscht, könnte ein Wechsel von Kostüm und Musik
ihren Auftritt deutlich wirkungsvoller machen.
Duo Musa, Davio Togni, Trio Beautiful
Olga Sevastianova präsentierte
sich an Tuchschlaufen in der Luft samt einiger Abfaller.
Zusammen mit ihrem Partner zeigte die Russin zudem recht
gewöhnliche Quick Change-Illusionen. Das Duo Musa hat eine
komische Variante seiner Trapez-Darbietung erarbeitet, die bei
den Zuschauern gut ankommt. Im bekannten Stil ähnlicher
Darbietungen gehalten, war die Partnerequilibristik des Trio
Beautiful aus der Ukraine. Rein auf die Leistung setzten
Mihaela Musteata und Fiodor Buliga aus Moldovien mit durchaus
waghalsigen, aber longengesicherten Luftvoltigen am Fangstuhl.
Eher klassisch zeigten sich auch Oleksiy Mruz aus der Ukraine
mit Rola Rola-Balancen, Mizdrea Tudor aus Moldavien auf dem
Drahtseil samt Salti sowie die italienischen Brüder Davio und
Corrado Togni als Clowns mit Abladen, Aufladen. Sie brachten
zudem weitere Tier-Darbietungen ins Festival ein. Davio Togni
präsentierte seine Tiger, Corrado Togni die beiden Elefanten.
Beide Nummern boten eher gewöhnliche Abläufe. Betrüblich ist
allerdings, dass die Haltungsbedingungen der Dickhäuter – auch
wenn sie sich frei im Paddock bewegen können – nicht dem
Niveau der anderen Tierarten entsprechen.
Quartett Gladius, Yvan Deforge
mit Partnerin, Rustam Yuldashev
Einige Künstler beließen es
nicht bei einer artistischen Disziplin und versuchten durch
die Mischung mit anderen Formen neue Ideen zu liefern. Eine
interessante Kombination versprach zunächst die Kombination
von Hoher Schule und Akrobatik am Cyr von Yvan Deforge mit
Partnerin. Allerdings arbeiten beide meist nacheinander, was
den Eindruck dann doch deutlich schmälert. Die Ukrainerin
Yengeniya Obolonina verband Handstandequilibristik mit
mitreißendem folkloristischem Tanz, während der ebenfalls aus
der Ukraine stammende Andrii Spatar neben seinen Handständen
unterschiedlichste Gesichtsmasken wechselte. Das Quartett
Gladius aus der Ukraine kombinierte Handvoltigen und
Equilibristik. Ievgeniia Fetkulova und Mikhail Sozonov
balancierten Bälle auf Händen und Füßen während ihrer
equilibrisitischen Tricks. Die gleichen Gedanken hatten
scheinbar Liviu Tudor aus Rumänien mit Tellerdrehen und der
Ukrainer Rustam Yuldashev an den Strapaten, ließen sie sich
doch bei ihren Darbietungen durch einen Hund stören.
Geschmackssache ist sicherlich auch der Auftritt von Raul
Domingos Veiga. Der Brasilianer mischt Handstände, Striptease
und Comedy zu einer skurrilen Darbietung, die in
entsprechendem Umfeld aber durchaus vorstellbar ist. |