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19. Int. Circusfestival von Italien
www.festivalcircolatina.com ; 114 Showfotos

Latina, 18.-22. Oktober 2018: Nach einjähriger Pause konnte im italienischen Latina wieder ein Internationales Circusfestival stattfinden. Nicht zuletzt dank der partnerschaftlichen Unterstützung durch einige renommierte Unternehmen der Branche gelang es, diese prestigeträchtige Veranstaltung wiederzubeleben und insgesamt eine gelungene 19. Auflage zu feiern. Direktor Fabio Montico, seine Familie und das gesamte Team können stolz sein auf diesen Wettbewerb, der sich wohl mehr als viele andere seiner Art überwiegend einer traditionellen Ausrichtung verschrieben hat.

So wurde auch dem Jubiläum „250 Jahre Circus“ gehuldigt. Beide Auswahlvorstellungen sowie die Gala begannen mit einer filmischen Rückblende auf Philip Astley, ehe der „Special Guest“ dieses Festivals, Flavio Togni, die Manege betrat. Die Ikone des Circus, so die treffende Beschreibung im Programmheft, präsentierte einen variantenreichen Achterzug aus je vier weißen und schwarzen Arabern. Flechten, Fächer und Farbwechsel gehörten zur flüssigen Laufarbeit, umjubelt waren die diversen Steiger zum Abschluss.


Bruno Togni, Sarah und Adriana Togni 

Flavio Togni war freilich nicht das einzige Familienmitglied, das in Latina zu sehen war. Insbesondere das offizielle Debüt von Bruno Togni mit seinen sieben Tigern war mit Spannung erwartet worden. In der Tat offenbarte sich ein neues Glanzstück. Eher ruhig in der Präsentation, dafür enorm trickstark: Sprünge über Artgenossen, ein akkurater Fächer, siebenfacher Hochsitzer oder ein auf den Hinterbeinen laufender Tiger waren da zu bestaunen. Wie ohnehin die jungen Tognis einen starken Eindruck hinterließen. Etwa mit Adriana und Sarah und ihrem perfekt in Szene gesetzten Trapez-Akt zu Tango-Klängen; oder Ilaria, Claudio, Enis und nochmals Bruno mit einer Hohen Schule ganz in Weiß, für die gar der russische Bolshoi-Circus sein Ballett abgestellt hatte. Die Auszeichnung in Gold für gesamte Familie Togni war der verdiente Lohn.


Truppe Pronin, Nanchino School, Truppe Ruban 

Wenig überraschend verlieh die international besetzte Jury die weiteren Gold-Preise an die teilnehmenden Truppen aus Russland und China. Die Truppe Pronin setzte bei ihrem Auftritt auf der doppelten russischen Schaukel auf die erfolgserprobte, vor zwei Jahren hier bereits ähnlich gezeigte Aufmachung zu russischer Folklore und hatte schnell ein singendes Zelt hinter sich. Die Rubans auf dem Schleuderbrett setzten einen farblichen Kontrast, traten sie doch komplett in weißen Kostümen auf. Eigenwillig dagegen die Affen-ähnliche Inszenierung der Akrobaten der Nanchino School aus China, die in ihrem Hauptauftritt ikarische Spiele und Sprünge von der Wippe kombinierten und so hohe Menschentürme formierten. In kleinerer Besetzung gab es zudem einen Mix aus Lasso- und ikarischen Spielen.


Duo Ebenezer, Alessio Fedotova 

Wenngleich insgesamt ein gutes Niveau erreicht wurde, fehlten dem Festival ein wenig die wirklichen Überraschungen. So stach die wunderschöne und elegante Hand-auf-Hand-Arbeit des kubanischen Duo Ebenezer schon besonders hervor. Freilich haben auch sie das Metier nicht neu erfunden, mit einigen Passagen im Spitzentanz durch den weiblichen Part Nardelys Jiménez Agulia bekam die Nummer aber einen eigene Note. Silber gab es als Belohnung. Ebenso für die junge, russische Handstand-Equilibristin Alessia Fedotova. Ohne abzusetzen und stets einen Gymnastikball mitbalancierend, zelebrierte sie ihre herausragende Kür auf dem Piedestal.


Duo A&J, Vioris Zoppis, Lisa Rinne 

Bei drei Luft-Darbietungen entschied sich die Jury jeweils für eine Auszeichnung in Bronze. Lisa Rinne punktete einmal mehr mit ihrer sympathischen Ausstrahlung und einem neuen Schlusstrick, einem Doppelsalto vom Schwungtrapez ans Vertikalseil. Vioris Zoppis bereicherte seine starke Nummer an den Strapaten mit einem „spritzigen Element“, wenn er am nassen Boden mehrere Figuren drückte. Das Duo A&J beließ es ebenfalls nicht nur bei den Strapaten, sondern zeigte in seiner Adam-und-Eva-Geschichte auch den Zahnhang.


Daniel Golla, Geraldine Philadelphia, Julot Cousins 

Bei der überbordenden Anzahl an weiteren Sonder- und Spezialpreisen sei noch die Auszeichnung von Julot Cousins am schwankenden Mast durch eine Kritiker-Jury erwähnt. Der Franzose ist auch in der Manege eine Typ, der mit seinen Eskapaden unter der Kuppel für viel gute Laune sorgt. Das gelang auch Daniel Golla mit seinen über den Zuschauerköpfen fliegenden Modellflugzeugen. Den deutschen Block im Teilnehmerfeld komplettierte Geraldine Philadelphia mit ihrer energischen Reifen-Performance.


Duo Solys, Amouri da Silva, Duo Costache 

Ebenfalls keine Unbekannten waren das kubanisch-französische Duo Solys mit seiner Partnerakrobatik samt Eiffelturm sowie der italienische Tennisschläger-Jongleur Glenn Folco. Seinem mexikanischen Pendant, Amouri da Silva, hätte man mehr Erfolg gewünscht – schließlich gewann seine Nummer schon durch die tolle Live-Musik des siebenköpfigen Orchesters unter Fabiano Giovanelli. Der vorher hoch gehandelte Oleg Spigin aus Russland am Washingtontrapez wirkte leider ziemlich unsicher; die neue Trapez-Nummer des rumänischen Duos Costache hingegen noch zu techniklastig. Auch ihr Perche-Auftritt verlor durch die ständigen Requistenwechsel.


Yoka & Nazerke, Saly Family, Demi Cabras 

Neue Akzente setzten die Kasachinnen Yoka & Nazerke mit Equilibristik auf Hoverboards, wenngleich ihr monotoner Verkauf mehr Anerkennung verhinderte. Auch die Darbietung von Adam & Benjamin aus Ungarn am chinesischen Mast wirkte noch nicht fertig. Demi Cabras schließlich bot eher unspektakuläre „Hologramme“ nach bekanntem Muster. Für clowneske Abwechslung in den von Andrea Giachi moderierten Vorstellungen sorgten die italienische Familie Saly mit meist musikalischen Intermezzi und der Ukrainer Konstantin Gerasimenko mit durchaus netten, aber bekannten Reprisen.

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Text und Fotos: Benedikt Ricken