Sondern gemeinsam
mit der Familie bzw. der Truppe. Vielleicht aber haben sie das
gewisse Etwas gebracht, das letztendlich über die Preisvergabe
entschieden hat.
Die Familie von Rene Casselly
war mit zwei Tierdarbietungen zum Festival gereist. In der einen
zeigten sie eine ungemein trickreiche und prächtige „Hohe
Schule“ mit jeweils vier berittenen Pferden und afrikanischen
Elefanten.
Familie Casselly (Gold)
Besonders gefeiert
aber – in der von uns besuchten Auswahlvorstellung gar mit
fünffachen Standing Ovations – wurde die Elefantennummer. Diese
als trickreich zu bezeichnen ist fast schon untertrieben. Hier
kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Leistungen von
Mensch und Tier sind schlichtweg phänomenal. Unbestrittener Star
der Darbietung ist eben jener Rene Casselly junior im
Zusammenspiel mit seiner Schwester Merrylu. Höhepunkt ist der
Dreifache mittels Schleuderbrett auf den Elefantenrücken.
Nebenbei erwähnt, gewannen die Casselly damit den ersten
Goldenen Clown für Artisten aus Deutschland. Gar nicht
auszumalen was hierzulande los gewesen wäre, hätte der Circus
bei uns einen höheren Stellenwert.
Cai
Yong, Akrobatiktruppe vom Shanghai Circus (Gold)
Der Chinese Cai
Yong holte die Zuschauer gegen Ende der rund
viereinhalbstündigen Auswahlvorstellung noch einmal von den
Sitzen. Seine Handstandakrobatik ganz in weiß ist nicht nur
absolut leistungsstark, sondern zudem noch hinreißend
dargeboten. Hier unglaubliche Handstandvariationen, dort
fließende Bewegungen a la Zalewski – einfach nur grandios. Den
Goldenen Clown gab es aber nicht nur für ihn, sondern für die
gesamte Akrobatiktruppe vom Shanghai Circus, dessen Mitglied er
ist. Auch wenn ich kein übermäßiger Freund von asiatischer
Hochleistungsartistik bin, hat mich ihre Schleuderbrettartistik
voll und ganz begeistert, ist sie doch besonders kreativ.
Gesprungen wird nicht nur wie üblich von einem Podest, sondern
von einem Fangstuhl oder einem Menschenturm aus. Der statische
Fänger dient zusätzlich als Ziel für Flüge vom Schleuderbrett.
Höhepunkte sind ein Dreifacher auf einer Stelze, ein
Huckepacksprung zum Vier-Personen-Hoch und ein sehr hoher Satz,
bei dem der Flieger einen Kollegen berührt, der kurz zuvor auf
einen Stuhl katapultiert wurde, welcher wiederum auf zwei
Perchestangen ruht. Die Chinesen gaben in der von uns besuchten
Auswahlvorstellung alles und ließen sich auch von einer
blutenden Platzwunde am Kopf nicht aufhalten. Wenngleich das
mehrfache Wiederholen einzelner Tricks ihre Darbietung (unnötig)
in die Länge zog, überzeugten sie Publikum und Jury
gleichermaßen. Vladislav
Goncharov gewann Silber, genauso wie die Azzario Sisters und
die Truppe Vorobiev.
Der Ukrainer im edlen roten Sakko
tanzte eine knappe halbe Stunde wie aufgezogen durch den
Raubtierkäfig und dirigierte dabei seine sieben, zum Schluss
gar zehn Mähnenlöwen. Die Tiere waren leider nicht ganz so
agil und brauchten, ganz ihrem Naturell entsprechend, etwas,
bis die Tricks standen. Imposant ist gleich zu Beginn die
Pyramide mit sieben Hochsitzern. Besonders interessant fand
ich das (fast) synchrone Übereinanderspringen von drei
Löwenpaaren. Außerdem zeigt er u.a. den Rachentrick, den
Sprung eines Löwen über ein Podest, auf dem Goncharov auf
dem Rücken liegt und als besonderen Clou das Umrunden des
Käfigs während seine Tiere am Käfiggitter abgestützt
Hochsitzen (oder doch mehr „Hochliegen“). Die Azzarios
kennen wir unter anderem von Roncalli und Knie. Ihre
Partnerequilibrisitk in spanischer Aufmachung ist stil- und
schwungvoll. Und da die Leistung der beiden überaus
sympathischen Töchter von Jose Mitchell auch noch stimmt,
war die Preisvergabe durchaus nachvollziehbar. In großer
Personalstärke waren die Vorobiev an die Cote d'azur
gereist. Zu den überwiegend männlichen Artisten kam noch ein
großen weibliches Ballett. Alle waren in edle Kostüme aus
ihrer russischen Heimat gekleidet. In der somit gut
gefüllten Manege gab es nicht nur prächtige Folklore,
sondern ebenfalls riskante Sprünge von einer Russischen
Schaukel zu einer gegenüberliegenden, zum Finale natürlich
auch von zwei Springern gleichzeitig. |
Truppe Vorobiev
(Silber) |
Der Bronzene Clown
wurde gleich sechsfach vergeben. Die Geschwister Stipka
zelebrierten mit ihrem Pas de deux auf Friesen den klassischen
Circus par excellence. Die Inszenierung war jene mit schwarzen
und weißen Tüchern in der Manegenmitte, wie sie beim letzten
Ravensburger Weihnachtscircus zu sehen war. Beim Schlusstrick
steht Denisa nun nur noch mit einem Bein auf dem Kopf ihres
Bruders Dany. Ebenfalls um Geschwister handelt es sich bei den
Skating Pilar, die tolle Tricks auf Rollschuhen zeigten. Die
Akrobatik an Strapaten des Duo Israfilov erinnert stark an die
Nummer des Duos Flight of Passion. Doch haben die Artisten vom
Bolshoi Circus eigenständige Tricks im Repertoire und überzeugen
zudem durch die arabische Aufmachung ihrer Kür.
"Flying to the
Stars", Duo Israfilov, Truppe Kadghaa (Bronze)
Die Flying Zuninga
kennen wir aus dem aktuellen Saisonprogramm des Circus Krone.
Wie bekannt, sparen sie sich die Show in der Manege und starten
gleich in der Luft. Selbst den Dreifachen springen sie mal eben
so ohne Ankündigung, als wäre er etwas ganz normales. Die Truppe
Kadghaa vereint Kraftakrobatik und Handvoltigen. Beides verpackt
in gefällige mongolische Folklore. Der sechste Bronzene Clown
ging an die Truppe „Flying to the stars“ für ihre Akrobatik an
zwei Reckstangen zwischen denen ein Trampolin steht, welches
interessante Sprungvariationen erlaubt.
Steve Eleky |
Keinen Clown
hingegen gab es für die Spaßmacher des Festivals. Das Trio
um Jose Mitchell lieferte mit dem Wasserentree wieder einen
zuverlässigen Lachschlager, wobei in einem solch großen
Chapiteau wie in Monte Carlo in den hinteren Reihen
natürlich viel von ihrer umwerfenden Mimik verloren geht.
Dass seine Nummern auf französisch genauso gut wie auf
deutsch funktionieren, bewies Steve Eleky. Sowohl mit seinen
Jonglagen („C'est moi, le jongleur.“) als auch mit den
Zaubereien sorgte er für die vielleicht größten Lachsalven
bei diesem Festival. Dem Duo Bobylev hätte man etwas mehr
Raum gewünscht. Meist wurden sie dazu eingesetzt,
Umbaupausen zu überbrücken. Gut für den Ablauf, weniger gut
für das russische Clownspaar. Zumindest bei ihrem lustigen
und artistisch anspruchsvollen Tischtennismatch durften sie
zeigen, was sie draufhaben. Marc Metral holte sich als
Bauchredner wie so viele seiner Kollegen Zuschauer in die
Manege und gab ihnen neue Stimmen. Weitaus besser aber
gefiel uns sein Spiel mit Puppen und einem Hund. Wie gewohnt
mit großer Freude und vollem Einsatz bei der Sache waren
Mercedes Probst und ihre Tochter Alexandra. Gemeinsam oder
vielmehr (gewollt) gegeneinander präsentierten sie ihre
Haustierrevue in pink. |
Will heißen,
sowohl die Requisiten als auch die Outfits der Tierlehrerinnen
waren in diesem Farbton gehalten. Dazu erklangen deutsche
Schlager von anno dazumal. Unzählige Beine hatte die große
Ponyrevue, die Mercedes Probst vorführte und mit dem Steiger
eines großen Pferds beschloss.
Bei Conelli konnten wir im
vergangenen Dezember Erika Shavrina erleben. Am schwingenden
Solotrapez zeigte sie die gewagtesten Abfaller, die ohne
Longensicherung so sicher nicht möglich wären. Mit zwei
verschiedenen Darbietungen war die Kanadierin Erika Lemay in den
beiden Auswahlvorstellungen zu sehen. Ihre an sich sehr schönen
Nummern am Luftring und als Handstandartistin wurden durch
schwermütige, tragische Musikuntermalung zu schwerer Kost und
erschienen mir in diesem Rahmen schlichtweg deplatziert.
Bingo, Alexandra Probst,
Erika Shavrina
Vor Lebensfreude
sprühte dagegen der junge Jongleur Ty Tojo. Seine Spezialität
sind schnelle Jonglagen mit zig Bällen, die er hinter dem Rücken
wirft und fängt. Es hätte mich nicht gewundert, wäre auch er mit
einem Clown nach Hause gefahren. Jongliert
wurde ebenfalls beim Duo Rubsov. Requisiten waren hier rote
Melonenhüte, die sich die russischen Geschwister aus der
gleichnamigen Fast Track-Truppe im Tangorhythmus zuwerfen.
Zusätzliche Schwierigkeit kommt durch den Bau eines Turms aus
Stühlen hinzu, der in die Jonglagen einbezogen wird. In allen
vier Auswahlvorstellungen dabei waren die beiden Motorradkugeln
der Infernal Varanne. Tatsächlich gearbeitet haben sie aber nur
in drei davon. In der ersten bekamen sie aufgrund von Nässe ihre
Maschinen nicht zum laufen. In den folgenden fuhren sie zunächst
zumeist synchron in zwei Kugeln und zu sechst in einer, während
auf dem Kugelboden zusätzlich eine Frau stand. In zwei
verschiedenen Aufmachungen bereicherte die Truppe Cherifian die
Shows. Einmal im klassischen Outfit einer marokkanischen
Springertruppe und das andere Mal im Piratenlook zu „Fluch der
Karibik“. Die Trickfolge aus Sprüngen und Menschentürmen blieb
in beiden Fällen die gleiche. Mit einer großen Zahl an Artisten
und Musikern war das Circustheater Bingo vertreten. In
verschiedenen Schaubildern gestalteten sie die Openings und
steuerten mit groß aufgemachter Luftakrobatik an drei Trapezen
sowie Kontorsion zwei weitere Programmpunkte bei. |