Wäre man sich nicht sicher, dass dort oben
tatsächlich noch eine recht große Fläche existiert, man würde glatt auf
halbem Weg umkehren. Was natürlich extrem schade wäre, denn im modernen
Chapiteau mit Schalensitzgradin werden Jahr für Jahr wunderbare
Programme gezeigt, bei denen die eigentlichen Nummern im Vordergrund
stehen. Auf größere Schnörkel wird verzichtet, die Darbietungen wirken
für sich. Bestens unterstützt werden sie vom guten Lichtdesign sowie
von den Musikern über dem Artisteneingang. Es ist jenes Quartett,
welches während der Saison beim Cirkus Arena für die musikalische
Begleitung sorgt. In Namur fand ich ihr Spiel nochmals wirkungsvoller
als auf Tournee in Dänemark. Sie sorgen einfach für einen klasse Sound,
der so klingt, als wären mehr als nur vier Musiker beteiligt.
Emmanuel Horwood,
Mathieu, Vlad Olandar
Produzent Emmanuel Horwood lässt es sich nicht
nehmen, sein Publikum persönlich zu begrüßen und durch das Programm zu
führen. Dabei wird er des Öfteren von Mathieu sowie seiner blonden
Partnerin begleitet. Die beiden singen, tanzen und machen andere Dinge.
Jedes Mal muss Horwood ihnen erklären, dass dies hier nicht hingehöre,
da man nicht in der Konzerthalle oder dem Theater sei. Erst zum Schluss
haben die beiden begriffen, wo sie gelandet sind - nämlich „au cirque“.
Mit dieser Erkenntnis leiten sie das Finale ein. Mathieu zeigt zudem
verschiedene Reprisen, wie das Musizieren mit Seifenblasen oder
Glocken, die von Zuschauern bedient werden. Schön ebenfalls die Einlage
nach der Pause, wenn es sich Mathieu in einer riesigen Hängematte,
sprich dem Fangnetz für das Flugtrapez, bequem gemacht hat. Sämtliche
Tiernummern des Festivals waren während der Saison in Skandinavien
engagiert. Vlad Olandar und seine schneeweißen Katzen konnten wir bei
Benneweis bewundern. Es ist eine elegante, flott gearbeitete Revue, bei
der die Stubentiger aus einem Haus zu ihren Auftritten geholt werden.
Nicht nur die Tiere beherrschen Kunststücke, sondern auch Olandar
selbst. So etwa, wenn er eine Katze auf dem Einrad mitnimmt oder zwei
von ihnen auf der Stirnpeche balanciert. Mit Maximum in Schweden waren
Ingo Stiebner und seine beiden Seelöwen unterwegs. Die beiden Tiere
haben es faustdick hinter den Ohren und treiben mit ihrem Trainer jede
Menge Späße. Die umwerfende Mimik von Stiebner komplettiert die Komödie
hervorragend. Ihre vielfältigen Tricks zeigen die beiden Robben gerne
auch mal hinter dem Rücken ihres Partners. Adriana Folco und Sohn
Amedeo junior schließlich arbeiteten während des Sommers bei Merano in
Norwegen. Vorletztes Jahr präsentierten sie in Namur gemeinsam mit
(Groß-)Vater Amadeo zwei indische Elefanten, 2012 Adriana einen im
Solo. In der aktuellen Show nun führt Adriana sehr charmant ein Duo
Inder vor, das sehr flott sein umfangreiches Trickrepertoire vorführt.
Insgesamt eine rundum gelungene, sehr sehenswerte Nummer. Amedeo junior
präsentiert zudem eine Freiheitsdressur mit vier Dromedaren.
Jana Roberts, Iana Suiarko, Flying Trampoline
Den artistischen Part
eröffnet Teufelchen Jana Roberts, nachdem sich im Opening bereits
quietschbunte Clowns als Trampolinspringer versucht haben. Roberts
entert die Manege im diabolischen Kostüm auf einer großen Glitzerkugel,
mit welcher sie im Slalom zwischen brennenden Säulen hindurch
balanciert. Ihr eigentliches Requisit sind allerdings die Hula
Hoop-Reifen. Diese lässt sie nicht nur auf dem Boden, sondern
zusätzlich am Luftring und eben auf der Kugel um verschiedene
Körperteile kreisen. In einem großen Netz zieht es Iana Suiarko in
Richtung Kuppel. Über der Manege zeigt sie darin eine sinnlich
choreografierte Kür mit Tricks wie einem Spagat oder dem Handstand.
Kurz darauf bekommt aber auch der weibliche Teil des Publikums einen
besonderen Hingucker geboten. Robert Lagroni hat zu seinem wiederholten
Engagement in Namur nicht nur eine veränderte Trickfolge, sondern zudem
ein neues Requisit mitgebracht. Mit diesem lässt er sich im Handstand
vom Manegenboden auf eine Plattform fahren, wo er seine Equilibristik
arbeitet. Noch höher hinaus geht es bei seinem Schlusstrick, dem
Jonglieren einer Walze auf den Füßen. Dann wird er im Handstand nach
oben gefahren. Zwei dämonisch anmutende Männer halten uns vor der Pause
mit turbulenten Sprüngen auf dem Trampolin in Atem. „Flying Trampoline“
nennt sich das Duo, welches seine Kapriolen von einem Metallgestell
hinter dem eigentlichen Requisit aus startet. Neben artistischem
beweisen sie auch darstellerisches Können. Ihre Aufmachung im Stil der
Rockband KISS setzen sie in der gesamten Art des Auftritts um.
Duo
Guidi, Godfathers, Mambo No. 5
Zu viert stehen die
Flying Mendonca auf der Brücke, um mit Hilfe eines Trapezes in die Arme
ihres Fängers zu „fliegen“. Das brasilianische Quintett konnten wir für
einige Zeit beim Zirkus Charles Knie erleben. Nach wie vor zeigen sie –
in veränderter Besetzung – den Dreifachen und die Passage. Wie bei
ihrer Solonummer am Netz, wird Iana Suiarko auch bei ihrem zweiten
Auftritt effektvoll von einer Sängerin begleitet. Diesen bestreitet sie
gemeinsam mit Ehemann Sacha Guidi. Wie schon früher zusammen mit seinem
Bruder Yuri, bildet er den Untermann für die ikarischen Spiele, welche
er jetzt eben mit seiner Partnerin zeigt. Ein außergewöhnliches Bild
für dieses Genre ergibt der Spagat von Iana auf den Füßen ihres
Partners. Handvoltigen und Handstandakrobatik über mehrere Etagen in
Nadelstreifen sind die Spezialität der Godfathers. Korrekt gekleidet
zeigen die vier Ukrainer nach dem Ablegen ihrer Sakkos flotte Artistik in
eleganter Choreographie. Zum Titel Mambo No. 5 läuft die Akrobatik der
gleichnamigen Formation am Russischen Barren. Dankenswerterweise
variiert die Musik jetzt, sodass der bisherige Nerv-Faktor bei dieser
Darbietung minimiert wird. So kann man sich jetzt komplett an den
furiosen Flugpassagen des Quartetts erfreuen, welche diese mit viel
lateinamerikanischer Lebensfreude vollführen. Höhepunkt ist hier der
eingangs erwähnte Dreifache.
Finale |