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Namur, 11. November 2018: Sympathische Akteure mit starken Darbietungen, stimmungsvolles Licht und ebensolche Live-Musik: Das 14. Festival du Cirque de Namur bietet Circus, wie er Spaß macht, traditionell und schnörkellos. Veranstalter ist Emmanuel Horwood, unterstützt von seinem Sohn Julien. Zum zweiten Mal stellt Louis Knie jun. das gesamte Material seines Unternehmens für die Veranstaltung zur Verfügung. Aufgebaut ist der Circus auf der Esplanade der Zitadelle hoch über der Altstadt von Namur, der Hauptstadt der belgischen Region Wallonien.

Das Festival ist bereits vergangen, doch das Programm ist beim Erscheinen dieser Besprechung, Mitte Dezember, weiterhin zu sehen. Es wurde unter dem Namen „Sint in de Piste“ im flämischen Sint-Niklaas gezeigt, macht aktuell Stationen in Frankreich und läuft dann vom 24. bis 30. Dezember im niederländischen Appeldoorn als „Wintercircus“. So ist es Emmanuel Horwood gelungen, eine Tournee mit einer Reihe von Gastspielorten in drei Staaten Europas zu etablieren. Dort präsentiert er sein Programm jeweils als Veranstaltung mit Eventcharakter. In Namur führt er selbst durch die Show.


Steacy Giribaldi, Duo Romance, Vlad Olandar 

Für einen mitreißenden Auftakt der Show sorgt Steacy Giribaldi. Sie balanciert zu funkiger Musik auf freistehenden Leitern. Die Italienerin begeistert mit Ausstrahlung und Können. Besonders eindrucksvoll ist der Schlusstrick, bei dem sie mit einer Leiter eine Reihe von Pfosten überquert – erst vorwärts, dann rückwärts. Das Publikum klatscht begeistert mit. Ein Hochgenuss ist die Strapatennummer des Duos Romance, das bei diesem Festival mit Gold ausgezeichnet wird. Hier vereinen sich Leistung und äußerst riskante Tricks, attraktive Akteure und ein leidenschaftlich zelebrierter Auftritt zu einem wunderbaren Ganzen. In der Saison 2019 werden Maria Boldojar und Partner Alex Bogdi im Zirkus Charles Knie zu erleben sein. Rasant geht es weiter bei der Katzendressur von Vlad Olandar. Die Stubentiger können nicht nur hervorragend springen und klettern, sondern auch kegeln oder eine Flitterkanone auslösen.


Kaely Michels Gualteri, Sara Biasini Berousek, Duo Costache

Mit viel Energie und Power heizt das Duo Costache dem Publikum weiter ein. Leonardo Costache und seine Frau Vita Morondel zeigen zunächst ihre starke und außergewöhnliche Perchenummer. Dabei wickelt sich die Dame an Strapaten auf und ab, die an einem Ausleger an der Perchestange befestigt sind. Beim nächsten Trick steigt Untermann Leonardo zwei freistehende Leitern empor, jeweils mit einem Fuß auf einer Leiter, während er Vita auf einer Stirnperche balanciert. Besonders wirkungsvoll ist auch der Schlusstrick. Hier dreht die Partnerin in einem kreisförmigen Gestell Fahrrad-Überschläge, wohlbemerkt am oberen Ende einer Perchestange. Hoch hinaus geht es auch bei der etwas kurz geratenen Schwungtrapez-Nummer von Kaely Michels Gualtieri. Wenn das Licht angeht, schwingt sie bereits mit wehendem Umhang unter der Kuppel. Nach dem ersten Abfaller lässt sie diesen zu Boden fallen und schließt Salti und Pirouetten an. Sie wurde mit dem Preis der Stadt Namur ausgezeichnet. Ebenso viel weiblichen Charme bietet die Pausennummer. Die junge Sara Biasini Berousek reitet eine temperamentvolle Ungarische Post. Während ihrer Stehendreiterei dreht sie zunächst Volten, auf zwei Friesen stehend, zwischen denen ein weißer Araber läuft. Dann folgt die eigentliche Post. Biasini Berousek nimmt von schlussendlich zwölf Vorauspferden die Bänder auf. Louis Knie jun. lenkt das imaginäre Gespann in der Manegenmitte.

 
Duo Romance, Jimmy Folco, Duo Costache

Mit einem Augenzwinkern verkauft das Duo Costache seine zweite Darbietung, nunmehr am Trapez. Zum Joe-Cocker-Hit „You can leave your hat on“ wird ein Hut in die Darbietung integriert, ohne dass er jemals zu Boden fällt. Leonardo Costache hält mit den Zähnen erst Strapaten, dann eine Art Regenschirmstange, an denen seine Frau ihre Tricks zeigt. Zum spektakulären Abschluss schwebt er im Zahnhang am Trapez; an seinen Füßen ist eine Stange befestigt, an denen wiederum seine Frau sich nur mit den Zähnen hält. Dazu jongliert Leonardo noch und dreht das Paar sich. Ein weiteres Mal erfreut uns auch das Duo Romance, nunmehr am Chinesischen Mast. Wenn Alex den Mast erklimmt, dienen seine Unterarme der Partnerin als „Stufen“. So geht es gemeinsam hinauf. Die meiste Zeit zusammen, aber auch im Wechsel wird ein anspruchsvolles Repertoire gezeigt. Am Ende drückt Alex eine Flagge am Mast, während Maria auf seinem Oberkörper steht. Ein witziger und sympathischer Begleiter durchs Programm ist Jimmy Folco. Er misst sich mit einem Kind aus dem Publikum im Wasserspucken, präsentiert sich als „Strongman“ und „Indianer“ und dreht mit einigen Zuschauern einen Kinofilm. Bei seiner vierten Festivalteilnahme in Namur ist diesmal der Publikumspreis sein Lohn.


Louis Knie jun. 

Der eigentliche Höhepunkt der Vorstellung ist für mich die Pferdenummer von Louis Knie jun., die hier mit Bronze ausgezeichnet werden. Er beginnt mit der Vorführung eines Schulpferdes am langen Zügel. Das wenig edel wirkende Leuchtgeschirr bräuchte es da gar nicht. Es folgen Freiheitsdressuren mit erst sechs, dann zwölf weißen und braunen Arabern und anspruchsvollen Lauffiguren. Zum großen Karussell kommen noch fünf Ponys und drei Friesen hinzu. So ziehen 20 große und kleine Pferde auf drei Bahnen ihre Kreise. In der Mitte des Geschehens Louis Knie jun. Im stilvollen schwarzen Frack dirigiert er seine Rösser temporeich und temperamentvoll, aber doch jederzeit höchst elegant. Mit einem Festival verschiedenster Steiger erreicht die Nummer ihren Höhepunkt, gipfelt im selten gezeigten, sechsfachen Vorwärtssteiger.


Truppe Danguir 

Das artistische Highlight des Programms steuert die achtköpfige Hochseiltruppe von Mustafa Danguir bei und gewinnt dafür Silber. Die Truppe wurde in dieser Form neu zusammengestellt. Zweifacher Auf- und Abgang übers Schrägseil, doppelter Lauf im Zwei-Mann-Hoch über Seil oder der Sprung über zwei Partner sind Bestandteile der schwierigen Trickfolge. Top-Trick ist die Sieben-Personen-Pyramide, die hier – frisch einstudiert – noch mehr als anderswo absolute Ruhe im Publikum und vollste Konzentration der Akteure erfordert. Gut hörbar werden für jeden Schritt die Kommandos gegeben. So ist für besonderen Nervenkitzel gesorgt.

Fürs moderne Licht mit viel Theaternebel und den guten Ton zeichnet Manfred Huber verantwortlich. Er spielt auch das Schlagzeug im vierköpfigen Orchester unter der Leitung von Alex Bozic. Der einmal mehr beweist, dass auch mit einem kleinen Klangkörper ein abwechslungsreicher, schwungvoller, mitreißender Circussound möglich ist.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll