Das Festival ist bereits
vergangen, doch das Programm ist beim Erscheinen dieser
Besprechung, Mitte Dezember, weiterhin zu sehen. Es wurde
unter dem Namen „Sint in de Piste“ im flämischen Sint-Niklaas
gezeigt, macht aktuell Stationen in Frankreich und läuft dann
vom 24. bis 30. Dezember im niederländischen Appeldoorn als
„Wintercircus“. So ist es Emmanuel Horwood gelungen, eine
Tournee mit einer Reihe von Gastspielorten in drei Staaten
Europas zu etablieren. Dort präsentiert er sein Programm
jeweils als Veranstaltung mit Eventcharakter. In Namur führt er selbst
durch die Show.
Steacy Giribaldi, Duo Romance,
Vlad Olandar
Für einen mitreißenden Auftakt
der Show sorgt Steacy Giribaldi. Sie balanciert zu funkiger
Musik auf freistehenden Leitern. Die Italienerin begeistert
mit Ausstrahlung und Können. Besonders eindrucksvoll ist der
Schlusstrick, bei dem sie mit einer Leiter eine Reihe von
Pfosten überquert – erst vorwärts, dann rückwärts. Das
Publikum klatscht begeistert mit. Ein Hochgenuss ist die Strapatennummer des Duos Romance, das bei diesem Festival mit
Gold ausgezeichnet wird. Hier vereinen sich Leistung und
äußerst riskante Tricks, attraktive Akteure und ein
leidenschaftlich zelebrierter Auftritt zu einem wunderbaren
Ganzen. In der Saison 2019 werden Maria Boldojar und Partner
Alex Bogdi im Zirkus Charles Knie zu erleben sein. Rasant geht
es weiter bei der Katzendressur von Vlad Olandar. Die
Stubentiger können nicht nur hervorragend springen und
klettern, sondern auch kegeln oder eine Flitterkanone
auslösen.
Kaely Michels
Gualteri, Sara Biasini Berousek, Duo Costache
Mit viel Energie und Power
heizt das Duo Costache dem Publikum weiter ein. Leonardo
Costache und seine Frau Vita Morondel zeigen zunächst ihre
starke und außergewöhnliche Perchenummer. Dabei wickelt sich
die Dame an Strapaten auf und ab, die an einem Ausleger an der
Perchestange befestigt sind. Beim nächsten Trick steigt
Untermann Leonardo zwei freistehende
Leitern empor, jeweils mit einem Fuß auf einer Leiter, während
er Vita auf einer Stirnperche balanciert. Besonders
wirkungsvoll ist auch der Schlusstrick. Hier dreht die
Partnerin in einem kreisförmigen Gestell Fahrrad-Überschläge, wohlbemerkt am oberen Ende einer Perchestange. Hoch hinaus
geht es auch bei der etwas kurz geratenen Schwungtrapez-Nummer
von Kaely Michels Gualtieri. Wenn das Licht angeht, schwingt
sie bereits mit wehendem Umhang unter der Kuppel. Nach dem
ersten Abfaller lässt sie diesen zu Boden fallen und schließt
Salti und Pirouetten an. Sie wurde mit dem Preis der Stadt Namur
ausgezeichnet. Ebenso viel weiblichen Charme bietet die
Pausennummer. Die junge Sara Biasini Berousek reitet eine
temperamentvolle Ungarische Post. Während ihrer
Stehendreiterei dreht sie zunächst Volten, auf zwei Friesen
stehend, zwischen denen ein weißer Araber läuft. Dann folgt
die eigentliche Post. Biasini Berousek nimmt von schlussendlich zwölf
Vorauspferden die Bänder auf. Louis Knie jun. lenkt das
imaginäre Gespann in der Manegenmitte.
Duo Romance, Jimmy Folco,
Duo Costache
Mit einem Augenzwinkern
verkauft das Duo Costache seine zweite Darbietung, nunmehr am
Trapez. Zum Joe-Cocker-Hit „You can leave your hat on“ wird
ein Hut in die Darbietung integriert, ohne dass er jemals zu
Boden fällt. Leonardo Costache hält mit den Zähnen erst
Strapaten, dann eine Art Regenschirmstange, an denen seine
Frau ihre Tricks zeigt. Zum spektakulären Abschluss schwebt er im Zahnhang am Trapez; an seinen Füßen ist eine Stange
befestigt, an denen wiederum seine Frau sich nur mit den
Zähnen hält. Dazu jongliert Leonardo noch und dreht das Paar
sich. Ein weiteres Mal erfreut uns auch das Duo Romance,
nunmehr am Chinesischen Mast. Wenn Alex den Mast erklimmt,
dienen seine Unterarme der Partnerin als „Stufen“. So geht es
gemeinsam hinauf. Die meiste Zeit zusammen, aber auch im
Wechsel wird ein anspruchsvolles Repertoire gezeigt. Am Ende
drückt Alex eine Flagge am Mast, während Maria auf seinem
Oberkörper steht. Ein witziger und sympathischer Begleiter
durchs Programm ist Jimmy Folco. Er misst sich mit einem Kind
aus dem Publikum im Wasserspucken, präsentiert sich als „Strongman“
und „Indianer“ und dreht mit einigen Zuschauern einen
Kinofilm. Bei seiner vierten Festivalteilnahme in Namur ist
diesmal der Publikumspreis sein Lohn.
Louis Knie jun.
Der eigentliche Höhepunkt der
Vorstellung ist für mich die Pferdenummer von Louis Knie
jun., die hier mit Bronze ausgezeichnet werden. Er beginnt mit
der Vorführung eines Schulpferdes am langen Zügel. Das wenig
edel wirkende Leuchtgeschirr bräuchte es da gar nicht. Es
folgen Freiheitsdressuren mit erst sechs, dann zwölf weißen
und braunen Arabern und anspruchsvollen Lauffiguren. Zum
großen Karussell kommen noch fünf Ponys und drei Friesen
hinzu. So ziehen 20 große und kleine Pferde auf drei Bahnen
ihre Kreise. In der Mitte des Geschehens Louis Knie jun. Im
stilvollen schwarzen Frack dirigiert er seine Rösser
temporeich und temperamentvoll, aber doch jederzeit höchst
elegant. Mit einem Festival verschiedenster Steiger erreicht
die Nummer ihren Höhepunkt, gipfelt im selten gezeigten,
sechsfachen Vorwärtssteiger.
Truppe Danguir
Das artistische Highlight des
Programms steuert die achtköpfige Hochseiltruppe von Mustafa Danguir bei und gewinnt dafür Silber. Die Truppe wurde in
dieser Form neu zusammengestellt. Zweifacher Auf- und Abgang
übers Schrägseil, doppelter Lauf im Zwei-Mann-Hoch über Seil
oder der Sprung über zwei Partner sind Bestandteile der
schwierigen Trickfolge. Top-Trick ist die
Sieben-Personen-Pyramide, die hier – frisch einstudiert – noch
mehr als anderswo absolute Ruhe im Publikum und vollste
Konzentration der Akteure erfordert. Gut hörbar werden für
jeden Schritt die Kommandos gegeben. So ist für besonderen
Nervenkitzel gesorgt. |