Ganz
alleine standen wir mit unseren Eindrücken nicht, denn die
hochkarätig besetzte Jury verlieh dem Trio Anneaux Silber und
den Clowns Bronze. Auch der Publikumspreis ging ans Trio
Anneaux.
Gold, Silber,
Bronze:
Evelyne Paquin-Lanthier
und Shannon Gélinas, Trio Anneaux, Céline Rey und David
Melendy
Vergessen Sie alles, was Sie über Reifenspringen wussten und
bestaunen Sie das Trio Anneaux, könnte man sagen: Maya
Kesselmann (24, USA), Ian Vasquez Lopez (25, Spanien) und
Michaël Hottier (22, Frankreich), Absolventen der Brüsseler
Circusschule, verwandeln diese
Immer-höher-und-weiter-Disziplin der Chinesen in einen
schwerelosen Tanz im Dreiviertel-Takt. Die Reifen stehen hier
nicht nur aufeinander getürmt, sondern werden auch gehalten
oder gar geworfen und wieder gefangen, während die Kollegen
hindurchspringen. Aus Sport wird Kunst, ohne die Leistung zu
vergessen – quittiert mit Riesen-Applaus des Schweizer
Publikums, das erneut seine große Begeisterungsfähigkeit
beweist. 2013 gab es für die Nummer bereits Gold und den
Publikumspreis beim „Cirque de Demain“ in Paris. Das
ultra-sympathische Clownsduo Céline Rey (27) und David Melendy
(23) gerät mehrmals „im falschen Moment“ auf die Bühne und
stört die Moderationen. Dann hat es doch noch seinen ersten
großen Auftritt – eine kreativ umgesetzte Kunstschützen-Szene,
bei der vor lauter Aufregung ständig Luftballons zerplatzen.
Der Arm des Partners dient als „Pumphebel“, mit dem neue
Ballons gefüllt werden. Bezaubernd ist auch das Lied vom
Fliegen, das der 23-jährige Amerikaner Melendy und die
27-jährige Rey aus der französischsprachigen Westschweiz auf
Schweizerdeutsch singen. Gold verlieh die Jury an die beiden
22 und 27 Jahre alten Kanadierinnen Evelyne Paquin-Lanthier
und Shannon Gélinas für ihre Darbietung am still hängenden
Trapez mit zwei übereinander angebrachten Trapezstangen. Diese
Anordnung ermöglicht neue, schwierige Kombinationen, die hier
zu ruhiger, fast sparsamer musikalischer Begleitung dargeboten
und zusätzlich mit dem Preis des Circus Monti bedacht wurden.
Jubelnde Preisträger ("Jonglissimo"),
smarter Moderator Max Loong und edle Zeltanlagen
Das
Festival unter der Leitung von Nadja Hauser fand erneut im
edlen Ambiente des reisenden Theaters „Das Zelt“ auf der
Basler Rosentalanlage statt. Licht- und Tontechnik sind hier
vom Feinsten, das deutsche Quintett „Äl Jawala“ spielte wieder
zwischen den Nummern sowie zum Ensembletanz in Opening und
Finale, und der smarte Max Loong moderierte einmal mehr
professionell. Die Show wurde von Samstag bis Dienstag fünfmal
gezeigt, in den letzten beiden Vorstellungen war die
hochkarätig besetzte Jury anwesend. Sie bestand aus der
Artistin und Circus-Regisseurin Masha Dimitri, Talentscout
Philippe Agogué vom Cirque de Soleil, Entertainment-Chef
Werner Buss von den GOP-Varietés, Christoph Haering vom
Kultursponsoring der Migros, Trapezartist Christoph Gobet (Duo
„Sorellas“), Unterhaltungsdirektor Ian Jenkins vom Europa-Park
und Chefchoreograph Richard Wherlock vom Basler Ballett.
Darüber hinaus durfte eine Kinderjury den „Young Star“-Preis
vergeben. Die Kids entschieden sich für die vier Österreicher
Manuel (27) und Christoph (31) Mitasch sowie Daniel Ledel (19)
und Dominik Harant (20). Sie jonglieren im Dunkeln mit
Keulen, die dank Computer-Programmierung immer wieder ihre
Farben wechseln. Insgesamt eine Darbietung, die mehr vom
Schauwert und der technischen Umsetzung als von der
artistischen Leistung lebt.
Duo
Anivia, Duo Inart, 15ft6
Schließlich gab es bei diesem Festival auch sieben Engagements
zu gewinnen – davon eines in der Schweiz und sechs in
Deutschland. So darf das Silber-prämierte Trio Anneaux sich
auch über ein Engagement bei der GOP-Gruppe freuen, die mit
dem Kinderpreis ausgezeichnete Truppe „Jonglissimo“ wird man
beim „TUI Feuerwerk der Turnkunst“ antreffen, und die Clowns
werden im Freiburger Varieté am Seepark zu erleben sein. Das
Duo Inart, Olga Karabanova (21) und Roman Novitskyi (24) aus
der Ukraine, kombiniert sehr gefühlvoll dargeboten und zu
romantischer Musik Hand-auf-Hand- und Wurfakrobatik. Der
interessante und starke Schlusstrick: Olga liegt bäuchlings
auf den nach oben gestreckten Händen ihres stehenden Partners,
um einen Vorwärtssalto zu drehen und wieder in der
Ausgangsposition zu landen. Während das Duo Inart mehr im
klassischen Stil arbeitet, wird man den Russischen Barren des
Trios „15ft6“ dem „Cirque Nouveau“ zuordnen können. Die
überdrehte Fliegerin Tain Molendijk (20, Australien) und die
beiden Untermänner Jasper d’Hondt (26, Belgien) und Richard
Fox (25, Großbritannien) lassen sich viel Zeit für Schabernack
zwischen den wenigen Sprüngen, die dann aber ohne
Hilfestellung sauber gestanden werden. Dafür gab es, neben
viel Applaus, ein Engagement in einer Show des Europa-Parks
und den Preis der Schweizer Circus-, Varieté- und
Artistenfreunde CVA. In einer Produktion des Circus Roncalli
wird Lucas Bergandi (23, Frankreich) auftreten dürfen. Er
tanzt auf einem Drahtseil, das über keine Plattform links und
rechts verfügt – so muss er die komplette Darbietung in
Balance auf dem Seil verbringen. Flic Flac sowie Vorwärts- und
Rückwärtssalto gehören zum Repertoire. Letzterer scheiterte in
der besuchten Vorstellung (ohne Juryteilnahme) leider bei
allen drei Versuchen. Was beim Festival als „Aerial Bambou“
angekündigt wurde, heißt andernorts schlicht Hängeperche: Als
Vertreter dieses selten gezeigten Genres gewann das Duo Anivia,
die Finnin Onna Degerman und der Amerikaner Jordan Webb (beide
22), ein Engagement beim Freiburger Weihnachtscircus Circolo.
Auf longengesicherte Voltigen und einen Salto der Dame folgt
hier ein Wirbel an einer Handschlaufe, bei dem die Partnerin
in vollem Tempo ausgedreht wird. Zu Klaviermusik als
romantische Lovestory verkauft, ist diese eher klassische
Darbietung sicher vielseitig einsetzbar.
Beata Surmiak und Jamie Swan, Diaboloshow aus
Taiwan, Pavel Yeusiukevich
Die
weiteren Darbietungen mussten ohne Preis nach Hause fahren. Zu
nennen wären hier Pavel Yeusiukevich (24, Weißrussland) mit
Jonglagen im klassischen Circusstil (u.a. sieben größere Bälle
mit zwei „Fangkörben“ am Gürtel, neun Ringe plus Ball auf dem
Kopf, zehn Ringe). Leider patzte Yeusiukevich in der besuchten
Vorstellung mehrfach. Die zweite Kombination von Hand-auf-Hand
und wurfakrobatischen Elementen, die bei diesem Festival zu
erleben war, ging leer aus: Die Polin Beata Surmiak und ihr
britischer Freund Jamie Swan verzehren sich auf, unter und um
einen Stuhl nacheinander. Das Cyrrad hat im modernen Circus in
den letzten Jahren einen wahren Siegeszug angetreten. Hier war
es doppelt vertreten: Lokalmatadorin Nora Zoller aus Basel
(20), Absolventin der Berliner Artistenschule, beginnt ihre
Darbietung in der Luft; erst im zweiten Teil der Darbietung
funktioniert sie den großen Luftring zum Cyrrad um. Ihre
finnische Kollegin Rosa Tyyskä (23) setzt bei ihrer Variante
des Cyrrades auf besonders energiegeladene und rasante
Drehungen und Wendungen. Das „Swing Bike“ ist ein Fahrrad, bei
dem sowohl mit dem Vorder- als auch mit dem gleichermaßen
beweglichen Hinterrad gelenkt werden kann. In seiner Nummer
mit diesem Gefährt zeigt Benjami Renard (26, Frankreich)
viele Gags und wenige Tricks. Mit großen Erwartungen war
sicher das Quintett aus Taiwan angereist, das als
Schlussnummer die Diabolos tanzen ließ, auch mit leuchtenden
Requisiten auf der abgedunkelten Bühne. Einer der jeweils
20-jährigen Jungs ließ gar alleine vier Diabolos fliegen –
einen Preis gab es dennoch nicht.
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