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Böblingen, 2. September
2007:
Alexander, genannt Alex, Lacey war zwölf, als er zum ersten Mal einen
Raubtierkäfig betrat. Heute gibt der 31jährige Lacey augenzwinkernd zu,
dass er im Angesicht der sechs männlichen Löwen seines Vaters einen
gehörigen Schreck bekam: „Raubkatzen wirken schon von außerhalb des
Käfigs betrachtet sehr mächtig, steht man ihnen dann im Käfig gegenüber,
wirken sie gleich zwei Mal so groß“. Seiner „großen Passion“ für
Raubkatzen tat dieser erste Kontakt aber keinen Abbruch, konsequent
arbeitete der Sohn der britischen Raubtiertrainer Martin und Susan Lacey
auf sein großes Ziel, eine eigene gemischte Raubtiergruppe, hin.
Zunächst half er in den Ferien, Alex besuchte wie seine Brüder Martin
und Richard ein Internat, bei der Pflege der Löwen und Tiger seines
Vaters. |
1993
war es dann soweit: Der damals 17jährige Alex Lacey stand zum ersten Mal
eigenständig, mit einer fünfköpfigen Tigergruppe, die sein Vater
trainiert hatte, im roten Ring. Weitere vier Jahre später, im Juli 1997,
entschieden Alex und Martin, dass es für ihre weitere Entwicklung besser
sei, den elterlichen Circus zu verlassen. Sie heuerten schließlich bei
Dicky Chipperfield an. In dessen Winterquartier unterstützten sie die
englische Circuslegende beim Training und der Pflege seiner Raubkatzen.
Es war eine anstrengende aber auch enorm lehrreiche Zeit, sagt Alex
Lacey heute: „Wir lernten vor allem, indem wir aufmerksam beobachteten,
wie Chipperfield seine Tiere trainierte“. Zudem hatten die beiden
Raubtier vernarrten Brüder das Glück, dass Jim Clubbs Winterquartier
gleich gegenüber lag. Auch dort schauten die beiden so oft wie möglich
beim Training zu, um von dem erfahrenen Raubtiertrainer zu lernen. Erst
am Nachmittag, wenn Chipperfield mit seinen Gruppen durch war, konnten
die Laceys mit ihren eigenen Tieren - zwölf Tiger und Löwen aus eigener
Zucht – probieren. Aus dieser 12er-Gruppe wählte Alex schließlich acht
Tiere (vier Tiger, drei Löwinnen und einen Löwen) aus, die er auch heute
noch in der Manege präsentiert. Während sein Bruder Martin Lacey jr. in
den folgenden Jahren mit verschiedenen Chipperfield-Gruppen ins
Engagement ging, führte Alex sein erster Vertrag nach Irland zum
American Three Ring Circus, später umbenannt in Circus Vegas, der
Familie Courtney. Dieser Circus, so Lacey entspreche von der Größe her
in etwa dem Circus Barum, sein Stil sowohl in als auch außerhalb der
Manege sei aber eher amerikanisch geprägt. Wie überhaupt die irischen
Circusse mit ihren riesigen amerikanischen Trucks und dem omnipräsenten
Ringmaster, oftmals anmuteten wie direkt aus einem Comic entnommen. „Als
ich nach Irland ging“, erinnert sich Alex schmunzelnd, „hatte ich bloß
einen alten LKW samt Käfigwagen.“ Zum Glück sprang Jim Clubb ein und
lieh Alex den dringend benötigten Zentralkäfig samt Tunnel und
Postamenten. Mit Hilfe seiner ersten Gagen konnte Alex die Requisiten
schließlich im Laufe der Saison erwerben. In Irland blieb Lacey
schließlich vier Jahre.
Dort,
im Circus von John und Steven Courtney, lernte er auch seine
Lebensgefährtin Elaine Courtney, eine Schwester der beiden Direktoren,
kennen und lieben. Elaine ist ein waschechtes Circuskind, ihre
Verwandten betreiben in Irland mehrere Circusse. Bereits mit sechs
Jahren wollte sie es ihrer Schwestern gleich tun und gemeinsam mit ihr
eine Luftnummer einstudieren. Während die Schwester die Qualität ihrer
Nummer gefährdet sah und hoffte, dass die kleine Courtney umkehren
würde, wenn sie die Strickleiter erstmal zur Hälfte erklettert hätte,
ließ sich Courtney nicht beirren auf ihrem Weg Richtung Circuskuppel.
Dort arbeitete sie zunächst am Solo-Trapez und war mit dieser Nummer
auch in Übersee engagiert, u. a. beim berühmten Circus Tihany in Mexiko.
Heute begeistert die 39jährige Elaine das Circuspublikum mit ihrer
waghalsigen Arbeit am Schwungtrapez, sie selbst nennt ihr Requisit „cloud
swing“ (engl. für „Wolkenschaukel“).
Zeit zum Trainieren ihrer eigenen Nummer
bleibe kaum, räumt Elaine ein, statt dessen ist sie fest in die Arbeit
ihres Lebensgefährten mit den Tieren eingebunden: Sie hilft beim
Training, sorgt dafür, dass die Tiere nach Verlassen des Zentralkäfigs
in ihr Abteil gehen und steht während der Nummer als „Alex zweites Auge“
am Zentralkäfig. „Elaine ist mir wirklich eine große Hilfe: Sie gibt mir
Sicherheit, indem sie mich daraufhin weist, wenn hinter meinem Rücken
etwas ungewöhnliches passiert“.
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Diskussionen
gibt es im Hause Courtney/Lacey nur um den sogenannten
„Rachentrick“. „Elaine mag es nicht, wenn ich Massai den Kopf in den
Hals stecke“, gibt Alexander Lacey zu. Dabei sei der Trick absolut
sicher, da es alleine von Massai abhänge, ob er den Trick in der
Vorstellung zeige oder nicht. Oder anders ausgedrückt: Wenn Massai
nicht will, entfällt der Rachentrick. Umstritten ist freilich auch
die Zukunft von Töchterchen Katrina. Während Alex es gern hätte,
dass die heute dreijährige dereinst in seine Fußstapfen tritt, hofft
Elaine, dass ihr Nachwuchs einen sicheren Weg einschlägt. Wie dem
auch sei, Katrina wird am Ende selbst entscheiden, denn „zwingen
werden wir sie zu gar nichts“. |
Laceys erste Station in Kontinentaleuropa und der erste Höhepunkt in
seiner noch jungen Karriere war dann im Januar 2002 ein Engagement im
Münchner Circus Krone-Bau, gefolgt von einer Tour durch Frankreich mit
dem Cirque Medrano. Bereits 2003 folgte dann die verdiente Würdigung
seiner Arbeit durch die Fachwelt: Alex gewann beim Circusfestival in
Monte Carlo einen silbernen Clown. Auch Gerd Siemoneit-Barum, der neben
Günther Gebel-Williams zu den großen Vorbildern Laceys gehört, zeigte
sich beeindruckt und verpflichtete den jungen Briten als seinen
Nachfolger. In den vier Jahren, die Lacey bei Barum engagiert war, hat
er seine Darbietung schrittweise verfeinert und zum Beispiel um den
steigenden Tiger ergänzt. Zurzeit feilt Lacey an einem ganz besonderen
Trick: Er will zwei Tiger parallel auf den Hinterbeinen gehen lassen,
und zwar einen vorwärts und einen rückwärts. Im Training, erzählt Lacey,
funktioniere der Trick schon passabel, er werde ihn allerdings erst in
der Manege zeigen, wenn er absolut perfekt aussehe. Dieses Vorgehen
passt vortrefflich zu Alexander Laceys Dressur-Stil, der selbst die
technisch schwierigsten Tricks spielerisch leicht erscheinen lässt. Er
selbst sagt über sich, dass er in der Manege darauf achtet „die Tiere
und nicht seine Person in den Mittelpunkt“ zu stellen. Perfekt gibt er
den gut aussehenden Gentleman, der in vollkommener Harmonie zu seinen
Tieren steht. |
Außerdem sei ihm
wichtig, seine gemischte Raubtiergruppe auch als solche vorzuführen,
sprich viele interaktive Tricks, an den sowohl Löwen als auch Tiger
beteiligt sind, zu zeigen. Besonders stolz ist er dementsprechend
auf sein „Trademark“, den Trick, bei dem sich zwei Tiger mit ihren
Vorderpfoten auf Massais Rücken abstützen. Dabei, räumt Lacey ein,
sei der Trick gar nicht mal so schwierig, zumal sich die beiden
weiblichen Tigern sowieso sehr gut mit Massai verstünden.
Aufmerksamen Zuschauern zeigt sich die tierische Zuneigung vor allem
beim achtfachen Hochsitzen, wenn Massai abwechselnd mit den beiden
links und rechts von ihm sitzenden Tigerinnen schmust. |
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Etwas
bedauerlich findet es Alex Lacey, dass aufgrund der gestiegenen
Haltungsanforderungen eine große gemischte Raubtiergruppe mit Bären,
Groß- und Kleinraubkatzen wie sie Siemoneit seinerseits präsentierte
heuer nicht mehr möglich, weil schlicht zu teuer sei. Man denke nur an
die nötigen Investitionen für Außenkäfige. Trotzdem plant Lacey, quasi
als Kompromiss, in seine neue Raubtiergruppe zwei Leoparden zu
integrieren. Bereits Ende diesen Jahres plant Lacey mit der Nachzucht
der dafür nötigen Tiere zu beginnen. Mit dem eigentlichen Aufbau der
Gruppe wird Lacey aber erst in zwei Jahren beginnen, wenn die Jungtiere
bereit fürs Training sind. In ihren ersten zwei Lebensjahren gelte es
zunächst, den Nachwuchs an Tunnel und Manege zu gewöhnen.
Alexander Lacey und Elaine Courtney werden im übrigen auch 2008 mit dem
Zirkus Charles Knie auf Tour gehen. Für die beiden darauf folgenden
Saisons hat Alex dagegen Anfragen vom Schweizer Nationalcircus Knie und
Arlette Gruss. Danach können sich die Laceys durchaus vorstellen, zu
Charles Knie zurückzukehren. Unisono loben sie die gute Atmosphäre und
das clevere Marketing von Circusdirektor Sascha Melnjak, das stets für
ein gut besetztes Chapiteau sorge. Und so ist es auch nicht
verwunderlich, dass die Laceys 2008 bereits zum zweiten Mal beim
ebenfalls von Melnjak organisierten Heilbronner Weihnachtscircus
auftreten werden. Ebenfalls zum zweiten Mal sind Alexander Lacey und
Elaine Courtney in dieser Saison in Hamburg beim Hagenbecker
Dinnercircus engagiert. Momentan ist Alex außerdem gemeinsam mit seinem
Bruder Martin auf der Suche nach einem geeigneten Winterquartier in
Bayern, das nach dem Vorbild von Krones Gestüt Wessling zugleich als
Altersruhesitz für ehemalige Circustiere genutzt werden soll.
Während seine berufliche Zukunft und die seiner Familie also gesichert
ist, kämpft Lacey mit vollem Einsatz um die Zukunft des klassischen
Circus mit Tieren. Es gehe in erster Linie darum, „unser Publikum“ zu
unterrichten. Die „Anti-Circus-Leute“ können man sowieso nicht ändern,
dem interessierten, dem Circus grundsätzlich positiv gegenüber stehenden
Publikum allerdings müsse man mit öffentlichen Dressurproben sowie einer
sorgfältig gestalteten Tierschau gegen die Argumente der Tierrechtler
immunisieren. Ihnen zeigen, dass Dressur nicht auf Gewalt, sondern auf
Vertrauen zwischen Mensch und Tier beruht, dass die Arbeit in der Manege
für die Tiere eine willkommene Abwechslung ist, und dass selbst das
Umherreisen positiv für die Tiere sei, weil sie dadurch ständig
wechselnden Reizen ausgesetzt werden und so nicht abstumpfen. An seine
Berufskollegen appelliert er zudem der ECA beizutreten: „Jeder
Tierlehrer sollte Mitglied sein“, um mit seinem Mitgliedsbeitrag dabei
zu helfen, dass die ECA dem Circus weiterhin auf europäischer Ebene eine
starke Stimme gibt. Es besteht kein Zweifel: Alex Lacey liebt, was er
tut. Er ist mit Leib und Seele „Team Captain“ und Freund seiner
vierbeinigen Schützlinge. Dementsprechend spricht Lacey über seine
Arbeit auch nicht als Job, sondern bezeichnet sie als „way of life“, der
einen rund um die Uhr fordere. Und so muss Alex Lacey augenzwinkernd
eingestehen, dass er wohl mehr Zeit mit seinen Tieren als mit seiner
Frau verbringe.
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Text (erschien
auch in der CZ 7/07): Sven Rindfleisch; Fotos: Zirkus Charles
Knie, Maximilian Zwick, Sven Rindfleisch
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