CHPITEAU.DE

Carmen Zander
Leistungssportlerin - Artistin - Tierlehrerin
www.carmen-zander.de

Schweinfurt, 4. Januar 2009: Sie war Leistungssportlerin in der DDR mit zahlreichen Meistertiteln, eroberte später als ausgebildete Artistin die Varietébühnen und ist nun eine der ganz wenigen Frauen, die Raubtiere dressieren und vorführen. Die Rede ist von Carmen Zander (35). „Ich würde diesen Weg heute genauso wieder gehen“, sagte sie beim Interview mit Chapiteau.de. Wir sprachen mit der selbstbewussten und sympathischen Künstlerin beim Weihnachtsgastspiel des Circus Carl Busch in Schweinfurt.

Carmen Zander, geboren 1973 in Chemnitz (damals Karl-Marx-Stadt), hat in der DDR 15 Meistertitel in der Rhythmischen Sportgymnastik gewonnen. Eine Verletzung zwang sie, mit dem Hochleistungssport aufzuhören – aber sie wollte unbedingt auf die Bühne. „Da blieb dann nur die Wahl, entweder Tänzerin im Friedrichstadtpalast zu werden oder an die Berliner Artistenschule zu gehen“, erinnert sich Carmen Zander. Fürs Revuetheater reichte aber ihre Körpergröße nicht. So machte sie also die Ausbildung zur staatlich geprüften Artistin, erhielt die übliche Grundausbildung in allen Disziplinen und spezialisierte sich schließlich auf Jonglage. Mit der Note „sehr gut“ schloss sie 1993 nach vierjähriger Ausbildung ab, bereits zwei Jahre zuvor hatte sie den „Goldenen Elefanten“ beim 5. Europäischen Circus Nachwuchs-Festival (dem heutigen „Europan Youth Circus“) in Wiesbaden gewonnen.


Hundeshow mit Barry, Hula Hoop als "Kätzchen" und klassisch

Die nun staatlich geprüfte Artistin arbeitete seitdem freiberuflich, zunächst als Jongleuse, später vor allem mit ihrer Hula Hoop-Show, außerdem am Trapez und mit Hund „Barry“, bei Galas und in Varietés. Einige Jahre lang war sie die Assistentin André Sarrasanis bei dessen Illusionsshow. Besondere Bedeutung sollte aber ihr Engagement im damaligen Circus Rafaeli der Familie Korittnik haben: Carmen Zander tanzte während (!) der laufenden Raubtiernummer im Zentralkäfig. Dort habe sie von Juniorchef Markus Korittnik sehr viel über Raubkatzen gelernt – und ihre Faszination für die gefährlichen Schönheiten entdeckt. Ich wusste, dass es möglich ist, eine fertige Nummer von einem erfahrenen Tiertrainer zu übernehmen“, sagt Zander. Also bewarb sie sich 2003 bei Dresseur Marcel Peters, wurde genommen und in Spanien eingewiesen – und führte dann kurze Zeit im Circus Hermann Renz eine siebenköpfige Tigergruppe vor, weil die vorherige Präsentatorin Rita Labahn hochschwanger war. Aufgrund von Streit brach Carmen Zander dieses Engagement ab, doch bereits im darauf folgenden Jahr, 2004, unternahm sie einen neuen Anlauf: Sie bewarb sich bei René Strickler, arbeitete mit ihm in dessen Raubtierzoo, trainierte auch die Gruppe Pumas. „Aber der Drang, eigene Tiere zu haben, war riesig“. Also sparte sie, und im November 2005 leistet sie dann bereits die erste Anzahlung an den Safaripark Stukenbrock (Nordrhein-Westfalen). Vier Monate später, im März 2006, nahm sie dort ihre Tiere in Empfang: fünf junge Tiger aus einem Wurf, vier Weibchen und ein Männchen, gerade viereinhalb Monate alt. In der Zwischenzeit hatte sie in Leipzig  die notwendigen Papiere und die tierschutzrechtliche Genehmigung nach dem § 11 erworben. „Ich musste eine theoretische und praktische Prüfung machen, meine Ausbildungsstationen als Tierlehrerin aufzeigen, die vorgesehenen Käfigwagen und Freigehege überprüfen lassen“, beschreibt Zander die hohen Hürden. „Und dann habe ich mich natürlich riesig gefreut, als alles geklappt hatte.“

Carmen Zander zog die Tiere dann mit der Flasche groß – und das sei auch eine zusätzliche Schwierigkeit. „Die Tiere sehen mich praktisch als ihre Mutter, deshalb sind sie oft frech und haben keinen Respekt“. Gleichzeitig aber erwiesen sich die jungen Tiere als sehr talentiert, waren im Zentralkäfig schnell platzfest – obwohl ihnen ältere Tiere als Vorbilder fehlen. So präsentierte Carmen Zander bereits in der Saison 2006 eine Dressurschule im Circus Herkules. Vor Publikum trainierte sie mit den jungen Raubkatzen zum Auftakt des Programms. 2007 war sie dann im Circus Carl Busch zu sehen, 2008 zunächst im Münchner Krone-Bau, dann beim italienischen Circus Lidia Togni und seit September wieder bei Carl Busch. Hier wird man ihre Darbietung nach der Winterpause auch 2009 wieder bewundern können. Übrigens gönnt Zander nach einer langen Saison mit vielen Auftritten ihren Tieren gerne einmal eine mehrwöchige Auftritts-Pause. „Ich denke, das ist ganz wichtig“. Viel Arbeit – das hat Carmen Zander selbst natürlich auch, außer bei Dressur, Vorführung und Tierpflege zum Beispiel im organisatorischen Bereich.

Unterstützt wird sie stets von ihrem 23-jährigen Bruder Kai-Michael Breuer. Der gelernte Kfz-Mechaniker ist vor allem für die technischen Fragen zuständig. „Es ist einfach toll, das zusammen zu machen. Mein Bruder ist sehr zuverlässig, und ich kann ihm voll vertrauen – mit einem normalen Angestellten würde das so nicht funktionieren“, sagt Carmen Zander. Auch wenn sie Circus als Show mag und gerne, soweit es die Zeit erlaubt, auch die Vorstellungen anderer Unternehmen besucht – das Leben hinter den Kulissen schätzt sie nicht. „Mal fällt der Strom aus, mal frieren die Wasserschläuche ein, und ich hasse Kälte. Zudem ist mein Wohnwagen zwar zehn Meter lang, aber ich finde es trotzdem beengt“. Spaß macht ihr dagegen das Umsetzen in andere Städte: „Ich fahre leidenschaftlich gerne meine Zugmaschine“.

Nachdem Carmen Zander, wie sie sagt, zehn Jahre lang darauf hingearbeitet hat, Raubtierdresseurin zu werden, ist sie nun stolz auf das Erreichte und möchte ihre Nummer dennoch noch viel weiter entwickeln, um neue Effekte bereichern, aber mehr noch nicht verraten. Wie bereits kurz erwähnt, ist die Arbeit mit Raubtieren nicht ihre erste Erfahrung als Tierlehrerin: Bereits 1996 hatte sie einen Berner Sennenhund gekauft und mit ihm eine Nummer einstudiert. „Das war eine tolle Sache für Varietés“. Leider ist das Tier mittlerweile verstorben, doch Carmen Zander besitzt mittlerweile einen neuen Hund – und dieser lebt derzeit mit ihrem hinzugekauften Jungtiger Sandokahn zusammen. „Ich will schauen, ob das auf Dauer funktioniert und die beiden vielleicht einmal gemeinsam auftreten können“. Als Vorbild bei ihrer Arbeit nennt sie René Strickler, weil dieser stets seine Tiere in den Vordergrund stelle und nicht sich selbst. Generell legt sie Wert auf eine sanfte Dressur. „Mit Gewalt geht es sowieso nicht, das fängt ja schon damit an, dass ich die körperliche Kraft dafür gar nicht hätte“. Anerkennung wünscht sie sich für die Gefährlichkeit ihrer Arbeit, zumal sie sich den Tigern hautnah nähert, ohne Distanzbereich. Dass die Tiere ihr selbst gehören, hat für Carmen Zander den entscheidenden Vorteil, „dass ich selbst entscheiden kann, wo ich arbeite – und wenn die optimale Versorge meiner Tiere bei einem Unternehmen nicht gewährleistet ist, dann kann ich auch gehen“. Bei Carl Busch freilich fühlt sie sich in guten Händen.

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Text: Markus Moll; Fotos: Stefan Gierisch, Sven Rindfleisch, Carmen Zander und Circus Carl Busch