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Sandy Ernesto
Ein "Clown der Situation" in und außerhalb der Manege

Wiesbaden, 3. Oktober 2009. Sandy Ernesto war gerade vier Jahre alt, da bestand sie darauf: „Ich will in die Waschmaschine.“ Obwohl ihr Vater zunächst gar nicht von dieser Idee begeistert war, gab er irgendwann nach und integrierte die kleine Sandy in das bekannte Waschmaschinen-Entree der Bubi Ernesto Familie. In jenem schrumpft die italienische Clownstruppe seit Generationen einen ausgewachsenen Clown auf Minimalmaße. Die Rolle des geschrumpften Clowns war es natürlich auch, auf die es Sandy abgesehen hatte. „In den ersten Wochen“, räumt die heute 23-Jährige schmunzelnd ein, „habe ich allerdings regelmäßig die ganze Nummer kaputt gemacht.“ Insbesondere konnte sie es nicht lassen, aus Neugierde, den Deckel der Waschmaschine zu öffnen und zu schauen, was denn da in der Manege so vor sich geht. Zurzeit – die Bubi Ernesto Familie ist in diesem Jahr wiedermal beim Circus Carl Busch der Familie Wille engagiert – ist das Waschmaschinen-Entree übrigens nicht zu sehen.

„Mein kleiner Bruder Johnny (13) ist inzwischen einfach zu groß geworden“, erklärt Sandy. Ihr Vater Johnny Ernesto hätte daher nichts dagegen, sobald wie möglich Opa zu werden. Zurzeit besteht die Bubi Ernesto Familie aus Papa Ernesto, seiner von privat kommenden Frau Bernadette und den vier Kindern: Ofelia (29), Sandy, Johnny jr. und Paolo (27). Letzterer ist inzwischen mit Veronika Faltyny aus der bekannten tschechischen Artistenfamilie verheiratet. Gemeinsam zeigen die beiden als Skating Ernesto eine temporeiche Rollschuhnummer. Paolo ist als zweiter August außerdem weiterhin Bestandteil des großen Musical-Entrees, in dem auch Familienoberhaupt Johnny, Johnny jr. und Ofelia (als Weißclown) mitwirken.

Sandy dagegen konzentriert sich derzeit auf ihre Auftritte als Reprisenclown. Ihre Lieblingsnummer sind: „Ganz klar, die vier Stühle!“ Zur Musik von „New York, New York“ bittet sie mit Hilfe der Unterstützung von drei attraktiven  Tänzerinnen (Natascha Wille-Busch, Veronika Faltyny und Jermena Frank) ihre „Opfer“ aus dem Publikum so charmant in die Manege, dass diese gerne mitmachen. Wie überhaupt Sandys warmherzige Art großen Anteil daran hat, dass sie beim Publikum außergewöhnlich gut ankommt. Als ihr Vorbild nennt sie ihren verstorbenen Großvater. Dieser war es auch, der die Familie unter dem Künstlernamen Bubi Ernesto bekannt machte, in offiziellen Dokumenten ist die Familie dagegen als Pilch Konyot vermerkt. Das erste Mal als Clownesse in der Manege stand Sandy mit 15 Jahren in Italien. Doch bereits mit 13 Jahren, so erzählt sie, habe sie begonnen ihren eigenen Stil zu finden. Zunächst experimentierte Sandy mit dem Kostüm und ihrer Maske: „Meinem Vater gefiel zum Beispiel nicht, dass ich mich mit Glitzer schminkte. Letztendlich habe ich mich aber durchgesetzt.“ Ihre Rolle in der Manege zu finden, sei ihr dann nicht schwer gefallen, schließlich gelte sie auch außerhalb des Rampenlichts als „Clown der Situation“, der für seine Späße und permanent gute Laune bekannt sei. „Es hat auch noch keinen Tag gegeben, an dem ich keine Lust hatte, in die Manege zu gehen“, betont sie. Wobei sie gleichzeitig einräumt, dass es „natürlich mehr Spaß macht, wenn die Leute von Anfang an mitgehen.“

Die ersten Kontakte mit dem Publikum kann Sandy dabei bereits lange vor der Show knüpfen, sitzt sie doch beim Circus Carl Busch regelmäßig an der Kasse. „Mein Arbeitstag beginnt um zehn Uhr morgens und endet um 22.30 Uhr nach der Abendvorstellung“, sagt sie, schränkt aber gleich ein, dass der rechnerische 12,5-Stunden-Tag nicht so dramatisch sei, wie er sich anhöre:  „Wir Zirkusleute haben das Glück, dass unser Arbeitsplatz gleichzeitig unser Zuhause ist.“ Da bleibe zwischendurch immer genügend Zeit, um private Dinge zu erledigen. Dennoch freut sich Sandy immer ganz besonders auf den Sonntag: „Da haben wir schon früher frei und können ins Kino, zum Bowling oder ins Restaurant gehen.“ Auch Besuche von anderen Artisten stehen dann auf dem Programm. Den Mann fürs Leben hat Sandy im Übrigen noch nicht gefunden: „Der Richtige ist noch nicht gekommen!“ Ob ihr Zukünftiger dabei aus der Zirkusszene oder von privat stammt, ist Sandy gleich, das könne man sich sowieso nicht aussuchen, wenn „das Herz kommandiert“. Aber eins steht fest, wer Sandys Herz erobern will, sollte auf jeden Fall bereit sein, im Wohnwagen zu leben. Denn das Leben „auf der Reise“ will Sandy, wie es sich für ein echtes Circuskind gehört, auf keinen Fall aufgeben.

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Text und Fotos: Sven Rindfleisch