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Petra und Roland Duss
Seelöwendressur - Sympathisch und so präzise wie ein Schweizer Uhrwerk
www.duss-sealions.de

Duisburg, 29. Mai 2010: Eigentlich saß die gelernte Bürokauffrau nur aushilfsweise an der Kasse des Freizeitparks. Doch dieser Job im Erse Park Uetze veränderte ihr Leben grundlegend. Denn in dem Park gab es eine Seelöwenshow. Sie verliebte sich in den Trainer der Meerestiere und heiratete ihn schließlich 1983. Zwei Jahre später schmiss sie ihren bürgerlichen Job und widmete sich ebenfalls ganz den Tieren. Die Frau heißt Petra und ihr Mann Roland Duss. Ihre „Familie“ ist derzeit rund 130 Flossen (Schwanzflossen nicht mitgerechnet) stark. Etwa 65 Seelöwen gehören den beiden sowie Rolands Bruder Rene. Sie sind hauptsächlich in Parks in verschiedenen Ländern Europas zu sehen. Noch „zu Hause“ wohnen derzeit vier kalifornische Tiere, allesamt Bullen.

„Zu Hause“ heißt in diesem Fall in einem 100.000 Liter fassenden Bassin und einem ebenfalls mit einem Bassin versehenen Transporter nahe dem Wohnwagen ihrer Trainer. Dabei handelt es sich um Chico (18 Jahre), Tino (14), Joe (8) und Charly (7). Die ersten beiden sind bundesweit durch die ZDF-Serie „Hallo Robbie“ bekannt geworden. In der Circuswelt aber hat das gesamte Quartett einen ausgezeichneten Ruf. Man darf sicherlich ohne Übertreibung von der aktuell besten Seelöwendarbietung in einem (europäischen) Circus sprechen. Nicht zuletzt der Silberne Clown, der ihnen im Januar beim Internationalen Circusfestival von Monte Carlo verliehen wurde, spricht für sich. Wie seine Frau Petra, kommt auch Roland Duss aus bürgerlichen Verhältnissen. Geboren in Luzern und aufgewachsen im Kanton Fribourg lernte er zunächst den Beruf des Gartengestalters. Doch in seiner Familie spielten Tiere schon immer eine wichtige Rolle. Die Voliere vor dem Haus der Familie war einer der Anziehungspunkte im Ort. Den Einstieg in die Arbeit mit Meerestieren ebnete ihm sein Bruder. Dieser bekam über den Schweizer Landsmann Walter Moser Kontakt in diese Branche und reiste sodann mit einer Delfinshow durch Südamerika. Irgendwann betrieb der Bruder eine Afrika-Schau im Holiday Park Haßloch und führte außerdem Delfine vor. Hier stieß Roland zu ihm, lernte den Umgang mit den Meeressäugern und reiste fortan selbst mit eigenen Delfinshows. Damit ging es bis hinauf nach Oslo. Zu Spitzenzeiten nannten die Brüder Duss 17 Delfine ihr Eigen, die in verschiedenen Shows zu sehen waren. Irgendwann kam dann der Umstieg auf Seelöwen. Als wichtigsten Grund nennt Roland Duss, dass man mit den Tieren auf Tournee gehen könne, was mit Delfinen irgendwann nicht mehr sinnvoll möglich war. Und das Reisen schätze er sehr.

Die Umschulung von Delfin auf Seelöwe leistete sein erster Seelöwe namens Sammy, den er von einem dänischen Tierlehrer bereits fertig ausgebildet übernahm. „Eine richtige Persönlichkeit“, erinnert sich Duss an dieses wie er sagt „top trainierte“ Tier, das ihm gezeigt habe, „wie eine Seelöwennummer aussehen sollte“. Das Tier habe auch in Nuancen absolut perfekt gearbeitet. Darauf legen Petra und Roland Duss heute noch großen Wert. Diese Präzision ist so etwas wie ihr Markenzeichen geworden. Als Beispiel dafür nennt Roland Duss, dass beim Balancieren von Bällen auf der Schnauze der Mund geschlossen sein sollte. Mit den Seelöwen wurde zunächst nur in Parks gearbeitet. Das änderte sich, als Freddy Knie senior die beiden 1989 in dem Freizeitpark besuchte, wo sie gerade auftraten. Er engagierte zwei der Seelöwen für die Wassershow des Circus Knie (1989), wo sie von Germaine Knie vorgeführt wurden. Gleichzeitig „entdeckte“ Knie die beiden Schweizer für die Circusmanege. 1991 absolvierten die beiden ihre erste Circustournee. Mit ihrer Darbietung bereicherten sie in diesem Jahr das Programm des Nationalcircus, welches nur von Schweizer Artisten bestritten wurde. 1996 kamen sie erneut zu Knie, 2005 waren dort wiederum zwei ihrer patagonischen Seelöwen zu sehen, diesmal vorgeführt von Mary-Jose Knie. Auch heute noch ist man mit dem Hause Knie verbunden. Aktuell ist die „alte“ Darbietung der Familie Duss (u.a. mit dem Bullen Elvis) in Knies Kinderzoo in Rapperswil zu sehen. Eine weitere Tournee verbrachten sie beim Circus Scott in Schweden. Dazu gab es kürzere Engagements im Circus, beispielsweise beim Weltweihnachtscircus, dem italienischen Circo Medrano, im Krone-Bau oder bei Probst (Ost).


Dreharbeiten zu "Hallo Robbie" mit Karsten Speck

Wahnsinnig gerne erinnern sich Petra und Roland Duss an die Dreharbeiten für „Hallo Robbie“, die sich insgesamt über acht Jahre erstreckten. „Das war Flipper live“, schwärmt Roland Duss noch heute. In der Natur mit den Tieren zu sein, sei einfach phantastisch gewesen; Schwimmausflüge mit den Tieren in der Ostsee inklusive. Auch die Tiere hätten die Zeit voll und ganz genossen. Von der Popularität profitieren sie natürlich nach wie vor. Die Zusammenarbeit mit den Schauspielern hat dazu beigetragen, dass die Tiere problemlos mit anderen Menschen agieren. Aktuell in der „Höhner Rockin' Roncalli Show“ zu bewundern, wo Seelöwe Chico eine kleine Einlage mit Höhner-Schlagzeuger Janus Fröhlich hinlegt. Kein Tierlehrer, der im Hintergrund Kommandos gibt. Der Musiker und das Tier agieren direkt miteinander, Küsschen für Logengäste inklusive. Für die ZDF-Serie wurde auch die bestehende Gruppe aufgebaut. Zwei der kalifornischen Seelöwen wurden bei der Familie Duss geboren, die beiden anderen stammen aus Zoos. Grundsätzlich dauere die Grundausbildung bei Seelöwen rund zwei Jahre, erzählt Roland Duss. Die Idee für die Gestaltung der Manegenshow hat er einer Postkarte des französischen Cirque Bouglione entnommen. Eingebaut wurde dabei ein Treppengestell, dass sich schon länger im Besitz der Familie Duss befindet und dank der massiven Bauweise bei den Requisiteuren besonders beliebt ist. Die Requisiten haben in der Tat einen nostalgischen Touch. Die Tricks sind natürlich up to date und vom Feinsten.

Mich persönlich fasziniert nicht nur, wie die Tiere mit ihren Trainern agieren, sondern auch untereinander. Etwa wenn sich zwei der Seelöwen gegenseitig einen Ball mit den Schnauzen zuspielen und dafür auch mal (fast) in die Loge hechten. Noch nie zuvor gesehen habe ich ebenfalls, dass Seelöwen auf Kommando lächeln oder den „Schnurrbart“ zeigen. Die häufige Belohnung mit Fisch haben die beiden ganz bewusst eingebaut. So erhalte die Show noch mehr Schwung. Und einen schwungvollen Stil bevorzugen die Tierlehrer. Natürlich läuft bei Seelöwen die Dressur insgesamt über Fischbelohnung. Zur Gruppe gehört ebenfalls ein Vierbeiner. Max heißt der Jack Russell Terrier, der unter anderem auf einem Seelöwen „reitet“: Der Hund habe sich ganz einfach selbst in die Nummer eingebaut, wie Roland Duss schmunzelnd erzählt. Und nicht nur das: Max frisst sogar Fisch, wie in der Nummer zu sehen. Der Löwenanteil der täglichen Fischration geht aber an die vier Seelöwen. Rund 25 bis 30 Kilogramm verputzen sie täglich. Den ersten verlangen die Racker, wenn sie sich morgens gegen sieben Uhr lautstark bemerkbar machen. Dann gibt es zunächst einen „Vitaminfisch“. Außerdem wird das Licht im Wagen angemacht. Dann ist erstmal wieder Ruhe. Das richtig Frühstück wird um 9:30 Uhr verspeist. Die weiteren Mahlzeiten stehen um 12:30 und um 15:30 auf dem Programm. Das Abendessen wird quasi in der Vorstellung serviert. Findet eine solche auch nachmittags statt, wird die Ration um halb vier zu einem guten Teil ebenfalls in der Manege verfüttert.

Tagsüber halten sich die Tiere in ihrem geräumigen Außenbecken auf. Abwechslung gibt es dort genug. Im Wasser schwimmen verschiedene Spielsachen, die Trainer sind immer in der Nähe und bei den anderen Artisten sowie Mitarbeitern sind die Seelöwen so beliebt, das meist Zeit zum Spielen ist. Wenn es darum geht, dass einem Kind ein „Herzenswunsch“ erfüllt werden soll, ist das ebenfalls kein Problem. Der Taucheranzug liegt bereit und schon geht es ab ins Becken. Ganz unkompliziert. Natürlich hat die Familie Duss auch in Zukunft einiges vor. Mit den bestehenden Tieren werden neue Tricks einstudiert. So sind beispielsweise ein paar Reprisen im Repertoire, etwa als lustiges Putzduo, welche bei der Open Air Circus Show im Januar in Monte Carlo zu sehen war. In der Nähe des spanischen Badeorts Benidorm will Familie Duss in Zukunft mit einem eigenen Tierpark vertreten sein, welcher gerade im Entstehen ist. Daneben sind sie aber nach wie vor im Circus zu erleben. Im Herbst geht es wiederum zum Circo Medrano der Familie Casartelli nach Italien, anschließend zum Weltweihnachtscircus in Stuttgart. Und 2011? Lassen wir uns überraschen, wo wir diese einmalige Seelöwenshow der beiden ungemein sympathischen Tierlehrer dann sehen können.

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Text: Stefan Gierisch; Fotos: Stefan Gierisch, Stefan Nolte, Familie Duss