„Zu Hause“ heißt in diesem Fall in einem 100.000 Liter fassenden
Bassin und einem ebenfalls mit einem Bassin versehenen Transporter
nahe dem Wohnwagen ihrer Trainer. Dabei handelt es sich um Chico (18 Jahre), Tino (14),
Joe (8) und Charly (7). Die ersten beiden sind bundesweit durch die
ZDF-Serie „Hallo Robbie“ bekannt geworden. In der Circuswelt aber
hat das gesamte Quartett einen ausgezeichneten Ruf. Man darf
sicherlich ohne Übertreibung von der aktuell besten
Seelöwendarbietung in einem (europäischen) Circus sprechen. Nicht
zuletzt der Silberne Clown, der ihnen im Januar beim Internationalen
Circusfestival von Monte Carlo verliehen wurde, spricht für sich. Wie seine Frau Petra,
kommt auch Roland Duss aus bürgerlichen Verhältnissen. Geboren in
Luzern und aufgewachsen im Kanton Fribourg lernte er zunächst den
Beruf des Gartengestalters. Doch in seiner Familie spielten Tiere
schon immer eine wichtige Rolle. Die Voliere vor dem Haus der
Familie war einer der Anziehungspunkte im Ort. Den Einstieg in die
Arbeit mit Meerestieren ebnete ihm sein Bruder. Dieser bekam über
den Schweizer Landsmann Walter Moser Kontakt in diese Branche und
reiste sodann mit einer Delfinshow durch Südamerika. Irgendwann
betrieb der Bruder eine Afrika-Schau im Holiday Park Haßloch und
führte außerdem Delfine vor. Hier stieß Roland zu ihm, lernte den
Umgang mit den Meeressäugern und reiste fortan selbst mit eigenen
Delfinshows. Damit ging es bis hinauf nach Oslo. Zu Spitzenzeiten
nannten die Brüder Duss 17 Delfine ihr Eigen, die in verschiedenen
Shows zu sehen waren. Irgendwann kam dann der Umstieg auf Seelöwen.
Als wichtigsten Grund nennt Roland Duss, dass man mit den Tieren auf
Tournee gehen könne, was mit Delfinen irgendwann nicht mehr sinnvoll
möglich war. Und das Reisen schätze er sehr.
  
Die Umschulung von
Delfin auf Seelöwe leistete sein erster Seelöwe namens Sammy, den er
von einem dänischen Tierlehrer bereits fertig ausgebildet übernahm.
„Eine richtige Persönlichkeit“, erinnert sich Duss an dieses wie er
sagt „top trainierte“ Tier, das ihm gezeigt habe, „wie eine
Seelöwennummer aussehen sollte“. Das Tier habe auch in Nuancen
absolut perfekt gearbeitet. Darauf legen Petra und Roland Duss heute
noch großen Wert. Diese Präzision ist so etwas wie ihr Markenzeichen
geworden. Als Beispiel dafür nennt Roland Duss, dass beim
Balancieren von Bällen auf der Schnauze der Mund geschlossen sein
sollte. Mit den Seelöwen wurde zunächst nur in Parks gearbeitet. Das
änderte sich, als Freddy Knie senior die beiden 1989 in dem
Freizeitpark besuchte, wo sie gerade auftraten. Er engagierte zwei
der Seelöwen für die Wassershow des Circus Knie (1989), wo sie von
Germaine Knie vorgeführt wurden. Gleichzeitig „entdeckte“ Knie die
beiden Schweizer für die Circusmanege. 1991 absolvierten die beiden
ihre erste Circustournee. Mit ihrer Darbietung bereicherten sie in
diesem Jahr das Programm des Nationalcircus, welches nur von
Schweizer Artisten bestritten wurde. 1996 kamen sie erneut zu Knie,
2005 waren dort wiederum zwei ihrer patagonischen Seelöwen zu sehen,
diesmal vorgeführt von Mary-Jose Knie. Auch heute noch ist man mit
dem Hause Knie verbunden. Aktuell ist die „alte“ Darbietung der
Familie Duss (u.a. mit dem Bullen Elvis) in Knies Kinderzoo in
Rapperswil zu sehen. Eine weitere Tournee verbrachten sie beim
Circus Scott in Schweden. Dazu gab es kürzere Engagements im Circus,
beispielsweise beim Weltweihnachtscircus, dem italienischen Circo
Medrano, im Krone-Bau oder bei Probst (Ost).
   
Dreharbeiten zu
"Hallo Robbie" mit Karsten Speck
Wahnsinnig gerne
erinnern sich Petra und Roland Duss an die Dreharbeiten für „Hallo
Robbie“, die sich insgesamt über acht Jahre erstreckten. „Das war
Flipper live“, schwärmt Roland Duss noch heute. In der Natur mit den
Tieren zu sein, sei einfach phantastisch gewesen; Schwimmausflüge
mit den Tieren in der Ostsee inklusive. Auch die Tiere hätten die
Zeit voll und ganz genossen. Von der Popularität profitieren sie
natürlich nach wie vor. Die Zusammenarbeit mit den Schauspielern hat
dazu beigetragen, dass die Tiere problemlos mit anderen Menschen
agieren. Aktuell in der „Höhner Rockin' Roncalli Show“ zu bewundern,
wo Seelöwe Chico eine kleine Einlage mit Höhner-Schlagzeuger Janus
Fröhlich hinlegt. Kein Tierlehrer, der im Hintergrund Kommandos
gibt. Der Musiker und das Tier agieren direkt miteinander, Küsschen
für Logengäste inklusive. Für die ZDF-Serie wurde auch die
bestehende Gruppe aufgebaut. Zwei der kalifornischen Seelöwen
wurden bei der Familie Duss geboren, die beiden anderen stammen
aus Zoos. Grundsätzlich dauere die Grundausbildung bei
Seelöwen rund zwei Jahre, erzählt Roland Duss. Die Idee für die
Gestaltung der Manegenshow hat er einer Postkarte des französischen
Cirque Bouglione entnommen. Eingebaut wurde dabei ein
Treppengestell, dass sich schon länger im Besitz der Familie Duss
befindet und dank der massiven Bauweise bei den Requisiteuren
besonders beliebt ist. Die Requisiten haben in der Tat einen
nostalgischen Touch. Die Tricks sind natürlich up to date und vom
Feinsten.
  
Mich persönlich
fasziniert nicht nur, wie die Tiere mit ihren Trainern agieren,
sondern auch untereinander. Etwa wenn sich zwei der Seelöwen
gegenseitig einen Ball mit den Schnauzen zuspielen und dafür auch
mal (fast) in die Loge hechten. Noch nie zuvor gesehen habe ich
ebenfalls, dass Seelöwen auf Kommando lächeln oder den „Schnurrbart“
zeigen. Die häufige Belohnung mit Fisch haben die beiden ganz
bewusst eingebaut. So erhalte die Show noch mehr Schwung. Und einen
schwungvollen Stil bevorzugen die Tierlehrer. Natürlich läuft bei
Seelöwen die Dressur insgesamt über Fischbelohnung. Zur Gruppe
gehört ebenfalls ein Vierbeiner. Max heißt der Jack Russell Terrier,
der unter anderem auf einem Seelöwen „reitet“: Der Hund habe sich
ganz einfach selbst in die Nummer eingebaut, wie Roland Duss schmunzelnd erzählt. Und nicht nur das:
Max frisst sogar Fisch, wie in der Nummer zu sehen. Der Löwenanteil der
täglichen Fischration geht aber an die vier Seelöwen. Rund 25 bis 30
Kilogramm verputzen sie täglich. Den ersten verlangen die Racker,
wenn sie sich morgens gegen sieben Uhr lautstark bemerkbar machen.
Dann gibt es zunächst einen „Vitaminfisch“. Außerdem wird das Licht
im Wagen angemacht. Dann ist erstmal wieder Ruhe. Das richtig
Frühstück wird um 9:30 Uhr verspeist. Die weiteren Mahlzeiten stehen
um 12:30 und um 15:30 auf dem Programm. Das Abendessen wird quasi in
der Vorstellung serviert. Findet eine solche auch nachmittags statt,
wird die Ration um halb vier zu einem guten Teil ebenfalls in der
Manege verfüttert.

Tagsüber halten sich die Tiere in ihrem
geräumigen Außenbecken auf. Abwechslung gibt es dort genug. Im
Wasser schwimmen verschiedene Spielsachen, die Trainer sind immer in
der Nähe und bei den anderen Artisten sowie Mitarbeitern sind die
Seelöwen so beliebt, das meist Zeit zum Spielen ist. Wenn es darum
geht, dass einem Kind ein „Herzenswunsch“ erfüllt werden soll, ist
das ebenfalls kein Problem. Der Taucheranzug liegt bereit und schon
geht es ab ins Becken. Ganz unkompliziert. Natürlich hat die
Familie Duss auch in Zukunft einiges vor. Mit den bestehenden Tieren
werden neue Tricks einstudiert. So sind beispielsweise ein paar
Reprisen im Repertoire, etwa als lustiges Putzduo, welche bei der
Open Air Circus Show im Januar in Monte Carlo zu sehen war. In der
Nähe des spanischen Badeorts Benidorm will Familie Duss in Zukunft
mit einem eigenen Tierpark vertreten sein, welcher gerade im
Entstehen ist. Daneben sind sie aber nach wie vor im Circus zu
erleben. Im Herbst geht es wiederum zum Circo Medrano der Familie
Casartelli nach Italien, anschließend zum Weltweihnachtscircus in
Stuttgart. Und 2011? Lassen wir uns überraschen, wo wir diese
einmalige Seelöwenshow der beiden ungemein sympathischen Tierlehrer
dann sehen können.
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