Wiesbaden, 24.
November 2010:
Das erste Mal
aufgefallen ist uns Oliver Polak 2009 beim Roncalli-Weihnachtscircus in
Berlin. Aufgefallen aus zwei Gründen. Erstens, weil er sich mit seinem
Outfit - bunte
Jogginghose und Bomberjacke - deutlich von den um ihn herumsitzenden
Logenbesuchern abhob. Und zweitens, weil er beim Finale lautstark
Patrick Philadelphia zujubelte. Roncallis Sprechstallmeister und
Betriebsleiter war es dann auch, der uns Polak als Stand-up-Comedian
vorstellte. Doch Polak ist nicht irgendein Comedian. Zwar erzählt er,
wie viele andere auch, auf der Bühne in erster Linie humorvoll aus
seinem Leben. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied: Der 1976 in
Papenburg geborene Polak ist Jude und macht in seinem überaus amüsanten
Programm
„Jud Süß Sauer – Die Show“ auch nicht davor halt, Gags über jüdische Frauen („Die
können gut mit Waffen umgehen und haben dir in Nullkommanix eine
Siedlung auf dem Nachbargrundstück gebaut.“),
Religion und sogar den Holocaust zu machen. Auf den drohenden
Führerscheinentzug antwortet Polak etwa lapidar: „Dann fahr ich halt mit
der Bahn, ist ja schließlich Familientradition.“ Eben getreu seines
Mottos: „Wenn das Lachen im Halse stecken bleibt, hat man länger was
davon.“ Einer seiner bekanntesten Sprüche ist: „Lassen Sie uns ganz
unverkrampft miteinander umgehen. Ich vergesse die Sache mit dem
Holocaust – und Sie verzeihen uns Michel Friedman.“ Besonders
interessant für
Chapiteau.de
wird Polak aber natürlich in erster Linie durch seine
Circusleidenschaft, der er seinem lesenswerten und witzigen Buch
„Ich darf das – ich bin Jude“
ein ganzes Kapitel gewidmet hat und zu der er uns im vergangenen
November Rede und Antwort stand. |
Chapiteau.de:
Woher
kommt deine Faszination für den Circus?
Oliver Polak: Schon als
Kind hatte es immer eine große Bedeutung für mich, wenn ein Circus in
meine Heimatstadt Papenburg kam. Unvergessen sind zum Beispiele
Gastspiele von echten Großcircussen, wie Williams-Althoff, Giovanni
Althoff, Busch-Roland oder Krone. Es war immer wieder ein
Wahnsinnserlebnis, wenn 20 Elefanten an meinem Kinderzimmerfenster, das
auf dem Weg vom Bahnhof zum Circusplatz lag, vorbeimarschierten. Ich
muss wohl fünf Jahre alt gewesen sein, als ich das erste Mal mit meinem
Vater eine Vorstellung besuchte. Später, so mit elf, bin ich immer zum
Circusplatz gefahren und habe gefragt, ob ich beim Aufbau mithelfen
kann.
Chapiteau.de:
Wie reagieren Freunde und
Bekannte auf dein vermeintlich „uncooles“ Faible?
Oliver Polak: Das
absurde ist, dass niemand, der je mit mir in einen größeren Circus
gegangen ist, anschließend noch behauptet hätte, das Ganze sei „uncool“.
Vielmehr waren die meisten ziemlich begeistert. Ein gern genommenes
Vorurteil ist ja auch, dass Clowns total blöd und unlustig seien. Diese
Einschätzung schwindet spätestens dann, wenn man sich einmal über David Larible kaputt gelacht hat. Ein guter Clown macht im Grunde ja nichts
anderes als ein guter Komiker oder Comedian. |
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Chapiteau.de:
Und wie war das während
deiner Jugend? Hast du da auch immer Freunde gefunden, die mit dir in
den Circus gegangen sind?
Oliver Polak: Nicht
immer, aber dann bin ich halt alleine hingegangen. Einen Freund hatte
ich aber doch, der immer gern mitgekommen ist. Allerdings nicht wegen
der Show an sich. Für ihn war der Circus mit seinen aufreizend
gekleideten Artistinnen vielmehr so eine Art Peepshow, in die man auch
als Minderjähriger ohne Ausweiskontrolle reingekommen ist.
Chapiteau.de:
Hast du denn auch deine
Freundinnen mit in den Circus genommen?
Oliver Polak: Ja klar,
wann immer ich ein Mädchen neu kennenlernte, habe ich mit ihr eine
Circusvorstellung besucht. Das war für mich ein erster Test, ob die
Angebetete für eine Beziehung in Frage kommen würde. So erinnere ich
zum Beispiel an einen Besuch in einem kleinen Familiencircus. Mit uns
hatten sich gerade mal 12 Zuschauer in die Vorstellung verirrt. Während
ich Mitleid mit den Circusleuten hatte, meinte meine Freundin nur
lakonisch, als gerade eine Freiheitsdressur lief: „Das Pferd denkt jetzt
bestimmt: Immerhin zwei mehr als gestern!“
Chapiteau.de:
Gehst du auch heute noch
regelmäßig in den Circus?
Oliver Polak: Ja, klar.
Jüngst war ich zum Beispiel bei Charles Knie, dessen Entwicklung mich
sehr beeindruckt hat. Relativ oft bin ich auch bei Roncalli. Dort bin
ich mit vielen Leuten befreundet, was noch aus der Zeit herrührt, als
ich mir als Moderator des Disney Clubs einen Kindheitstraum erfüllt habe
und bei Roncalli für einen Filmbeitrag in die Rolle des Clowns
geschlüpft bin. |
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Chapiteau.de:
Im Sommer 2010 bist du
eine Zeitlang als Requisiteur bei Roncalli mitgereist. Wie kam es dazu?
Oliver Polak:
Ich hatte ein kreatives
Tief und war von meiner letzten Tour ausgelaugt. Da habe ich meinen Freund Patrick Philadelphia
angerufen und gefragt, ob ich eine Woche mitreisen darf. Danach wusste
ich, dass Requisiteur ein Knochenjob ist, bei dem alles zack zack gehen
muss. Insgesamt hat die Woche aber ihren Zweck erfüllt. Mir ging es
danach deutlich besser. Wie überhaupt eine Circusshow für mich der
perfekte Stimmungsaufheller ist.
Chapiteau.de:
Was siehst du denn am
liebsten im Circus?
Oliver Polak: Meine
Favoriten sind ganz klar die Raubtiere. Zu einem richtigen Circusbesuch
gehört es für mich einfach dazu, dass nach der Pause ein Zentralkäfig in
der Manege steht. Unvergessen sind für mich zum Beispiel Ursula
Böttcher, Rene Strickler und Günther Gebel-Williams. Aber auch von Alex
Lacey, den ich jüngst bei Charles Knie gesehen habe, bin ich begeistert. |
Chapiteau.de:
Was hältst du vom Cirque du Soleil?
Oliver Polak: Wenn ich ehrlich bin, habe ich
mir noch keine Show angeschaut, da ich immer das Gefühl habe, dass es
bei Soleil
nicht um die Sache „Circus“ geht, sonder in erster Linie darum, eine
Geldmaschine am Laufen zu halten.
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Chapiteau.de:
Fließt deine Circusleidenschaft, denn auch in deine
Shows ein?
Oliver Polak: Ja, das würde ich schon sagen. Meine Vorliebe für
Konfetti, Luftballons und Udo-Jürgens-Songs sprechen da doch eine
deutliche Sprache. Zudem überlege ich meine nächste Show „Tiere, Juden
und andere Vögel“ zu nennen. Darin soll dann möglicherweise sogar ein
echter Tiger mitwirken.
Chapiteau.de:
Apropos, wie stehst du zum Thema „Tiere im Circus“?
Oliver Polak: Ich glaube schon, dass es Circusse gibt, die mit
ihren Tieren assi umgehen. Gleichzeitig bin ich aber überzeugt, dass die
Mehrheit der Circusleute ihre Sache ordentlich macht und das Wohl der
Tiere bei ihnen an oberster Stelle steht. Zudem regt mich auf, dass es
unter den Tierschützern eine Menge Leute gibt, die sich zwar für die
richtige Behandlung von Tieren einsetzen, die gleichzeitig aber die
Menschen, die bei Burger King auf der Toilette arbeiten, wie Abschaum
behandeln.
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Text:
Sven Rindfleisch; Fotos: Oliver Polak
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