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Non plus ultra!
Rückschau auf die Zirkus-Ausstellung im Stadtmuseum München
www.stadtmuseum-online.de/aktuell/zirkus.html

München, 5. Februar 2010: „Non plus ultra! – Circus Kunst München“, unter diesem Titel zeigte das Stadtmuseum München fünfeinhalb Monate lang eine interessante Ausstellung zur (vorwiegend Münchner) Circusgeschichte, einen bunten Bilderbogen von den Ursprüngen des Circus bis heute. Zunächst sollte die Schau am 21. März enden, dann wurde sie bis 11. April verlängert, dem letzten Tag der Winterspielzeit des Circus Krone. So bot sich im vergangenen Winter während aller drei Krone-Programme die gute Gelegenheit, sich beim Gang durch die Ausstellung auf einen Besuch im Circusbau an der Marsstraße einzustimmen.

Wie der – inzwischen ehemalige – Museumsdirektor Dr. Wolfgang Till im Ausstellungskatalog schreibt, hat sich das Münchner Stadtmuseum außer um die Münchner Stadt- und Kulturgeschichte stets auch um die vielen Facetten populärer Unterhaltung gekümmert: Puppentheater, Jahrmarkt und Schaustellerei, Varieté und, so Tillmann, „selbst die illegitimen Vorfahren der Institution Museum in Form des Panoptikums und des Wachsfigurenkabinetts sind hier permanent vertreten“. Insofern habe das Haus die Verwandtschaft zur  Unterhaltungsbranche nie verheimlicht, und folgerichtig müsse auch der Circus zu seinem Themenkanon gehören. „Menschen, Tiere Sensationen“ war etwa der Titel einer früheren Ausstellung, die eine zuvor erworbene Kollektion von Friedländer-Plakaten zeigte.


Gemälde "In der Menagerie" (um 1890),
Kunstreiterin Emilie Bernard (um 1905), Friedländer-Plakat (um 1912),

Die Ausstellung „Non plus ultra!“ ging auf die Ursprünge des modernen Circus ein, die Jahrmärkte, Menagerien und Seiltänzertruppen. In London betreibt der geschäftstüchtige Kunstreiter Philip Astley ab 1768 eine private Arena, die er „Royal Circus“ nennt, hier wird in der Kombination von Kunstreiten und Jahrmarktsartistik wie Seiltanz, Jonglage, Bodenakrobatik und spaßigen Einlagen der moderne Circus geboren. „Philip Astley in London, Antonio Franconi in Paris und John Bill Ricketts in New York gehören zu den Wegbereitern dieser neuartigen Vergnügungsstätte“, heißt es in dem prachtvollen, großformatigen, rund 240-seitigen Ausstellungskatalog, der in Text und Bild noch ausführlicher erzählen kann als die Schau selbst.


Friedländer-Plakate: Kapitän Schneider (um 1927), Circus Wilke (um 1914), Cilly (um 1931)

Ausstellung und Buch bieten in historischen Plakaten, darunter viele Werke Friedländers, in Fotos und Gemälden, Zeichnungen und historischen Programmzetteln einen Überblick über die weitere Entwicklung der Circuskunst. Zahlreiche Facetten des großen Themas Circus werden in kurzen Aufrissen abgehandelt, interessante Aspekte werden assoziativ aneinandergereiht. So spannt sich ein bunter Bilderbogen. Das Entstehen der ersten Wandercircusse, das Aufkommen hölzerner, mobiler Circusbauten oder die Entwicklung großer thematischer Schaustücke werden aufgeblendet. Ganz unbefangen schildert die Ausstellung die Entwicklung der Tierdressur, erzählt von Affendressuren mit wundersamen Kunststücken, von Raubtierlehrerinnen wie Ida Krone alias Miss Charles, die sich zu 23 Löwen in den Käfig wagte, von riesigen Tierbeständen früherer Unternehmen. Man mag es kaum glauben, dass das Stadtmuseum eine Ausstellung wagt, die sich auch dem Thema Tierdressur ohne Relativierungen, Einschränkungen, Rechtfertigungen annimmt. „Der Titel ‚Non plus ultra!’ schließt eine kritische Sicht circensischer Handlungen aus. Dieses Bilderbuch will nichts anderes, als auf Qualitäten hinweisen, die es im Circus gegeben hat und gibt“, schreibt Kurator Dr. Helmut Bauer im Ausstellungskatalog. An anderer Stelle wird sogar beschrieben, durchaus für den Tiercircus werbend, wie der ursprüngliche „Tierbändiger“ – unter anderem im Gefolge von Carl Hagenbeck – vom einfühlsamen Tierlehrer abgelöst wurde. Deutlich wird in Ausstellung und Begleitband die enorme Rolle der Pferdedressur in früheren Circusprogrammen, zumal zu dieser Zeit fast jeder Mensch nachvollziehen konnte, von welchem Schwierigkeitsgrad die gezeigten equestrischen Leistungen waren. Hierzu passt, das im 19. Jahrhundert Gebiete der Kunst wie Musik und Architektur, Malerei und Bildhauerei gleichrangig nebeneinander existierten und von der Presse entsprechend gewürdigt werden. „Die Bürger diskutieren die Qualität der künstlerischen Äußerungen der jeweiligen Circusgastspiele ebenso wie die der Aufführung einer Oper von Richard Wagner“, lesen wir im Begleitband.


Leihgaben aus dem Circus Krone, Requisiten von Olga und Pierino 

Schwerpunktmäßig befasst sich die Ausstellung mit der Entwicklung des Circus in München: das erste Gastspiel von Barnum und Bailey mit einem Chapiteau für über 10.000 Besucher im Jahr 1900 findet zum Beispiel Erwähnung, oder das Entstehen eines ersten ständigen Circusgebäudes, des Circus Bavaria. In diesem Bau für 3000 Besucher finden von 1891 bis zu seinem Abriss 1906 Gastspiele von Circussen aus aller Welt statt. Und natürlich widmet sich „Non plus ultra!“ dem Circus Krone und seiner Entstehung aus der 1870 gegründeten Menagerie Charles. 1919 eröffneten die Krones ihren ersten Circusbau auf dem Marsfeld, und die 90. Jährung dieses Ereignisses war auch einer der Anlässe für die Ausstellung. Als „große Bereicherung des kulturellen Lebens in München“ wird Krone von diesem städtischen Museum gewürdigt. Das Unternehmen stellte für die Ausstellung unter anderem zahlreiche Originalkostüme aus seinem Fundus zur Verfügung, der ehemalige Krone-Clown Pierino seine großen Requisiten.


Sarrasani-Modell von Claus Lusch

Zu den Highlights der Ausstellung gehörte zudem ein 15 Quadratmeter großes Sarrasani-Modell im Maßstab 1:87 von Claus Lusch (Aachen), das mit mehr als 8000 Figuren und 1500 Fahrzeugen die Infrastruktur eines Zeltcircus verdeutlichte. Der besondere Clou: Dank der begehbaren Vitrine ließ sich hier Circus aus der Vogelperspektive erleben.

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Text: Markus Moll; Fotos: Stadtmuseum München, Tobias Erber