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Mit über hundert Stunden Filmmaterial wirft der Dokumentarfilm „World Circus Culture“ einen Blick hinter die Kulissen der internationalen Circuswelt. Vier Darbietungen, darunter der Strapaten-Akt der Truppe Yakubov, die Seelöwennummer der Familie Duss, Martin Lacey juniors Löwendressur und der amerikanische Clown Rob Torres, wurden mit der Kamera begleitet, wie sie sich auf das 34. Circusfestival von Monte Carlo vorbereiteten und später im Wettbewerb schlugen. Eine fünfte Darbietung am russischen Barren vertrat erstmalig den Cirque du Soleil auf dem Monte-Carlo-Festival und wird im Mai in Montreal eingehender gefilmt werden.


Truppe Yakubov, Roland Duss

Filmemacherin Angela Snow und Kameramann Ian Issit erlebten und filmten auf diese Weise die herrliche Persönlichkeit der fünf Darbietungen und die ehrfurchtgebietenden Spektakel von Circuskultur, Geschichte und artistischem Ausdruck. So beweist die  beweist die Truppe Yakubov, während der zermürbenden Proben ihrer Schwert-Tanz-Choreographie und dem Training an den Strapaten, dass Sprache im Circus kein Hindernis ist. Weil sich jüngst einige Chinesisch sprechenden Artisten der Truppe angeschlossen haben, scheint die Verständigung nur auf den ersten Blick schwierig. Doch die Entschlossenheit der strengen Trainer, die neuen Mitglieder zu integrieren, beweist im Zusammenspiel mit dem Respekt und dem Vertrauen untereinander, was die Truppe zusammenhält. Darauf angesprochen, wie sie miteinander sprechen, war die Antwort der Gruppe denkbar einfach: „Es ist Circus.“ Die Familie Duss, die vor dem Monte-Carlo-Festival mit ihren Seelöwen im Circus Ahoy in Amsterdam auftrat, wiederum kommuniziert in sechs verschiedenen Sprachen. Mit Rolands Humor und Petras Hartnäckigkeit kümmern sich die beiden wie Eltern um ihre tierischen Schützlinge – und so gestaltet sich ihr Alltag wie der einer gewöhnlichen Familie. Zusammen essen, Dummheiten anstellen, lachen und Frust erleben sind typische Begebenheiten. Egal ob es Tino ist, der Roland mit Wasser bespritzt, oder Charlie der aus dem Pool springt, um so schnell wie möglich in die Manege zu kommen.


Cirque du Soleils russischer Barren

Immer bereit für das Scheinwerferlicht ist Martin Lacey jr.. Egal, wo er auftaucht, verursacht er mit seinen sechszehn Löwen und den Käfigen, die in massigen Sattelschleppern verstaut sind, ein einzigartiges Spektakel. Mit seinem explosiven Auftritt, inklusive einem Finale, in dem er wie Elvis auf einer Discokugel steht, und „zwölf plus einem“ Löwen (die Zahl „13“ auszusprechen bringt Unglück), bringt er die Löwendressur zu einem bemerkenswerten Level von Präzision und Theatralik. Abseits des Auftritts betont Martin, dass dies sein Leben und nicht sein Job sei. So könne er sich mit einem Schlafsack in den Käfig seines größten Löwens, King Tonga, legen. Aber Circus wäre nicht komplett ohne einen Clown, der das Kind im Manne wiederbelebt und es schafft, dass sich das Publikum in Essen beinahe vor Lachen in die Hose macht. Obwohl Rob Torres weiß, dass er es als Einzelkämpfer schwer hat, gegen ein Spektakel wie das von Martin Lacey jr. zu bestehen, hinderte ihn das nicht, seinen Traum einer Teilnahme am Festival von Monte Carlo zu verwirklichen. Immerhin könne man bei seinen Auftritten das Lachen der Zuschauer auch außerhalb der bespielten Bühnen hören. Der Cirque du Soleil wiederum präsentierte mit seiner Darbietung auf dem russischen Barren eine völlig neue Variation dieses Genres, das 1977 von Aleksander Dobrynin entwickelt wurde. Die innovative Performance des Cirque vereint drei Barren und zwei oder drei Flieger, die manchmal zwölf Mal am Stück durch die Luft wirbeln und jedes Mal auf dem von zwei Fängern gehaltenen Barren landen. Unglaublich komplex, aber völlig mühelos erscheinend, verschiebt diese Darbietung die Grenzen des klassischen Circus.


Martin Lacey jr.

Allen im Film vorgestellten Darbietungen war gemein, dass sie große Hoffnungen hatten, den begehrten Goldenen Clown zu gewinnen. Proben, die Requisiten vorbereiten, persönliches Nachdenken und Fotoshootings waren Teil der Spannung, die vor dem Hauptereignis entstand. Trotz dieses Einsatzes leidet die Freundschaft zwischen Martin Lacey jr. und Roland Duss während des Festivals zu keiner Sekunde. Als Martin Roland sah, umarmte er ihn und scherzte, dessen Seelöwen an seine Löwen zu verfüttern. Aber, sobald sie die Manege entern, beginnt der Wettbewerb und alle Freundschaft wird zur Seite geschoben, und der Kampf um Gold beginnt. Letztlich gewannen drei der fünf vorgestellten Darbietungen einen Clown. Einen Golden Clown erhielt schließlich der furchtlose Martin Lacey jr., der das Publikum mit seiner dramatischen Löwenshow begeisterte.

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Text: Jessica Stewart
; Fotos: Ian Issitt