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Gay Circus Night - Frankfurt 2011
Ein Circus-Erlebnis der ganz besonderen Art

Frankfurt, 12. März 2010: Auf die „Reise um den Globus“ hatte der Zirkus Charles Knie sein Publikum an diesem Samstag bereits zweimal geschickt. Nach der Abendvorstellung gibt es aber in diesem speziellen Fall eine dritte Weltreise. Unsere Expeditionsleiterin zu später Stunde ist Marlene de Luxe. Und da die „Dame“ eine von der ganz besonderen Sorte ist, geht es „mit 80 Koffern um die Welt“. Bestand die Reisegruppe gerade noch aus einem breiten Familienpublikum, ist nun das Frankfurter Szene- bzw. Partyvolk weitgehend unter sich.

Der Zirkus Charles Knie hat, wie schon häufiger bei längeren Gastspielen in Großstädten, zur Gay Circus Night geladen. Und die Resonanz ist enorm. Das Chapiteau ist auch zu später Stunde richtig gut gefüllt. Das Angebot in der Restauration wurde entsprechend angepasst. Wodka Red Bull und Rotkäppchensekt verkaufen sich bestens. Das Programm ist zwar im Kern jenes, dass noch in der Vorstellung zuvor ablief, die Präsentation jedoch eine ganz andere. Die Flugtrapeztruppe die eben noch in eleganten Trikots durch die Luft flog, ist jetzt nur mit dem Nötigsten bekleidet. Der Hohe Schule-Reiter, der kurz zuvor als stolzer Spanier mit Hut auf seinem Friesen saß, tut dies nun im knappen Höschen und mit eingeöltem freien Oberkörper. Doch es geht hier nicht nur ums „Haut zeigen“. Viele originelle, auf die Zielgruppe zugeschnittene Einfälle machen die Show zu einem Erlebnis der besonderen Art. Für die Regie zeichnet wiederum CircusZeitung-Redakteur Dirk Kuik verantwortlich.


Marlene deluxe, Daniela Stipka, Denisa Biasini

Perfekte Gastgeberin ist die bereits erwähnte Marlene de Luxe. Er/Sie moderiert mit (Wort-)Witz, Charme und einer gesunden Portion Selbstironie. Natürlich werden zwischen den einzelnen Sequenzen gerne mal die Kostüme gewechselt. Dabei kommen aber immer die ewig langen Beine optimal zur Geltung. Schon der Einzug ist prächtig. In der von Monika Sperlich „geborgten“ Sänfte wird sie würdevoll von den beiden Herren des Balletts in die Manege getragen, um sich dort aus dem Pfauenmantel zu schälen und das Publikum zu begrüßen. Erste Nummer ist das große Pferdebild, welches kaum wiederzuerkennen ist. Die Damen des Balletts werden von einer leichtbekleideten Lady ihrer Röcke entledigt und tanzen in Spitzen um den wie eingangs beschrieben auftretenden Dany Stipka auf seinem Schulpferd. Dabei wird er von der der Dame im knappen Outfit becirct. Nachdem die beiden gemeinsam auf dem Pferd reitend hinter die Gardine abgezogen sind, führt Marek Jama im engen Lederoutfit den Sechserzug Araber vor. Zwischenzeitlich hat sich das Hohe Schule-Pärchen verkracht und so schließen sich kurzerhand die beiden Herren zusammen und verschwinden gemeinsam durch den Artisteneingang. Nahezu unverändert geblieben ist der Auftritt von Paolo Kaiser auf der Rola Rola, dem die Bretter jetzt von einem Herrn des Balletts zugeworfen werden. Auch Clown Andre darf „wie immer“ seine Späße, in diesem Fall das „Duett mit Wischmopp“ und den „Fliegenden Teddybär“, machen.


Kenny Quinn, Monika Sperlich, Tarzan und James

Statt „Tarzan und Jane“ treffen bei der Zweitnummer der Flying Mendonca jetzt zwei Tarzans aufeinander. Nachdem der Fänger und einer der Flieger der Trapez-Crew sich am Boden gegenseitig begutachtet haben, geht es an grünen Tüchern gemeinsam in die Luft. Berührungsängste gibt es nicht. Das wunderbar live gespielte und gesungene „You'll be in my heart“ steigert die Wirkung dieses Kür zusätzlich. Girls im Dreierpack erleben wir im Anschluss. Dabei handelt es sich um Manta, Steffi und Mona, die vom Ballett in Matrosenkostümen angekündigt werden. Mona Sperlich lässt ihre beiden Seelöwinnen im sündigen kurzen roten Kleid ihre bekannten Kunststücke vorführen. Und dank Marlene de Luxe erfahren wir nach der eigentlichen Nummer auch gleich, wie die beiden Meeressäugerinnen zueinander stehen. Zur Pausennummer befördert wird Taschendieb Kenny Quinn, der wie von ihm gewohnt, äußerst geschickt die Taschen seiner Gäste leert und Brillen sowie Krawatten entwendet.


Flying Mendonca, Rene Sperlich, Alex Lacey

Nach der Pause begrüßt uns Marlene im Leopardenfell-Look umringt vom Jungle-Ballett des Zirkus Knie. Alex Lacey präsentiert seine erstklassige gemischte Raubtiergruppe wie gewohnt. Einziger Gag ist dabei das Tuch in Regenbogenfarben, mit dem er sich den Schweiß abtupft. Dass der Smartie aus England auch so glänzend beim Publikum ankommt, versteht sich von selbst. Den freien Oberkörper gut eingeölt, erklimmt Rene Sperlich den selbstgebauten Stuhlturm, der auf vier Flaschen steht. Die Art und Weise wie der 16jährige seine Balancen und Handstände zu einem Song von Queen präsentiert, sorgt für hörbare Hochstimmung auf den Rängen. Dafür, dass der letzte Stuhl zum Schluss nur noch auf drei Flaschen steht, sorgt Marlene de luxe, indem sie höchstpersönlich Flasche Nummer vier entfernt. An der Leine führt die Dame der Flying Mendonca ihre drei männlichen Kollegen in die Manege. Dort befreit sie diese zunächst von ihren Leinen sowie den Masken, die die Gesichter verhüllen. Während die Senorita auf dem Fangnetz die Gerte schwingt, legen die Jungs auf der Brücke einen heißen Strip hin. Nur noch sehr knapp bekleidet zeigen sie ihr Repertoire inklusive Dreifachem und Passage. Als Überleitung zum Finale tanzt das brasilianische Ballett mit den „fruchtigen“ Kopfbedeckungen, welches bereits vor der Flugtrapeznummer südamerikanisches Flair verbreitet hatte. Zum Schluss gibt es die Verabschiedung aller Mitwirkenden und danach Party im Vorzelt. So endet weit nach Mitternacht eine ganz besondere Circusshow, die selbst in einer exotischen Branche wie dem Circus nochmals besonders exotisch wirkt und sich offensichtlich immer größerer Beliebtheit erfreut.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch