CHPITEAU.DE

Die Circusprinzessin
Drei starke Frauen - Die Chapiteau.de-Serie. Teil 1: Stephanie Probst.

Schwäbisch Gmünd, 31. August 2011: Zirkus, das ist eine Männerwelt mit viel schwerer körperlicher Arbeit. Doch den Circus Probst prägen, neben Direktor Reinhard Probst natürlich, die drei starken Frauen der Direktionsfamilie. Die jüngere Tochter Stephanie lässt als begabte Dresseurin die großen Tiere paradieren, ihrer Schwester Sonja gelang nach einem lebensgefährlichen Unfall die Rückkehr ins Scheinwerferlicht. Und Mutter Brigitte, die „von privat“ zum Zirkus kam, hält im Bürowagen die Fäden fest in der Hand. Chapiteau.de stellt die drei „starken Frauen“ in einer Serie vor. Teil 1: Stephanie Probst, die Circusprinzessin.

Frühmorgens im rot-gelben Zelt des Circus Probst auf dem Festplatz in Schwäbisch Gmünd. Die Batterien bunter Scheinwerfer leuchten nicht, nur drei weiße Lampen unter dem Zeltdach strahlen. Eine neue Nummer wird einstudiert. Sechs Pferde mit Reitern umrunden die Manege, außerdem sechs Dromedare, jedes geführt von einem Tierpfleger. Macht insgesamt zwölf Männer aus verschiedenen Ländern von Kuba bis Rumänien und zwölf große Tiere – und die zierliche Stephanie Probst steht in der Mitte der Manege, führt das Kommando, hat ihre Augen überall. „Kevin, sitz’ ordentlich, Zügel in die Hand, Kopf gerade!“, ruft sie ihrem Großcousin zu. Die 24-Jährige ist der Chef im Ring, der Aufbau des Zwölferzuges war ihre eigene Idee. Im kommenden Weihnachtscircus soll die Nummer das erste Mal zu sehen sein. 2010 überraschte die ehrgeizige junge Tierlehrerin mit einer Ungarischen Post, 2011 mit dem Pas-de-Trois zu Pferd, für den kommenden Weihnachtscircus ist nun auch ein Pas-de-Deux mit seriösem und komischem Teil in Arbeit.


Ungarische Post, Pas-de-Trois

„Ich saß schon mit Pampers auf Pferden“, erzählt sie am Rande der Morgenarbeit, bei der sie allmorgendlich von 8 bis 12.30 Uhr mit den Probst-Tieren in der Manege arbeitet. Auch nach der Abendvorstellung wird nochmals kurz trainiert. Mit sechs Jahren trat Stephanie Probst das erste Mal auf, führte vier Ponys vor; mit 13 Jahren dirigierte sie sechs Araberhengste in der Manege, zwei Jahre später einen Achterzug Friesen und Araber. Inzwischen hat sie sich einen Ruf als herausragendes Tierlehrer-Talent erworben. Stets elegant, mit charmantem Lächeln und leichter Hand präsentiert sie ihre Tierdressuren. Eine Circusprinzessin. Das Können kam nicht von ungefähr. Schließlich lernte sie ihr Handwerk bei Uwe Schwichtenberg, dem Meisterdresseur des ehemaligen DDR-Staatszirkus’. Schwichtenberg fand nach der Wende bei Probst eine neue Heimat. „Wo dieser Mann war, war ich auch“, erzählt Stephanie. „Er war nicht nur ein Vorbild für mich, sondern wie ein Opa.“ Und wenn sie als junges Mädchen manchmal ein „kleines Mistbiest“ gewesen sei, wie sie selbst formuliert, dann habe „Onkel Uwe“ sie schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.


Debüt im Kindesalter

Schwichtenberg vermittelte der jungen Stephanie sein Erfolgsrezept als Dresseur: Ruhe, Geduld und viel Liebe zu den Tieren, niemals Gewalt. Er hatte seiner Meisterschülerin sein Wissen behutsam und in kleinen Schritten vermitteln wollen. Doch dann starb Schwichtenberg im März 2004 nach kurzer schwerer Krankheit viel zu früh an Krebs. Stephanie trauerte tief. Und sollte plötzlich auch die Kamele vorführen. „Das hatte ich noch nie gemacht, nur durch Zusehen wusste ich, wie Uwe sich bewegt hatte.“ Pferde, sagt sie, reagieren auf feine Gesten und wenig Worte, bei Kamelen müsse man energischer auftreten, mehr mit der Stimme arbeiten. Einer der Kamelhengste machte erstmal gar nichts mehr. Rotz und Wasser habe sie geheult, sagt Stephanie. Doch sie überlegte, wie es der Onkel Uwe gemacht hätte, ließ die Tiere in den Proben zunächst wieder an Longen führen und prägte sie auf die neue Chefin. Und mit der Zeit klappte alles. Seit Schwichtenbergs Tod arbeitet Stephanie Probst alleine als Tierlehrerin. Häufig sprechen Zuschauer sie auf ihre Arbeit an und bedanken sich, wünschen ihr alles Gute – und schätzen sie stets noch jünger ein, als sie wirklich ist. „Bei solchen positiven Reaktionen weiß man immer, wofür man das alles tut.“ Kein Verständnis hat sie dagegen für die Aktionen von selbsternannten Tierrechtlern gegen den Circus mit Tieren: „Die Menschen möchten Circus mit Tieren sehen, die Kinder verbinden Circus mit Elefanten und Raubtieren.“ Im Circus Probst würden bei der Haltung und Dressur der Tiere alle Vorschriften strikt eingehalten. „Es hat sich bei der Tierhaltung im Circus auch vieles getan. So wie es heute ist, ist es einfach in Ordnung.“


Debüt mit dem Achterzug, Lehrmeister Uwe Schwichtenberg

Stephanie Probst liebt ihre Tiere, mit denen es nie langweilig werde. „Sie geben auch Liebe, wenn man mal schlecht drauf ist.“ Und jedes habe seinen eigenen Charakter. Aber nicht nur mit Tieren stand Stephanie in der Manege. Als Kind war sie auch in einer Clownsrolle in der Manege zu sehen gewesen, verkörperte in einer Pinocchio-Szene eine Marionette. „Aber das Clownsein ist nicht meine Welt, ich würde mich da immer schämen.“ Im Alter von 13 Jahren arbeitete sie auch an einer Luftringnummer. „Ich wollte damals, vor ihrem schlimmen Absturz, wie meine Schwester werden, sie war ein Vorbild für mich.“ Nachdem bei Stephanie eine rheumatische Erkrankung festgestellt wurde, habe sich die Karriere als Artistin jedoch erledigt gehabt. Auch wenn sie besonders Wetterwechsel spürt, will sie sich, sagt Stephanie, „von dieser Krankheit nicht einschränken lassen.“ In Sachen Schulbildung ist Stephanie Probst zunächst in jeder Gastspielstadt in die Schule vor Ort gegangen, ab der 5. Klasse wurde sie dann durch die Schule für reisende Circuskinder in Nordrhein-Westfalen unterrichtet. Sie schloss mit dem Realschulabschluss mit Qualifikation ab. Stephanie Probst möchte später einmal auf jedes Fall den elterlichen Circus gemeinsam mit ihren Geschwistern weiterführen. „Weshalb sonst hätten unsere Eltern dieses Unternehmen so weit bringen und sich so weit hocharbeiten sollen?“, fragt sie. Und fügt hinzu: „Es wäre unverschämt, diesen Circus nicht weiterführen zu wollen.“ Nur das dauernde Reisen sei ihr manchmal lästig.


Hinter den Kulissen: Mitarbeiter-Einweisung, Aufsatteln

Dagegen gehören ihrer Meinung nach die Mehrsprachigkeit und Internationalität zu den schönsten Seiten des Circuslebens: „Als wir mongolische Artisten hatten, habe ich irgendwann auch angefangen, ein wenig mongolisch zu sprechen.“ Besonders schätzt sie den freundschaftlichen Umgang mit der kubanischen Artistentruppe, die nun in der zweiten Saison mit dem Circus Probst reist – Anfang des Jahres waren Stephanie und ihre Schwester Sonja in der karibischen Heimat der Artisten im Urlaub. Noch heute schwärmt sie von der Gastfreundlichkeit und Freundlichkeit der Menschen auf Kuba. „Das ganze Land ist so.“ Besonders die Hauptstadt Havanna sei sehr schön, auch wenn sie sich oft gewundert habe, wie gut die Menschen mit den oft bescheidenen Lebensumständen zurechtkommen. Stephanies Lebensgefährte Sergiu Mosanu stammt aus Moldawien und kam vor sieben Jahren mit einer Artistentruppe zum Circus Probst – und blieb. Nachdem beide ihre Beziehung zunächst noch vor Stephanies Eltern verheimlichten, ist der fleißige Sergiu, der mit Reinhard Probst und Sohn Andreas für den technischen Bereich des Circus Probst verantwortlich ist, für das Ehepaar Probst inzwischen „wie ein Sohn“ geworden, berichtet Stephanie. Gute Voraussetzungen also für noch viele erfolgreiche Jahre Circus Probst.

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Text: Markus Moll, Fotos: Markus Moll, Tobias Erber, Stefan Gierisch, Archiv Familie Probst