Frühmorgens im
rot-gelben Zelt des Circus Probst auf dem Festplatz in Schwäbisch
Gmünd. Die Batterien bunter Scheinwerfer leuchten nicht, nur drei
weiße Lampen unter dem Zeltdach strahlen. Eine neue Nummer wird
einstudiert. Sechs Pferde mit Reitern umrunden die Manege, außerdem
sechs Dromedare, jedes geführt von einem Tierpfleger. Macht
insgesamt zwölf Männer aus verschiedenen Ländern von Kuba bis
Rumänien und zwölf große Tiere – und die zierliche Stephanie Probst
steht in der Mitte der Manege, führt das Kommando, hat ihre Augen
überall. „Kevin, sitz’ ordentlich, Zügel in die Hand, Kopf gerade!“,
ruft sie ihrem Großcousin zu. Die 24-Jährige ist der Chef im Ring,
der Aufbau des Zwölferzuges war ihre eigene Idee. Im kommenden
Weihnachtscircus soll die Nummer das erste Mal zu sehen sein. 2010 überraschte
die ehrgeizige junge Tierlehrerin mit einer Ungarischen Post, 2011
mit dem Pas-de-Trois zu Pferd, für den kommenden Weihnachtscircus
ist nun auch ein Pas-de-Deux mit seriösem und komischem Teil in
Arbeit.
 
Ungarische Post,
Pas-de-Trois
„Ich saß schon
mit Pampers auf Pferden“, erzählt sie am Rande der Morgenarbeit, bei
der sie allmorgendlich von 8 bis 12.30 Uhr mit den Probst-Tieren in
der Manege arbeitet. Auch nach der Abendvorstellung wird nochmals
kurz trainiert. Mit sechs Jahren trat Stephanie Probst das
erste Mal auf, führte vier Ponys vor; mit 13 Jahren dirigierte sie
sechs Araberhengste in der Manege, zwei Jahre später einen Achterzug
Friesen und Araber. Inzwischen hat sie sich einen Ruf als
herausragendes Tierlehrer-Talent erworben. Stets elegant, mit
charmantem Lächeln und leichter Hand präsentiert sie ihre
Tierdressuren. Eine Circusprinzessin. Das Können kam
nicht von ungefähr. Schließlich lernte sie ihr Handwerk bei Uwe
Schwichtenberg, dem Meisterdresseur des ehemaligen
DDR-Staatszirkus’. Schwichtenberg fand nach der Wende bei Probst
eine neue Heimat. „Wo dieser Mann war, war ich auch“, erzählt
Stephanie. „Er war nicht nur ein Vorbild für mich, sondern wie ein
Opa.“ Und wenn sie als junges Mädchen manchmal ein „kleines
Mistbiest“ gewesen sei, wie sie selbst formuliert, dann habe „Onkel
Uwe“ sie schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.
  
Debüt im Kindesalter
Schwichtenberg vermittelte der jungen Stephanie sein Erfolgsrezept
als Dresseur: Ruhe, Geduld und viel Liebe zu den Tieren, niemals
Gewalt. Er hatte seiner Meisterschülerin sein Wissen behutsam und in
kleinen Schritten vermitteln wollen. Doch dann starb Schwichtenberg
im März 2004 nach kurzer schwerer Krankheit viel zu früh an Krebs.
Stephanie trauerte tief. Und sollte plötzlich auch die Kamele
vorführen. „Das hatte ich noch nie gemacht, nur durch Zusehen wusste
ich, wie Uwe sich bewegt hatte.“ Pferde, sagt sie, reagieren auf
feine Gesten und wenig Worte, bei Kamelen müsse man energischer
auftreten, mehr mit der Stimme arbeiten. Einer der Kamelhengste
machte erstmal gar nichts mehr. Rotz und Wasser habe sie geheult,
sagt Stephanie. Doch sie überlegte, wie es der Onkel Uwe gemacht
hätte, ließ die Tiere in den Proben zunächst wieder an Longen führen
und prägte sie auf die neue Chefin. Und mit der Zeit klappte alles. Seit
Schwichtenbergs Tod arbeitet Stephanie Probst alleine als
Tierlehrerin. Häufig sprechen Zuschauer sie auf ihre Arbeit an und
bedanken sich, wünschen ihr alles Gute – und schätzen sie stets noch
jünger ein, als sie wirklich ist. „Bei solchen positiven Reaktionen
weiß man immer, wofür man das alles tut.“ Kein Verständnis hat sie
dagegen für die Aktionen von selbsternannten Tierrechtlern gegen den
Circus mit Tieren: „Die Menschen möchten Circus mit Tieren sehen,
die Kinder verbinden Circus mit Elefanten und Raubtieren.“ Im Circus
Probst würden bei der Haltung und Dressur der Tiere alle
Vorschriften strikt eingehalten. „Es hat sich bei der Tierhaltung im
Circus auch vieles getan. So wie es heute ist, ist es einfach in
Ordnung.“
 
Debüt mit dem Achterzug,
Lehrmeister Uwe Schwichtenberg
Stephanie
Probst liebt ihre Tiere, mit denen es nie langweilig werde. „Sie
geben auch Liebe, wenn man mal schlecht drauf ist.“ Und jedes habe
seinen eigenen Charakter. Aber nicht nur mit Tieren stand Stephanie
in der Manege. Als Kind war sie auch in einer Clownsrolle in der
Manege zu sehen gewesen, verkörperte in einer Pinocchio-Szene eine
Marionette. „Aber das Clownsein ist nicht meine Welt, ich würde mich
da immer schämen.“ Im Alter von 13 Jahren arbeitete sie auch an
einer Luftringnummer. „Ich wollte damals, vor ihrem schlimmen
Absturz, wie meine Schwester werden, sie war ein Vorbild für mich.“
Nachdem bei Stephanie eine rheumatische Erkrankung festgestellt
wurde, habe sich die Karriere als Artistin jedoch erledigt gehabt.
Auch wenn sie besonders Wetterwechsel spürt, will sie sich, sagt
Stephanie, „von dieser Krankheit nicht einschränken lassen.“ In
Sachen Schulbildung ist Stephanie Probst zunächst in jeder
Gastspielstadt in die Schule vor Ort gegangen, ab der 5. Klasse
wurde sie dann durch die Schule für reisende Circuskinder in
Nordrhein-Westfalen unterrichtet. Sie schloss mit dem
Realschulabschluss mit Qualifikation ab. Stephanie Probst möchte
später einmal auf jedes Fall den elterlichen Circus gemeinsam mit
ihren Geschwistern weiterführen. „Weshalb sonst hätten unsere Eltern
dieses Unternehmen so weit bringen und sich so weit hocharbeiten
sollen?“, fragt sie. Und fügt hinzu: „Es wäre unverschämt, diesen
Circus nicht weiterführen zu wollen.“ Nur das dauernde Reisen sei
ihr manchmal lästig.
 
Hinter den Kulissen: Mitarbeiter-Einweisung, Aufsatteln
Dagegen gehören ihrer
Meinung nach die Mehrsprachigkeit und Internationalität zu den
schönsten Seiten des Circuslebens: „Als wir mongolische Artisten
hatten, habe ich irgendwann auch angefangen, ein wenig mongolisch zu
sprechen.“ Besonders schätzt sie den freundschaftlichen Umgang mit der
kubanischen Artistentruppe, die nun in der zweiten Saison mit dem
Circus Probst reist – Anfang des Jahres waren Stephanie und ihre
Schwester Sonja in der karibischen Heimat der Artisten im Urlaub.
Noch heute schwärmt sie von der Gastfreundlichkeit und
Freundlichkeit der Menschen auf Kuba. „Das ganze Land ist so.“
Besonders die Hauptstadt Havanna sei sehr schön, auch wenn sie sich
oft gewundert habe, wie gut die Menschen mit den oft bescheidenen
Lebensumständen zurechtkommen. Stephanies Lebensgefährte Sergiu Mosanu stammt aus Moldawien und kam vor sieben Jahren mit einer
Artistentruppe zum Circus Probst – und blieb. Nachdem beide ihre
Beziehung zunächst noch vor Stephanies Eltern verheimlichten, ist
der fleißige Sergiu, der mit Reinhard Probst und Sohn Andreas für
den technischen Bereich des Circus Probst verantwortlich ist, für
das Ehepaar Probst inzwischen „wie ein Sohn“ geworden, berichtet
Stephanie. Gute Voraussetzungen also für noch viele erfolgreiche
Jahre Circus Probst.
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