CHPITEAU.DE

Rote Nase und frische Geschichten
André Broger über seinen Weg zum Circus, seine Clowns-Figur und seine Ziele

Ravensburg, 12. Januar 2013: Beim 5. Ravensburger Weihnachtscircus sorgte einer der ganz bekannten Clowns für Heiterkeit und gute Laune: der Schweizer André Broger, der seine Späße schon bei zahlreichen großen Circussen in Europa getrieben hat. Auf das Engagement in Ravensburg freute André Broger sich besonders, denn mit Direktor Elmar Kretz verbindet ihn eine langjährige Freundschaft, die während des gemeinsamen Engagements beim Österreichischen Nationalcircus entstanden ist. Wie Elmar Kretz – oder Charles-Knie-Chef Sascha Melnjak, wo André auch in der Saison 2013 arbeitet – stammt er aus keiner Circusfamilie.

André Broger (46) ist in ganz bürgerlichen Verhältnissen im Zürcher Oberland aufgewachsen, berichtete er im Vorfeld des Ravensburger Weihnachtscircus im Gespräch mit Chapiteau.de. Ganz in der Nähe, in Rapperswil, hat seit vielen Jahrzehnten der Schweizer Nationalcircus Knie sein Winterquartier. Alljährlich beginnt der Circus Knie seine Tournee in Rapperswil – und bei einem Knie-Besuch 1978 wurde bei dem damals zwölfjährigen André Broger die Leidenschaft für den Circus entfacht. Nach dem Circusbesuch kaufte André Broger sich Bücher zur Circusgeschichte, befasste sich immer stärker mit dem Thema. Auf den Schulabschluss folgte 1982, so André Broger, der „gescheiterte Versuch“ einer Schriftsetzerlehre: Nach nur acht Monaten brach er die eigentlich vierjährige Ausbildung ab. „Es hat mich einfach überhaupt nicht interessiert, ich habe mich viel zu viel mit Circus befasst, das Lernen war darüber schon in der Schule zu kurz gekommen.“ Immer stärker wurde André Brogers Wunsch, dazuzugehören, mit dem Circus zu reisen.


Stationen einer erfolgreichen Karriere: Österreichischer Nationalcircus, mit den Chickys bei Krone, Monte Carlo

Ganz besonders hatten es ihm die Clowns angetan. „Ich war ein wahnsinniger Fan von Gaston, Rolf Knie und Pipo, die damals die berühmten Clowns des Circus Knie waren“, erinnert sich André Broger. „Außerdem war ich akrobatisch immer völlig untalentiert und wollte doch beim Circus sein, die Rolle als Clown habe ich mir dabei noch am ehesten zugetraut.“ Zunächst waren es die Klassenkameraden, denen André Broger lustige Szenen vorspielte. Dann hatte er 1983 die Gelegenheit, der Direktion des Schweizer Circus Stey eine Kostprobe seines Könnens zu geben – und wurde für das Jahr 1984 als Clown engagiert. Vor allem jedoch musste André Broger in diesem Circus das „Mädchen für alles“ spielen und von Auf- und Abbau bis zur Tierpflege in allen Bereichen mithelfen. „Ich war voll dabei, und das für einen Hungerlohn“, erinnert er sich. 1985 jobbte André Broger dann in einer Fabrik, wo er Kaffeemaschinen reparierte – damit verdiente er sich das Geld für den ersten eigenen Wohnwagen, um mit dem Circus reisen zu können. Es folgten zwei weitere Jahre beim Circus Stey, 1986 als Reprisenclown und 1987 als Moderator, ehe sich ab 1988 die ersten Auslandsengagements anschlossen – beim Circus Scala in Schweden, beim Circus Stella Nova in Finnland, beim Österreichischen Nationalcircus von Elfi Althoff-Jacobi. Heute liest sich die Referenzliste André Brogers äußerst beeindruckend und reicht vom Internationalen Circusfestival in Monte Carlo über den Circus Krone bis zum Zirkus Charles Knie, wo er auch in der Saison 2013 wieder in der Manege stehen wird, diesmal im Wechsel mit dem portugiesischen Clown César Dias. „Er ist wirklich ein guter Typ Clown, aber auch ganz anders als ich. Ich bin sehr gespannt, wie diese Zusammenarbeit aufgehen wird.“


Vielseitiger André: in Ravensburg, bei Charles Knie, bei Royal

Als Clown ist André Broger weitgehend Autodidakt. Natürlich gab zum Beispiel Rolf Steys Bruder Bruno Speichinger, der selbst als Clown gearbeitet hatte, in der Anfangszeit einige Tipps. „Doch das Meiste habe ich mir selbst erarbeitet, man muss sich einfach ausprobieren.“ Die wichtigste und kreativste Zeit für die Entwicklung seiner Clownsfigur sei das Engagement beim Cirque Arlette Gruss gewesen. „Hier musste ich in drei aufeinander folgenden Jahren jeweils fünf völlig neue Nummern zeigen. Ich habe alle diese Auftritte selbst kreiert, und Gilbert Gruss hat mir alle Freiheiten gelassen. Das war wirklich eine große Hilfe.“ Nicht nur einmal wurden André Brogers Ideen – zum Beispiel sein berühmter Kampf gegen den Angriff des „Weißen Hai“ in der Badewanne – von anderen Clowns kopiert: „Es regt mich wirklich auf, wenn meine Ideen einfach geklaut werden. Natürlich hat man Vorbilder, aber es sollte doch jeder Komiker versuchen, seinen eigenen Stil zu finden und mit eigenen Ideen den Durchbruch zu schaffen“, sagt er selbst. André Broger legt viel Wert darauf, dass seine Clownsfigur die traditionellen Elemente bietet – von Riesenschuhen bis roter Nase –, aber gleichzeitig auch neue, frische Geschichten erzählt. „Und es sollen alle darüber lachen können, Kinder und Erwachsene.“ Auf das gesprochene Wort verzichtet der Schweizer dabei ganz bewusst: „Ich setze auf reine Mimik, weil im Fernsehen alles vorgeplappert wird.“ Mitmach-Nummern, bei denen Zuschauer in die Manege gezerrt werden, widerstreben ihm: „Die Leute wollen sich doch entspannen und nicht blöd hingestellt werden. Ich bin wirklich froh, dass ich nicht auf solche Nummern angewiesen bin.“ Für neue Nummern wird André Broger häufig von Requisiten inspiriert, die er zum Beispiel auf einem Flohmarkt gefunden hat und die dann manchmal auch zwei bis drei Jahre im Keller lagern, bis die Idee für ihren Einsatz ausgereift ist. „Und dann inspirieren mich vor allem Filmmusik und – ehrlich gesagt – auch Zeitdruck, wenn ich mir in letzter Minute etwas einfallen lasse. Das ist dann zwar immer mit einem schlechten Gewissen verbunden, aber es funktioniert.“


Die berühmte Badewannen-Szene 

Abseits der Manege ist André Broger ein vielseitig interessierter Mensch, der gerne malt – vor allem Clownsmotive – und seine künstlerischen Arbeiten vor Jahren schon in kleineren Ausstellungen in der Schweiz gezeigt hat. Auch während der Circussaisons nimmt er sich gerne die Zeit, zwischen den Vorstellungen zu malen. In den Ferien erhält er Besuch von seiner achtjährigen Tochter, welche ansonsten bei seiner geschiedenen Frau in Lille (Frankreich) lebt. Ob sie einmal zum Circus gehen und Artistin werden möchte? „Sie würde es schon gerne machen und hat im vergangenen Jahr bei Charles Knie mit dem Duo Solys Handstände trainiert“, meint ihr Vater. Andrés Interesse an den Städten und Regionen, die er während seiner Circustourneen besucht, hat ihm zudem den Spitznamen „Tourist“ eingebracht: „Wenn man beruflich ständig auf Reisen ist, und ich reise richtig gerne, dann sollte man diese Möglichkeit doch nutzen. Zwischen der Saison 2012 bei Charles Knie und dem Ravensburger Weihnachtscircus war ich in Prag bei 'Cirkus Cirkus' engagiert und sehr begeistert von dieser Stadt“. Sein Wunsch-Ziel? „Australien und Neuseeland, das würde mich sehr reizen, dort einmal zu arbeiten.“ Außerdem hegt André Broger den großen Traum, noch einmal mit seinem guten Freund Marco Baumgartner – zuständig für Catering und Dekoration bei „Salto Natale“ – ein wohltätiges Circusprojekt in einem asiatischen Land zu machen, zum Beispiel in Malyasia oder Thailand. „Da würden wir dann mit den Kindern an den Vormittagen ein kleines Circusprogramm einstudieren, aber selbst auch ein- bis zweimal in der Woche mit unserem Programm auftreten.“ In den Jahren 2000 und 2005 boten André und Marco Baumgartner ähnliches schon einmal in Singapur an. „Die ersten Kontakte nach Asien haben wir schon geknüpft, aber vermutlich werden wir das erst 2014 oder 2015 umsetzen können, begrenzt auf eine kurze Zeit im Winter.“

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Text
: Markus Moll, Fotos: Archiv André Broger, Tobias Erber