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2. Zirkus-Nacht in Budapest
Bekannte Namen, interessanter Nachwuchs und ein Stargast im Schottenrock

Budapest, 12. Juli 2014: Zum zweiten Mal veranstaltete der ungarische Circus- und Varietéverband MACIVA eine „Zirkus Nacht“. Ziele seien vor allem die stärkere Zusammenarbeit der Zirkusse, eine breitere Öffentlichkeitswirkung sowie die Qualitätsförderung der einheimischen Unternehmen, betonte MACIVA-Direktor Zsigmond Kriza. Man habe die Absicht, mit dem ungarischen Zirkus eine führende Rolle in der Zirkuswelt einzunehmen. Neben dem Budapester Zirkusbau waren wieder drei reisende Unternehmen (Richter, Eötvös und Exit) mit von der Partie.

Von 19 Uhr an bis Mitternacht oder sogar darüber hinaus wurde dem wieder zahlreich erschienenen Publikum ein abwechselungsreicher Abend geboten: von den eigentlichen Shows über vielfältige Begleitprogramme wie Tier-Proben oder Mitmach-Aktionen bis hin zu Star-Gästen. In den meisten Fällen waren dies aus dem TV bekannte SängerInnen. Der Budapester Zirkusbau wählte jedoch einen anderen Weg.


Steve Eleky

Auf besonderen Wunsch der Direktion war Steve Eleky zu Gast und bot gleich eine Weltpremiere, indem er erstmals seine Nummer auf Ungarisch zeigte. Am Ende: alles wie immer. Das Publikum hielt es vor lauter Lachen nicht mehr auf den Sitzen. Eleky - den Schottenrock mit Nonchalace tragend wie kein anderer und stets wirr vor sich hin plaudernd denn wirklich jonglierend oder zaubernd - ist der beste Beweis, dass gute Komik immer funktioniert. Oder wie es ein WAZ-Redakteur einmal formulierte: „Es wird schlimmer. Beim zweiten Besuch [...] weißt du, was Steve Eleky jetzt machen wird. Die Pointe ist also bekannt und du brichst los, mehr denn je.“


Florian Richter, Hans-Ludwig Suppmeier 

Im Budapester Zirkusbau nahm man die Veranstaltung zugleich zum Anlass, das 125-jährige Bestehen des Baus zu feiern. So wurden Video-Impressionen zum Jubiläum eingeblendet und immer wieder verdiente ungarische Artisten der Vergangenheit geehrt. Moderator Gyuszi Maka stellte sie, allesamt als Ehrengäste anwesend, dem Publikum vor. Zusammen mit dem hauseigenen Orchester, acht Musikern unter Attila Maka, begleitete er die ganze „Zirkus Nacht“, in der gleich zu Beginn Hans-Ludwig Suppmeier mit je zwei normalfarbenen und zwei goldenen Tigern aus dem Hause Togni ein umfangreiches Repertoire vorstellte. In manchen „normalen“ Vorstellungen des aktuellen Sommerprogramms „Circus Classicus“ (noch bis Ende August) ist er zudem zusätzlich mit einem weißer Tiger solo zu sehen. Die anderen Tier-Darbietungen sind „hausgemacht“, stammen also von der Familie Florian Richter. Dazu gehört die Präsentation der Elefantendama Sandra, ein Hohe Schule-Potpourri der ganzen Familie sowie eine neue, großartige Freiheitsdressur inkl. Karussell mit acht Arabern, vier Friesen und einem Irish Tinker. Im kommenden Winter ist die Familie Richter mit ihren Pferden wieder einmal beim „Wereldkerstcircus“ im Amsterdamer Carré zu Gast. 


Duo Sifolini, Trio Mednikov, Super Silva 

Die Hochseil-Darbietung des Trio Mednikov ist eine echte Sensation. Kostüme und Frisuren der Akteure sind zwar ziemlich altbacken, die gezeigte Leistung aber ist herausragend. In rund acht Metern Höhe springt einer der Akteure einen Vorwärtssalto, einen Rückwärts-Salto mit Schraube sowie einen doppelten Rückwärts-Salto. Darüber hinaus beherrscht das Trio des Bolschoi-Zirkus eine Vielzahl weiterer abgedrehter Tricks, normalerweise auch auf dem hier aus technischen Gründen nicht errichteten Schrägseil. Abgedreht, dieses Urteil trifft auch auf Super Silva zu, der vom Festival prolongiert wurde. Er wird vom Publikum frenetisch gefeiert. Die Zuschauer haben ihren Helden eindeutig gefunden! Da kann auch das Duo Sifolini auf dem Todesrad nicht mithalten – trotz ansprechenden Tricks wie dem Handstandlauf und Salto im Rad.


Cap Crew, Bazan Sisters, Bazan Clown Family 

Mit seiner Partnerin Hayley hat Nikolay Karakolev vom Duo Sifolini unter dem Titel „Masqerade“ darüber hinaus eine gemeinsame Quick Change-Darbietung einstudiert. Mit seinen bekannten Illusionen ist Kim Kenneth zu Gast. Partnerin Jessica Caveagna zeigt ihre Schwertbalance. Daramis Guerra gehörte einst zum Duo Capilar und präsentiert ihre Zopfhang-Variationen nun alleine. Die „Cap Crew“ sind Vertreter der neuen Schleuderbrett-Generation. Nach ihrem Abschluss an der Zirkusschule hatten sie im vergangenen Winter bereits ein Engagement beim Pforzheimer Weihnachtscircus. Sie schleudern sich gegenseitig in die Luft und zeigen dabei zahlreiche Tricks, als Höhepunkt den dreifachen Salto. Mit den „Bazan Sisters“ stehen mögliche Nachfolger der Azzarios bereits in den Startlöchern. Ihre Partner-Akrobatik ist dabei bereits jetzt eigenständig, fließend und mit tollen Tricks bestückt. Zum Finale gehts auch hier über eine Leiter – im Spagatstand auf dem Kopf der Partnerin. Sie stammen – noch so eine Paralelle – aus einer Spaßmacher-Familie. Die „Bazan Clown Family“ überzeugt vor allem mit ihrer vielseitigen Musikalität im großen Entree. Zudem sorgen sie für die Reprisen im Programm.


Diamant Girls, Duo Violin
 

Das besondere an der „Zirkus Nacht“ ist die Mischung aus Darbietungen des aktuellen Sommerprogramms – wie oben beschrieben – und „fremden“ Nummern, meist aus der staatlichen Zirkusschule Imre Baross. So gibt die Veranstaltung auch immer einen spannenden Blick auf neue Talente, zumal das Niveau der Schule ausgesprochen hoch ist. Ihnen eine Plattform zur Präsentation zu geben, scheint ein großes Anliegen des Verbandes zu sein. Dafür mussten an diesem Abend sogar Schwertbalance, Quick Change und leider auch die großartige Pferdefreiheit dem Nachwuchs weichen. Wobei dieser seine Sache wieder einmal ausgesprochen gut machte. Hervorzuheben sind insbesondere zwei junge Duos mit Luftakrobatik. Im Luftring begeisterten die „Diamant Girls“ mit einer fabelhaften Kür aus synchronen Passagen und schwierigen Haltetricks inkl. Abfallern. Das noch jüngere Duo „Violin“ zeigte an zwei Tücherschlaufen ebenfalls diverse anspruchsvolle Haltetricks und gemeinsame Flugpassagen. Dieser Jugend gehören die Manegen der Zukunft!


Mitglieder von "Romeo und Julia", Truppe Teibler, Maria Bakalkina

Diese „Zirkus Nacht“ legte auch dar, wie unterschiedlich das Genre Schleuderbrett heutzutage umgesetzt werden kann. Neben der modernen Variante der „Cap Crew“ baute sich die zehnköpfige Truppe Teibler hingegen ganz traditionell zu Menschentürmem auf, bis hin zum Zwei-Personen-Hoch auf Perche-Plattform oder Vier-Personen-Hoch. Ungewöhnlich und wunderbar zugleich, dass eine Artistenschule heute noch solche große Gruppen-Darbietungen ausbildet. Eine dritte Variante bot zudem die vierköpfige Formation „Romeo & Julia“, die Schleuderbrett und Handvoltigen verbanden, ebenfalls mit Sprüngen auf eine Perche-Plattform. Solo arbeiteten hingegen Jongleur Csongor Zeitler mit bis zu sieben Bällen und zehn Ringen, Kontorsionistin Maria Bakalkina mit vielen Einarmern, „Pierrot“ an den Strapaten mit kraftvollen Aufschwüngen sowie József Nedó mit eher farblosem Tellerdrehen. 


Katalin Ott-Balogh, Kyra & die Tropical Pearls, Face Team 

Unter dem Titel „Orpheum Hungaricum Varieté“ hat die MACIVA zudem eine neue Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen, die immer mal wieder zu besondern Aktivitäten reanimiert wird und hier die „Zirkus Nacht“ beschloss. Neben Steve Eleky waren hier Katalin Ott-Balogh am doppelten Mast, Kim Kenneth mit Zauberei, Kabarettist Zoltán Maksa, das „Face Team“ mit Freestyle-Basketball sowie die Tanzformation „Kyra & die Tropical Pearls“ mit mehreren Auftritten zu sehen.

Ob die ungarischen Zirkusse tatsächlich durch diese „Zirkus Nacht“ enger zusammenrücken, kann man von außen wohl kaum beurteilen. Aber die beiden anderen ausgegebenen, oben angeführten Ziele hat der ungarische Circus- und Varietéverband MACIVA mit Sicherheit erreicht: Das Publikum strömte auch heuer in die Zelte und in den Budapester Zirkusbau. Auch nach fünf Stunden waren hier nur wenige Plätze frei geworden - bekannten Namen, interessantem Nachwuchs und einem Stargast im Schottenrock sei Dank. Und so schließen wir mit der gleichen Aufforderung und zugleich Bitte wie im letzten Jahr: Das ruft nach Wiederholung!

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Text: Benedikt Ricken, Fotos: Circusbau Budapest