Jetzt war Stefano Orfei-Nones mit seiner großen gemischten
Raubtiernummer im Heilbronner Weihnachtscircus zu Gast. Im Interview
mit Chapiteau.de erzählte er von seiner großen Manegenkarriere,
seiner weltbekannten Mutter und der jahrzehntelangen Freundschaft
der Familie Orfei-Nones zu Sascha Melnjak, der gemeinsam mit Uwe
Gehrmann den Heilbronner Weihnachtscircus veranstaltet. Mirjan
Mavriqi, der Mann für alle Fälle im Heilbronner Weihnachtscircus,
stand freundlicherweise als Dolmetscher zur Verfügung.
 
Vielseitiger
Tierlehrer: Hohe Schule in Monte Carlo, Exotendressur mit Nashorn
Seinen ersten Auftritt in der Manege hatte Stefano Orfei-Nones als
kleiner Junge in Turin. Damals stand er mit seiner Mutter bei deren
Elefantennummer in der Manege. Ein altes Foto zeigt den kleinen
Stefano auf dem Kopf eines Elefanten stehend. Zwei Jahre später
arbeitete er bereits am Elefanten-Schleuderbrett. Der Junge ließ
sich auf den Rücken eines Tiere katapultieren und tanzte dort.
1975/76 war auch die bulgarische Truppe Dobritch im Circo Moira
Orfei engagiert. „Nachdem seine Frau sich verletzt hat, hat der
Truppenchef mit mir trainiert, und wir haben eine richtig schöne
Nummer aufgebaut“, erinnert sich Stefano Orfei-Nones. Der
zehnjährige Direktionsspross hoch oben an den Perchestangen – „die
Leute waren verrückt danach“, beschreibt er heute die Reaktionen.
Auf dem Trampolin konnte man ihn ebenso
erleben, gemeinsam mit der bulgarischen Truppe Matevi, und auch am
Flugtrapez arbeitete er. „Unser Doppeltes Flugtrapez mit acht
Personen war sehr bekannt.“ Diese
große Nummer wurde gemeinsam mit der Familie von Roberto Jarz
gearbeitet.
  
Stefano Orfei-Nones
macht immer eine gute Figur: zu Pferd, auf Löwe, mit Elefant
1980 präsentierte er als 14-Jähriger erstmals einen Zwölferzug
Freiheitspferde – sechs braune und sechs weiße Exemplare. Fünf Jahre
später kam Charles Knie, genannt „Charly“, zum Circo Moira Orfei und
baute eine große Exotennummer auf. Stefano Orfei-Nones assistierte
zunächst dem erfahrenen Dresseur, der drei Jahre bei dem Circus blieb.
Ab 1987 führte Stefano Orfei-Nones die Exoten selbst vor und
dressierte weitere Tiere hinzu. Zudem wurde er, wie auch seine
Schwester Lara, von Rita und Diana Antoine zwei Jahre lang als
Schulreiter ausgebildet. Der Lohn der Mühen folgte Anfang 1989:
Stefano Orfei-Nones wurde beim Internationalen Circusfestival von
Monte Carlo gleich zweimal ausgezeichnet. Einen Silbernen Clown
erhielt er gemeinsam mit seiner Schwester Lara für die Doppelte Hohe
Schule, den zweiten für seine Exotendressur. Niemand anders habe in
vier Jahrzehnten Circusfestival einen Silbernen Clown für ein
Exotentableau errungen. In der außergewöhnlichen Darbietung ritt er unter anderem auf einem Strauß und stehend auf
einem Nashorn. Bei letzterem Trick jonglierte er auch noch mit
Feuerkeulen. „Das war schon anders als bei allen anderen“, sagt
Stefano Orfei-Nones. Auch ein Silberner Clown allein für eine Hohe
Schule sei eine Rarität. Nur Manuela Beloo habe dies ebenfalls
erreicht.

Die Karriere im Raubtierkäfig
begann 1992
1992 begann Stefano Orfei-Nones – auch nach dem Vorbild seines
Vaters Walter – die Arbeit mit Raubtieren. Zunächst führte er zwölf
Tiger vor, die sein Onkel Massimiliano Nones gemeinsam mit Jean
Michon dressiert hatte. Bereits 1987 hatte Massimiliano Nones damit
einen Goldenen Clown in Monte Carlo gewonnen. Die Fahrt mit zwei
Tigern auf einem Motorrad mit Beiwagen sowie der spektakuläre
Schaukel-Trick gehörten schon damals zum Repertoire. 1999 übernahm
Stefano Orfei-Nones schließlich eine Gruppe Tiger von Mary Chipperfield.
Aus dieser Gruppe ging viel Nachwuchs hervor, 16 Jungtiere wurden
geboren. So konnte er eine eigene Nummer aufbauen
bzw. das ursprüngliche Repertoire der Chipperfield-Gruppe stark
verändern und neue Tricks hinzufügen. Im Jahr 2004 gewann er für
seine Raubtiernummer einen weiteren Silbernen Clown in Monte Carlo.
Somit ist Stefano Orfei-Nones wohl der einzige Künstler, der drei Clowns in drei
verschiedenen Disziplinen – Hohe Schule, Exotentableau und
Raubtierdressur – gewonnen hat. „Das ist ein Weltrekord“, sagt der
Tierlehrer. Zugleich ärgert er sich bis heute, dass die Familie
Orfei nie mit ihrer Elefantendressur nach Monte Carlo
eingeladen worden ist. Dabei habe es sich um eine ganz große Nummer
mit acht Tieren gehandelt. Und auch jetzt würde er gerne ein
weiteres Mal nach Monte Carlo eingeladen werden. Schließlich kann er
zwei verschiedene Raubtierdressuren anbieten: eine Tigernummer mit
zehn Tieren in verschiedenen Farben sowie die „Gemischte“, die jetzt
in Heilbronn zu erleben war.
  
Stefano und Brigitta:
Lovestory in der Manege und im wahren Leben
Stefano Orfei-Nones ist aber nicht nur gefeierter Artist und
Tierlehrer. Auch privat hat er sein Glück gefunden. Seit 2008 ist er
mit der bekannten italienischen Schauspielerin und Sängerin Brigitta
Boccoli verheiratet. Diese lernte er zwei Jahre zuvor bei
Dreharbeiten für eine „Reality-Circus“-Sendung kennen. In dieser
äußerst populären Sendereihe wagten sich Prominente in verschiedenen
Circusdisziplinen in die Manege. Boccoli war eine der Kandidatinnen.
Im Unterschied zur deutschen Sendung „Stars in der Manege“ wurde „Reality-Circus“
aber nach dem Modell „Big Brother“ gedreht. Die Kamera war also auch
bei den Dreharbeiten dabei. Stefano Orfei-Nones hatte in der
„Circusschule für Promis“ die Rolle des „Direktors“ inne und
koordinierte das Training in den verschiedensten Disziplinen wie
Antipoden und Rola Rola. Dafür war er der richtige Mann: „Ich bin so
aufgewachsen, dass ich alles gelernt habe. Im Circus kann man nicht
nur eine Nummer machen, man muss alles können“, ist sein Credo.
  
Show-Impressionen
2009: Traumpaar im Raubtierkäfig - Musical-Elemente - La Regina del
Circo Moira Orfei
Während der Dreharbeiten kam Stefano Orfei-Nones die Idee, dass
Brigitta Boccoli mit ihrem Blick von außen neue Ideen in das
Programm des Circo Moira Orfei einbringen könnte. Er lud sie nach
Napoli ein, um gemeinsam eine neue Show vorzubereiten. Dabei wurde
Boccoli selbst in die Vorstellung eingebunden. Drei bis vier Monate
wurde an der Produktion gearbeitet. Dabei verliebten sich der
Circusmann und die Schauspielerin ineinander und heirateten 2008. Im
Rahmen ihrer Zusammenarbeit entstand ein „anderer Circus, als ihn
die anderen machen.“ Die Produktion „Una Tigra per Amore“ („Ein
Tiger für die Liebe“) blieb dem klassischen Circus verpflichtet.
Gleichwohl wurden Elemente des Musicals hinzugefügt. Dabei bedienten
Orfei-Nones und Boccoli sich der Hilfe eines Regisseurs und eines
Choreographen. Zusätzlich nahm Stefano Orfei-Nones Tanz- und
Gesangsunterricht. Die romantische Geschichte à la Walt Disney
handelte von einer jungen Frau, gespielt von Brigitta Boccoli, die
sich verschiedene Dinge wie ein weißes Pferd oder einen weißen Tiger
wünschte. Der heldenhafte Prinz, verkörpert von ihrem Ehemann,
konnte ihr diese Wünsche erfüllen. Die Produktion entwickelte sich
zu einer der erfolgreichsten Shows in Italien und lief von 2007 bis
2009. Stefano Orfei-Nones wurde so populär, dass er immer häufiger
auch im Privatleben erkannt wurde, egal ob am Meer oder beim Besuch
im Freizeitpark. „Dann hieß es immer: Da ist der Prinz“, erinnert er
sich.
  
Stefano Orfei-Nones
2015/2016 - Star im Heilbronner Weihnachtscrcus
Auf den „Tiger für die Liebe“ folgte die Show „Il Bacio del Leone“
(„Der Kuss des Löwen“). Diese Produktion lief von 2010 bis 2014.
Darin ging es um einen Maharadscha, der eine gefährliche Prüfung
absolvieren musste, um seine Angebetete heiraten zu dürfen – eben
den Löwen küssen. Wieder seien die Menschen sehr berührt von der
Show gewesen. Dem traditionellen Circus noch Elemente des Musicals
hinzuzufügen, dabei auch auf die Zugkraft bekannter Film- und
Fernsehschauspieler zu setzen: „Ich glaube, so etwas könnte auch in
Deutschland erfolgreich sein“, meint Stefani Orfei-Nones – frei nach
dem Motto „Til Schweiger zu Gast im Circus Krone“. Heute pendelt
Brigitta Boccoli zwischen ihren Engagements als Fernseh- und
Theaterschauspielerin, der Wohnung der Familie in Rom und dem Circus
Moira Orfei. Dort ist sie vor allem bei längeren
Großstadtgastspielen anzutreffen. Dann darf auch der siebenjährige
gemeinsame Sohn Manfredini sie begleiten – und erhält
Fernunterricht, anstatt regulär die Schule zu besuchen. Stefano
Orfei-Nones ist zuversichtlich, dass auch sein Sohn einmal Circus
machen wird: „Heute hat er bis 3 Uhr morgens Clown Carletto
nachgemacht, und meine Frau und ich mussten die Mitspieler aus dem
Publikum geben“, erzählt er im Vorzelt des Heilbronner
Weihnachtscircus und lacht.
 
Sascha Melnjak gehört
bei Orfeis praktisch zur Familie
Insgesamt hat er das Publikum bei seinem ersten Auftritt in
Deutschland als sehr aufmerksam erlebt. „Die Menschen hier erkennen
die enge Bindung zwischen Mensch und Tier in meiner Nummer“, sagt
er. Während das italienische Publikum sich einfach unterhalten lasse
und das Gebotene bewundere, hätten die Deutschen in Heilbronn auch
das Gefahrvolle in seiner Nummer – beispielsweise beim Schaukeln mit
dem Tiger Royal – erkannt. Abgesehen von Teilnahmen an
Circusfestivals – zuletzt im Oktober 2015 in Latina – hat Stefano
Orfei-Nones nun erstmals in einem anderen Circus als dem
familieneigenen Unternehmen gearbeitet. Dementsprechend hatte er
seine Eltern zunächst um ihr Einverständnis gebeten. „Meine Eltern
sagten zu, denn das Unternehmen von Uwe Gehrmann und Sascha Melnjak
ist ja nicht irgendein Weihnachtscircus. Vielmehr ist unsere Familie
eng mit Sascha Melnjak befreundet, er gehört zur Familie Orfei“,
sagt Stefano Orfei-Nones. „Zu Sascha darfst du gehen“, habe Moira
Orfei zu ihrem Sohn gesagt, „er ist auch deine Familie und nicht
fremd“. Moira Orfei habe ihre Zustimmung als ein Zeichen des
Respekts gegenüber Sascha Melnjak gesehen. Er war so ein großer Fan,
dass er schon als Kind und Jugendlicher zweimal im Jahr zu seinem
Lieblingscircus nach Italien reiste. Möglich wurde das
Heilbronn-Engagement zudem dadurch, dass Mary Chipperfields Sohn
David beim aktuellen Gastspiel des Circo Moira Orfei in Napoli
vertretungsweise die zweite Raubtiergruppe des Unternehmens
vorführte.

Circo Moira Orfei 2009 in Bergamo
Aufgrund der Verpflichtungen im eigenen Circus hat Stefano
Orfei-Nones noch nie zuvor den Heilbronner Weihnachtscircus besuchen
können, doch im Zirkus Charles Knie war er bereits zu Gast. Als sehr
schön und perfekt organisiert hat er das Unternehmen erlebt, die
Programme seien elegant und geschmackvoll. Hier werde traditioneller
Circus geboten, der zugleich mit der Zeit gehe. Dass man
verschiedene Elemente aus dem Circo Moira Orfei in ähnlicher Weise
bei Charles Knie entdecken könne, mache ihn stolz, sagt er. „Diese Dinge sind ja auch nicht einfach kopiert,
sondern oft noch schöner als unser Original“. Nachdem Moira Orfei am
15. November vergangenen Jahres verstorben ist, konnte sie das
Engagement ihres Sohnes in Heilbronn leider nicht mehr erleben. Laut
ihrem Sohn war sie überaus weltoffen und tolerant. Und dies nicht
nur in der Show, sondern auch im täglichen Leben. „Für meine Mutter
waren alle Menschen gleich, sie war einfach für alle Moira. Und sie
war ein Sonnenschein, immer fröhlich und freundlich.“ Jetzt fehle
dieser Sonnenschein, ein Schatten habe sich über den ganzen Circus
Moira Orfei gelegt: „Wir sind alle sehr traurig, ihr Humor fehlt
uns“, sagt Stefano Orfei-Nones und kämpft mit den Tränen. Dem Wunsch
der Verstorbenen entsprechend, wird ihre Asche in ihrem Wohnwagen im
Circus mitgeführt. „Wir haben ihr versprochen, dass sie immer mit
dem Circus reisen darf – lebendig oder tot.“ Auf diese Weise sei sie, die Königin des italienischen
Circus, stets bei ihrem Unternehmen. Noch am Vortag ihres Todes sei
sie wie gewohnt in der Manege aufgetreten und dann in ihrem
Wohnwagen gestorben. „So aus dem Leben zu gehen, war
das Beste was ihr passieren konnte. Mein Vater hatte davon
gesprochen, dass er sich mit meiner Mutter in ihre feste Wohnung
zurückziehen wollte. Doch meine Mutter war im Wohnwagen geboren
worden und wollte auch im Wohnwagen sterben.“ Und selbstverständlich
werde die Familie Orfei-Nones das Lebenswerk von Moira Orfei, den
nach ihr benannten Circus, auch in Zukunft fortführen. Dafür
wünschen wir – mit bestem Dank für das interessante Interview – von
Herzen alles Gute. |