Chapiteau.de: Herr Schütte, die Sondertournee
„Circus Roncalli – Salto Vitale“, die Sie mit Ihrer Firma Grandezza
Entertainment veranstaltet haben, ist im Juni zu Ende gegangen.
Warum spielen Sie nicht weiter?
Thomas Schütte: „Salto Vitale“ war nur auf
zwei Jahre angelegt, eine Verlängerung war nie geplant. Wir haben im
Grunde alle deutschen Städte bespielt, die dafür in Frage kamen. Die
Kriterien waren, dass der Circus Roncalli noch nicht dort gastiert
hat und die Stadt eine Größe von etwa 100.000 Einwohnern hat. Solche
Städte zu finden, ist nun fast nicht mehr möglich. Wir wollten auch
nicht mit einem neuen Programm wieder in die gleichen Städte fahren.
In den ganz großen Städten funktioniert der Slogan „Mit neuem
Programm“ immer gut. Aber nicht in den kleineren. Das ist eine
andere Mentalität, und die Menschen dort sagen, das haben wir schon
gesehen, da gehen wir nicht wieder hin. Ich spreche immer vom „Fluch
der kleinen Städte“. Schon in den 1980er Jahren haben wir umfassende
Tourneen gemacht, ein Varietéprogramm wie „Salut für Olga“ in
Kooperation mit André Heller haben wir in 186 deutschen Städten
gespielt. Aber schon damals zeigte sich, dass
Wiederholungsgastspiele schwierig sind.

Zwei Jahre lang war
Grandezza mit "Circus Roncalli - Salto Vitale" auf Tournee
Chapiteau.de: War „Salto Vitale“ ein Erfolg?
Thomas Schütte: Es ist kein Geheimnis, dass
dieses Projekt nicht immer einfach war. Wir mussten viel mehr
erklären, was Roncalli ist, als wir gedacht hatten. Aber es gab auch
durchaus gute Gastspiele, beispielsweise in Saarbrücken, Mannheim,
Fulda und Paderborn. Man bemerkte auch regionale Unterschiede. In
Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, wo Roncalli schon häufig in
der Nähe war, war es einfacher als tief in Bayern. Außerdem hat der
Circus in Deutschland es aktuell insgesamt sehr schwer und ein
unglaublich schlechtes Image.
Chapiteau.de: Woran liegt das?
Thomas Schütte: Das liegt zu einem großen Teil
an der Propaganda bestimmter Organisationen, dass im Circus Tiere
gequält würden. Das steckt in den Köpfen der Menschen, und es spielt
für einen Circus dann auch keine Rolle mehr, ob er Tiere mitführt
und um welche Arten es sich handelt. Die Menschen hören Circus und
schalten ab. Zum anderen haben leider auch viele schlechte Circusse
vieles kaputt gemacht. Die Krise des Circus ist darüber hinaus ein
weltweites Phänomen. Auch Skandinavien ist keine Insel der
Glückseligen mehr. Und wer hätte vor wenigen Jahren gedacht, dass
der Big Apple Circus einmal ins Straucheln kommen könnte? Man merkt
auch, dass viele Veranstalter versuchen, in dieser Situation die
richtige Antwort zu finden – durch neue Konzepte wie beispielsweise
die Horror-Circusse.

Im April 2016 brachte Grandezza Entertainment mit "Salto Vitale"
Roncalli-Flair nach Heilbronn
Chapiteau.de: Dennoch geben Sie nicht auf. Was
sind die nächsten Pläne der Grandezza Entertainment für weitere
Circusproduktionen?
Thomas Schütte: Wir werden im kommenden Winter
in drei bis vier deutschen Städten einen Weihnachtscircus
veranstalten. Die Standorte werden wir Anfang September jeweils in
großen Pressekonferenzen vor Ort bekanntgeben.
Chapiteau.de: Werden diese
Weihnachtsproduktionen unter der Marke „Roncalli“ stattfinden?
Thomas Schütte: Nein, sie werden als
Weihnachtscircus in Verbindung mit dem jeweiligen Städtenamen
laufen.
Chapiteau.de: Werden das einmalige Gastspiele
sein, oder sind diese Projekte jeweils auf Dauer angelegt?
Thomas
Schütte: Wir werden versuchen, das an den jeweiligen Standorten zur
Tradition zu machen. Die bestehenden erfolgreichen
Weihnachtscircusse faszinieren die Menschen Jahr für Jahr. Ich finde
das sehr spannend, denn das Thema Weihnachtscircus gibt es ja noch
gar nicht so lange. Insbesondere in Deutschland gibt es, anders als
beispielsweise in Frankreich und der Schweiz, keine lange Tradition,
dass der gleiche Circus jedes Jahr wieder kommt. In Deutschland
lagen immer zwei, drei oder vier Jahre zwischen zwei Gastspielen.
Das ist eine ganz interessante Entwicklung, dass auch die Menschen
in Deutschland sagen, wenn das Programm jedes Jahr neu ist, gehe ich
immer in den gleichen Circus.
Chapiteau.de: Wird es in Ihren
Weihnachtscircussen im kommenden Winter Tiere zu sehen geben?
Thomas Schütte: Ja, aber keine Wildtiere. Ich
habe hier eine differenzierte Sicht. Ich bin kein Gegner von
Wildtierdessuren, sondern ich sehe das selbst gerne. Aber es muss
auch die entsprechende Qualität bei Haltung und Vorführung gegeben
sein. Die Auswahl an wirklich guten Nummern ist hier nicht mehr so
groß. Ich schließe also für die Zukunft nichts aus, aber für den
kommenden Winter haben wir keine Nummern mit Wildtieren
verpflichtet.

Bei der Deutschland-Premiere von "The Hole" war Thomas Schütte in
beratender Funktion tätig
Chapiteau.de: Es heißt, Sie waren auch an der
erfolgreichen Deutschlandpremiere des Erotik-Circus „The Hole“
beteiligt. Ist das richtig?
Thomas Schütte: Veranstalter war hier Fred
Handwerker. Sein Unternehmen gehört wie die Grandezza Entertainment
ebenfalls zur DEAG, der Deutschen Entertainment AG. Deshalb war ich
hier in beratender Funktion tätig.
Chapiteau.de: War „The Hole“ ein Erfolg, und
wird es weitere Gastspiele in Deutschland geben?
Thomas Schütte: Es war ein interessantes
Projekt, das erst einmal neu eingeführt werden musste. Dafür braucht
man eine gewisse Anlaufzeit. Aber die Besucher waren angetan bis
begeistert, zum Teil hat die Show natürlich auch polarisiert. Wir
sprechen aktuell über eine Fortsetzung im Jahr 2017. Möglich wäre
ein Gastspiel in einer anderen Stadt. Es spricht aber auch einiges
dafür, die Nachfolgeproduktion „The Hole II“ wieder in Köln zu
zeigen. Da würde man nicht wieder neu anfangen, sondern könnte auf
etwas aufbauen.
Chapiteau.de: Ebenfalls wird darüber
gesprochen, dass Sie den „Circo Aquatico“ der spanischen Familie
Zoppis in diesem Jahr nach Deutschland holen wollen. Stimmt das?
Thomas Schütte: Ja, wir planen ab Herbst
Gastspiele in fünf Städten in der Mitte und im Norden Deutschlands
in einer Partnerschaft mit der Familie Zoppis. Man muss ja sagen,
das Ambiente in diesem Circus ist traumschön, das Material ist First
Class. Das Chapiteau verfügt über 1100 Plätze, komplett mit blauen
Schalensitzen, also wirklich „à la bonheur“. Es gibt in diesem
Wassercircus ein tolles Bühnenbild und wunderschöne Fontänenspiele.
Das ist eine gute, qualitätvolle Produktion zu familienfreundlichen
Preisen. Die teuerste Karte soll 35 Euro kosten.

Circo Aquatico: "eine gute, qualitätvolle Produktion
zu familienfreundlichen Preisen"
Chapiteau.de: Aber das Programm wird komplett
von der Familie Zoppis selbst bestritten?
Thomas
Schütte: Nein, es wird, wie bei allen Gastspielen des Circo Aquatico
in größeren Städten, auch engagierte Artisten geben.
Chapiteau.de: Weshalb vertrauen Sie auf das
Thema „Wassercircus“?
Thomas
Schütte: Der Circus unter bzw. mit Wasser ist ein Konzept, das die
Menschen seit mehr als 100 Jahren immer wieder fasziniert hat. Die
Menschen fühlen sich davon angesprochen, es löst etwas in ihnen aus.
Genau danach suchen wir ja immer bei unseren Showkonzepten: Die
Menschen sollen sagen, das klingt toll, da wollen wir hin. Außerdem
gab es lange keinen Wasser-Circus mehr in Deutschland.

Grandezza
Entertainment und Roncalli bringen im kommenden Winter "Panem et
Circenses" nach Köln
Chapiteau.de: Sind auch weitere Kooperationen
mit Roncalli vorstellbar?
Thomas Schütte: Die Grandezza bleibt dem Haus
Roncalli weiterhin eng verbunden. Beispielsweise veranstalten
Roncalli und Grandezza im kommenden Winter, vom 9. November 2016 bis
8. Januar 2017, die Dinnershow „Panem et Circenses“ im Spiegelzelt
nahe der Kölner Messe. Nachdem der Circus Roncalli in diesem Jahr
schon auf dem Kölner Neumarkt gastiert hat, wird dies ein würdiger
Abschluss des Jubiläumsjahres im Rahmen des 40-jährigen Bestehens
sein. Außerdem gastierte „Panem et Circenses“ vor genau 25 Jahren
schon einmal in Köln – wir feiern also noch ein Jubiläum. |