CHPITEAU.DE

Zur klassischen Reiterei zurückkehren
Eindrücke aus der 8. Fachtagung von Anja Beran und Jana Lacey-Krone im Krone-Bau
www.anjaberan.de

München, 19. November 2017: Was für ein Tag! Interessante Themen, gute Stimmung im Publikum und etwas andere „Pferde“ – das alles gab es bei der 8. Fachtagung der Anja-Beran-Stiftung im Circus-Krone-Bau mit knapp 2000 Besuchern. Zu Beginn ertönte klassische Walzermusik, der Vorhang öffnete sich, und das erste Pferd kam in die Manege. Nach und nach, schließlich auch die Meisterin persönlich hoch zu Ross, wurde nun das Team rund um Anja Beran vorgestellt. Mitgebracht hatte sie stattliche Lusitanos und zierliche Araber. Ebenfalls bekannt gemacht wurden die beiden zusätzlichen Referentinnen.

Diese waren Elisabeth Albescu, Fachtierärztin für Chiropraktik, und Kathrin Roida, die mit ihrer PRE-Stute erste Einblicke in ihren Vortrag zur Handarbeit gab (PRE = Pura Raza Española, Pure Spanische Rasse). Zu guter Letzt erschien die Direktorin des Circus Krone und zweite Gastgeberin an diesem Tag: Jana Lacey-Krone brachte gleich zu Beginn das Publikum durch ihren vorwärts steigenden Falben-Hengst Faisal zum Staunen. Nun kamen beide Gastgeberinnen nochmals in die Manege, um ihr Publikum persönlich zu begrüßen.


Großes Interesse an der Fachtagung im Kronebau

Dann startete Anja Beran gleich mit dem ersten theoretischen Vortrag, für den sie sich Elisabeth Albescu zur Seite holte. Unter dem Motto „Individuelle Ansätze in der Pferdeausbildung“ wurden den Zuschauern nun auf einer Leinwand über dem Artisteneingang junge, spielende Hengste auf einer Moskauer Koppel vorgestellt. Anhand dieses Filmes stellte Anja Beran dar, dass alle Bewegungen, die das Pferd später unter dem Reiter zeigen wird, seiner Natur entsprechen. Ebenso zeigte sie, warum wir dem Pferd in seinen ersten Lebensjahren genügend Zeit auf der Weide geben sollten. Im Folgenden sollte es nämlich um Fehler gehen, die in der Anreitphase eines Pferdes entstehen können. Besonders in den ersten vier Jahren durchläuft das Pferd verschiedene Entwicklungsstufen: die Zähne verändern sich, es wächst, die Hormone prägen sich aus und natürlich entwickelt sich auch die Psyche. Die Umstellung vom Weidepferd zum Reitpferd kann so zu einer Belastungsprobe für Pferd und Reiter werden. Das Tier muss sich an seine neue Situation anpassen. Es wird nun häufig bewegt, steht in einer Box und muss neue Dinge kennenlernen, zum Beispiel Hufeisen zu tragen. Der Reiter hingegen muss versuchen, die Gesundheit und die Psyche des Pferdes nicht negativ zu beeinflussen. Laut Anja Beran sollte für Reiter in dieser Zeit des Anreitens „das A und O sein, dem jungen Pferd positive Erfahrungen zu schaffen und Fehler zu vermeiden“. Zu oft wird das Leben eines Pferdes ihrer Meinung nach durch zu frühes und vor allem falsches Anreiten verbaut. So stellte die Ausbilderin am Ende des Vortrages klar: „Manche Leute können anreiten, andere nicht. Die, die es nicht können, sollen es doch bitte denen überlassen, die es können.“


Vera Munderloh

Kritik äußerte sie auch am großen Reitsport. Körungen (Auswahl von für die Zucht geeigneten Tieren), Turnierprüfungen und etliche andere Veranstaltungen dieser Art lösen demnach bei jungen Pferden Leistungsdruck aus. „Wir dürfen das Produkt nicht an den Markt anpassen!“, forderte Anja Beran und setzte sich so wieder für ihre Art der Pferdeausbildung ein, die frei von jeglichem Leistungsdruck und negativen Erfahrungen ist. In der Praxis wurde dieses Thema anhand des jungen Araberhengstes Safi verdeutlicht, der gerade selbst in der Grundausbildung steht. Nach anfänglichem Staunen bewies er sofort Nervenstärke und trug seine Reiterin sicher durch die Manege. Safi präsentierte dem Publikum, was er bereits an Seitengängen gelernt hat. Dann zeigte er noch seine „Zirkusqualitäten“ und Vertrauen zu seiner Reiterin, indem er sich quer in die Manege legte. Während seines Auftrittes erwähnte Anja Beran immer wieder, dass Araber wie Safi eher Spätentwickler sind. Das sei aber völlig in Ordnung. Er bekomme bei ihr so viel Zeit, wie er braucht, denn das Pferd weise den Weg in der Ausbildung. Als nächstes vereinten sich drei wunderschöne Pferde, geführt „vom Boden aus“, zu einem traumhaften Schaubild. Als krönender Abschluss dieser Showeinlage präsentierte sich ein Shetland-Pony an der Hand von Kathrin Roida. Diese vertrat bei der Fachtagung das Feld „Arbeit an der Hand“. Sie zeigte dem interessierten Publikum, wie Pferde durch Handarbeit gymnastiziert werden, also geschmeidig und mobil gemacht werden können. Danach gab Vera Munderloh noch einen kleinen Einblick in die Arbeit am langen Zügel. Dies stellt den Gegensatz zur Arbeit von Kathrin Roida dar, da hier nicht am, sondern versetzt hinter dem Pferd gegangen wird. So wird das vom Sattel erlernte nun vom Boden aus geprüft. Nach all diesen interessanten Informationen ging es in die einstündige Mittagspause. Während dieser konnten im Rundgang des Circus Krone Reitutensilien, aber auch Pferdebilder und Publikationen erworben werden.


Jana Lacey-Krone: Demonstration mit echten und menschlichen "Freiheitspferden"

Ein fester Bestandteil jeder Fachtagung ist die Freiheitsdressur mit Jana Lacey-Krone. Nachdem sie im letzten Jahr insbesondere größere Pferdegruppen zeigte, standen diesmal die kleinen, aber feinen Momente der Freiheitsarbeit im Mittelpunkt. Den Anfang machte Araberhengst Samir, der sich erst einmal in der Manege austoben durfte. „Das können sie als Abwechslung zum Reit-Alltag zu Hause nachmachen“, schlug die Krone-Direktorin vor und zeigte dann, wie man den vierbeinigen Partnern erste Übungen beibringt. Die Pirouette beispielsweise erlernt das Pferd, indem es sich aus einer einmal um den Hals gelegten Longe herausdreht. Anschließend demonstrierte Samir noch das Steigen, das auf keinen Fall aus Aggressivität entstehen dürfe. Auch wenn etwas mal nicht so klappte, wie geplant – Jana Lacey-Krone reagierte humorvoll und hatte damit das Publikum schnell auf ihrer Seite. Drei Lusitano-Falben betraten nun die Manege und führten schwierige Übungen wie das Flechten vor. Rückwärtslaufend verabschiedeten sie sich aus der Manege. „So, und jetzt brauche ich drei ‚Pferde‘ aus dem Publikum“, verkündete Jana Lacey-Krone. Mit drei Zuschauern, die Autoren dieses Berichts inklusive, zeigte sie sehr lustig, aber auch lehrreich, wie die verschiedenen Tricks trainiert werden. Aus eigener Erfahrung können wir nun sagen, dass der Ablauf des Flechtens nicht wirklich einfach zu verstehen ist. Respekt vor jedem Pferdehirn, das sich das einprägen kann! Abschließend ließ die neue Hausherrin Cremello-Hengst Kirkis kräftig nach vorne steigen.


Anja Beran

Der zweite theoretische Vortrag widmete sich der natürlichen Schiefe. Elisabeth Albescu verdeutlichte in einer Übung mit dem Publikum, dass der menschliche Körper asymmetrisch ist: Bei den meisten Menschen ist beispielsweise der eine Arm etwas kürzer als der andere. Genauso verhält es sich mit dem Pferd. Der Hals mancher Pferde ist etwas nach rechts gebogen, der anderer wiederum nach links. „In der Natur hat das keine Relevanz“, erklärte die Chiropraktikerin. Beim Reiten sei es jedoch ganz entscheidend, das Pferd nicht ständig in der Schiefe gehen zu lassen, um es langfristig gesund zu halten. Dazu stellte Anja Beran Gustav Steinbrechts Ausspruch „Reite dein Pferd vorwärts und richte es gerade“ aus dessen Standardwerk „Das Gymnasium des Pferdes“ (1884) in den Raum. Auf welcher Seite die Schiefe liege, erkenne man mit einem geübten Auge vor allem im Stehen und im Schritt geradeaus. Man identifiziert eine „hohle“ Seite, auf der das Pferd etwas kürzer ist und die Beine weniger belastet. Die Aufgabe des Reiters liegt dann darin, das Pferd geradezurichten. Dazu muss man selbst erst einmal gerade sein. Anja Beran empfiehlt, sich deshalb von einem Arzt untersuchen zu lassen und gegebenenfalls eine Physiotherapie zu absolvieren, um die eigene Schiefe auszugleichen. Dann setzt man sich auf das Pferd. Auch wenn es zuerst widersprüchlich klingt, Geraderichten funktioniert am besten durch Seitengänge. Wie das in der Praxis funktioniert, zeigte die Meisterin der klassischen Reitkunst auf Lusitano-Wallach Bue.


Silvia Wimmer, Anja Beran und Jana Lacey-Krone

Ein weiteres Beispiel für die notwendige Individualität der schonenden Ausbildung folgte anschließend mit dem Lippizanerhengst „Maestoso Stornella“ unter Vera Munderloh. Er wuchs in einer Gruppe auf und hat deshalb Angst, alleine zu sein. In Folge dessen verspannt er sich während des Trainings. Auch hier empfiehlt Beran Seitengänge, um die Muskeln zu lockern. Ein wahrer Musterschüler ist Ofendido, der unter Jana Lacey-Krone verschiedenste Lektionen der Hohen Schule in Perfektion zeigte. Bemerkenswert war die Harmonie von Reiterin und Pferd, obwohl die Krone-Direktorin am Vortag erstmals auf seinem Rücken saß. Sie empfand es „als Ehre, auf solchen tollen Pferden zu reiten“. Für Anja Beran ist es immer wieder schön zu sehen, „mit was für einer Freude Ofendido bei der Arbeit dabei ist“. Dies gelinge jedoch nur, wenn man in einem jahrelangen Prozess die Persönlichkeit des Tieres fördere und seine Eigenheiten beachte. Den Abschluss machte Silvia Wimmer, Elevin auf Anja Berans Gut Rosenhof, mit einer Vorführung von verschiedenen „Working Equitation“-Elementen. Dabei werden traditionelle Arbeitsreitweisen neu aufgegriffen, beispielsweise der Lauf über eine Holzbrücke oder das Öffnen und Schließen eines Tores vom Pferd aus. Im anschließenden Finale belohnte das Publikum die Mitwirkenden dieser lehrreichen Veranstaltung mit großem Applaus. 

Anschließend beantworten uns Jana Lacey-Krone und Anja Beran noch einige Fragen.

Chapiteau.de: Frau Lacey-Krone, Frau Beran, sind Sie zufrieden mit dem Verlauf der diesjährigen Fachtagung?

Lacey-Krone: Wir sind wirklich zufrieden. Es werden von Jahr zu Jahr mehr Zuschauer. Unser Ziel ist es ja, trockene Theorie ansprechend rüberzubringen, die Komplexität des Pferdes deutlich zu machen. Es macht wirklich Spaß, dafür den Krone-Bau für eine ganz andere Interessensgruppe als sonst zu öffnen. Bis zur zehnten Fachtagung wollen wir auf jeden Fall weiter machen.

Chapiteau.de: Frau Lacey-Krone, manche Menschen kritisieren im Internet den Veranstaltungsort „Circus“ und werfen ihnen Tierquälerei vor. Wie entgegnen sie dem?

Lacey-Krone: Das ist ein ewiger Kampf. Die klassische Ausbildung von Pferden kommt aus dem Circus. Wir wollen zeigen, dass diese Institution gut ist und schon seit vielen, vielen Jahren auf eine schonende Ausbildung zum Wohl der Pferde setzt.

Chapiteau.de: Frau Beran, Sie kritisieren den heutigen Pferdesport oft. Was missfällt ihnen daran?

Beran: Die zu frühe und zu schnelle Ausbildung vieler Pferde schadet diesen nur. Grundsätzlich gilt: Die Zeit, die man vorne braucht, hängt sich hinten wieder dran. Die Lösung ist eine Rückkehr zu den Grundsätzen der klassischen Reiterei.

Chapiteau.de: Neulich sind sie in der Pferdeshow „Equus“ von Elmar Kretz aufgetreten, im Circus Krone machen sie ihre Fachtagung. Woher stammt diese Verbindung zum Circus?

Beran: Jana Lacey-Krone und ich sind seit 30 Jahren befreundet, früher habe ich auch auf Gut Wessling gearbeitet und bilde immer noch die Schulpferde des Circus Krone aus. Dadurch ergab sich hier im Krone-Bau diese einmalige Verbindung von Circus und reiterlicher Theorie. Elmar Kretz habe ich kennen gelernt, als er bei einer der monatlich stattfindenden Morgenarbeiten auf Gut Rosenhof dabei war. So kam es zu diesem Engagement.

Mit ihrer alljährlichen Fachtagung bringen Jana Lacey-Krone und Anja Beran einen breitem Fachpublikum näher, was allen Reitern wichtig sein sollte: Respekt vor dem Partner Pferd. Das Resultat dieser Arbeit lässt sich täglich im Circus Krone bei der Hohen Schule beobachten. Seit Kurzem hat der junge Lippizaner-Hengst Favory Toscana seine Ausbildung auf Berans Gut Rosenhof abgeschlossen und brillierte schon in einigen Vorstellungen. Doch es ist wichtig, dass diese Herangehensweise sich weiter ausbreitet und der Kommerzialisierung des Pferdesports entgegentritt. Hierzu trägt die Fachtagung deutlich bei. Man kann den Veranstaltern für diese wichtige Arbeit nur danken und sie bestärken, diesen Weg weiter zu gehen.

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Text: Jonas Haaß und Nino Deinlein; Fotos: Thomas Kroker