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Durovs Tiertheater Moskau 2019
www.ugolokdurova.ru ; 60 Showfotos

Moskau, 26. April 2019: Was genau ist eigentlich ein Tiertheater? Einfache Antwort: Ein Theater mit Tieren. Es wird ein Stück aufgeführt, in dem Tiere mitspielen. Die eigentliche Handlung übernehmen menschliche Schauspieler. Aber die Tiere sind darin eingebunden, zeigen ihre Kunststücke. So jedenfalls ist es bei Durovs Tiertheater, einer echten Moskauer Institution. Gegründet wurde sie 1912 von Vladimir Durov. Noch heute betreiben seine Nachfahren das Unternehmen. Sogar die Straße, die am Bau vorbeiführt, ist nach Durov benannt. Es ist keine kleine Nebenstraße, sondern ein stattlicher Boulevard in durchaus zentraler Lage.

Bei unserem Besuch befindet sich rund um das Theatergebäude eine Baustelle. Die Durovs expandieren. Eine neue Spielstätte wird errichtet. Diese soll dann eine richtige Rundmanege beherbergen. Aktuell wird in einem klassischen Theaterbau gespielt. Die Bühne befindet sich frontal vor dem in einem Bogen angeordneten Auditorium. Sie ist vorne abgerundet.


Blick in den Zuschauerraum 

Angegliedert ist ein Museum, das herrlich verstaubt wirkt. Hier finden sich ausgestopfte Tiere, Plakate und Requisiten aus der Geschichte des Hauses. Wie etwa der Modellzug, in dem Vladimir Durov die verschiedensten Tierarten mitfahren ließ. Besonders beeindrucken uns Exponate und Geschichte zu einem Schimpansen, der bei der Familie Durov lebte. Wie uns bei einer kurzen Führung erläutert wird, konnte das Tier selbständig den Telefonhörer abnehmen und den an der Stimme erkannten Anrufer mit Namen ansprechen. Wenn Frau Durov anrief, sagte er „Mama“, war ihr Mann am anderen Ende der Leitung, sagte der Affe „Papa“.


Aschenputtel mit König und Prinz 

Ganz so verblüffend sind die Tricks der Tiere nicht, die wir in der aktuellen Produktion erleben. Dafür werden wir mit einer Fülle unterschiedlicher Tierarten verwöhnt. Eingebettet sind die Vorführungen in das Märchen Aschenputtel. Eine große Anzahl an professionellen Schauspielern stellt die verschiedenen Figuren dar. Die Kostüme sind prächtig gestaltet und sehr traditionell gehalten. Ein wenig wie in den Märchenfilmen der DDR. Zudem gibt es für die einzelnen Szenen passende Bühnenbilder. Mal lockern die Tiernummern die Handlung auf, mal werden sie direkt in das Schauspiel einbezogen.


Waschbär 

So wie gleich zu Beginn. Da gesellt sich ein Esel zu Aschenputtel in die Küche und treibt allerlei Schabernack mit ihr. Er nimmt ihr etwa das Buch aus der Hand, welches sie gerade lesen will. Ungeheuer putzig ist der Waschbär, welcher aus einem Miniaturhaus kommt und in einem kleinen Zuber ein Stück Stoff wäscht. Eine Fee lässt zwei Katzen über einen Balken balancieren. Sodann springen unter ihrer Anleitung mehrere Füchse über Hindernisse oder beweisen an einer Rolle ihre Geschicklichkeit. In einer kleinen Freiheitsdressur dirigiert die Aschenputtel-Darstellerin zwei Ponys auf der Bühne.


Nilpferd

Es folgt eine große Szene mit vielen Mitwirkenden am Hof, in der Aschenputtel bei einem ausschweifenden Fest auf ihren Prinzen trifft. Zur Unterhaltung der Königsfamilie und ihrer Gäste wird eine Ziegendressur geboten. Vor der Pause werden wir in eine Fabelwelt entführt, in die Aschenputtel und ihr Prinz abtauchen. Im UV-Licht spaziert zunächst ein Hirsch umher. Er hat ein mit fluoreszierenden Farben bemaltes Geweih. Ein Stachelschwein läuft unter Begleitung eines Fabelwesens eine Runde auf der Bühnenumrandung. Tauben zeigen bekannte Tricks, wie das Laufen auf einer sich drehenden Diskokugel. Ein kleiner Affe beeindruckt, wenn er im Handstand eine Treppe hinaufläuft und Ringe auffängt, die ihm sein Trainer zuwirft. Sogar ein ausgewachsenes Nilpferd begegnet uns in diesem zauberhaften Reich. Beschlossen wird der Ausflug dorthin mit drei Pelikanen. Einer der beeindruckenden Vögel balanciert auf einer Kugel, ein anderer fliegt ein kurzes Stück.


Tigerdressur

Als sich der Vorhang für den zweiten Teil öffnet, blicken wir auf einen Raubtierkäfig mit zugehörigen Podesten. Ein Paar führt darin drei Tiger vor. Die Tatsache, dass in diesem Rahmen Raubtiere gezeigt werden, verblüfft deutlich mehr als die Vorführung an sich. Die Präsentation ist recht antiquiert, die Tricks sind durchaus sehenswert. Wenn die aus dem Märchen bekannte Suche nach der richtigen Besitzerin des verlorenen Schuhs weitergegangen ist, zeigt ein Seelöwe sein Können. Er balanciert verschiedene Bälle auf seiner Schnauze, am Ende sogar den Schuh. Noch nie gesehen habe ich, wie eine Robbe Seifenblasen macht. Das Mitglied von Durovs Tiertheater beherrscht dieses Kunststück. Nachdem noch einmal eine Ziege aufgetreten ist, machen wir Bekanntschaft mit einem Wolfshund. Dieser wird von der Aschenputtel-Darstellerin unter anderem zum Springen durch einen Reifen animiert.


Pudeldressur von Natalia Durova

Nachdem weitere Kandidatinnen nicht die zu dem gefundenen Schuh passenden Füße vorweisen können, bringt ein Jäger Aschenputtel mit aus dem Wald. Doch er hat nicht nur die blonde Protagonistin dabei, sondern auch einen Bären. Dieser kann einen Ball fangen und einen Reifen um seinen Hals kreisen lassen. Zum Kompliment beugt er sich besonders tief nach unten. Vier weiße Pudel hören auf die Kommandos von Natalia Durova. Sie ist die Tochter von Yuri Durov, dem aktuelle Direktor des Theaters. Ihn erleben wir direkt im Anschluss mit einem indischen Elefanten. Nachdem er verschiedene Tricks auf einem Podest gearbeitet hat, schießt er zur Freude der Kinder bunte Bälle ins Publikum. Dann wird Hochzeit gefeiert, will heißen in einem großen Finale verabschieden sich die Mitwirkenden der Show von ihren Zuschauern. Die besteht an diesem Freitagmittag aus Eltern mit Kindern sowie Großeltern mit Enkeln. Keine Frage, Durovs Tiertheater ist eine Institution mit Geschichte. Sie scheint ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein. Es ist einfach schön zu sehen, dass hier ein traditionelles Unterhaltungsangebot gepflegt wird. Für uns jedenfalls war der Besuch ein einzigartiges Erlebnis.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch