Davon haben wir in
den rund zwei Stunden davor, Pause inklusive, viele erlebt. Mit „Aloha
Baby“ haben die Verantwortlichen im Apollo-Varieté wieder ein
Meisterwerk abgeliefert. Stellvertretend sei hier Regisseur Adrian Paul
genannt. Ausnahmslos starke Darbietungen fügen sich in ein stimmiges
Gesamtkonzept. Die Mitwirkenden sind nicht nur in ihren eigentlichen
Nummern, sondern auch in vielen gemeinsamen Auftritten zu erleben. Musik
- diesmal ohne Liveband -, Licht und Kulissen sind traumhaft. Auch wenn
man selbst noch nie auf Hawaii war, genau so muss es dort sein. Man hat
tatsächlich das Gefühl, eine weite Reise gemacht zu haben und ein fernes
Ziel zu erleben.
 
Ankunft auf
Hawaii, Karim und Soffien Messoudi
Dabei werden uns
die Reisestrapazen abgenommen. Denn den Langstreckenflug nach Honolulu
treten Ensemblemitglieder an. Die Show beginnt mit dem Einstieg in den
Ferienflieger, der auf der Seitenbühne abhebt. Da treffen wir etwa auf
das frisch verheiratete, sich ständig fotografierende Paar auf dem Weg in
den Honeymoon (Artur und Esmira), den gestressten Businessman (Pavel
Voladas) und den angetrunkenen Pauschaltouristen (Steve Eleky). Nach der
Landung werden sie von den restlichen Artisten sowie den vier Damen des
Balletts in hawaiianischen Kostümen mit Blumengirlanden empfangen. Die
Strandkulisse mit Palmen, Surfbrettern und einer Beachbar bildet das
Setting für die weitere Show. Nachdem die Ankunft ausgiebig gefeiert
wurde, gehört die Bühne Karim und Soffien Messoudi. Während sie
permanent mit drei Keulen jonglieren, entledigen sie sich ihrer
farbenfrohen Outfits und werfen sie dem jeweils anderen Bruder zu.
Lediglich Unterhose und Socken bleiben an. Am Ende sind die Klamotten
durchgetauscht. Das ganze serviert mit sehr viel Charme und Witz. Und
dass sich die Traumkörper der Messoudis mehr als sehen lassen können,
ist allgemein bekannt. Überhaupt wird in „Aloha Baby“ viel Haut gezeigt.
Aber natürlich immer Familienpublikum-tauglich. Den Übergang zur
nächsten Darbietung gestalten die bildhübschen Tänzerinnen in
traumhaften Kostümen.
  
Zorè España,
Steve Eleky, Cristina Garcia
In Gestalt eines
Schmetterlings dreht Zorè España ihre Runden. Dazu bedient sich die
Spanierin eines Roue Cyr. In immer neuen Variationen rotiert sie über
die Bühne, dass einem schon vom Zusehen schwindelig wird. España aber
beherrscht ihre Kunst perfekt und ist immer Herrin ihrer Sinne. Sinn und
Unsinn liegen bei Steve Eleky extrem nah beieinander. Diesmal erleben
wir ihn nicht im Schottenrock, sondern im Touristenoutfit. Seine beiden
Auftritte sind natürlich die bestens bekannten. Im ersten jongliert der
gebürtige Kasseler mit ungarischen Wurzeln mit verschiedenen Requisiten.
Dazu gibt es urkomische Erläuterungen. Und die ausbaufähige Motivation
des Künstlers ist natürlich nur gespielt – wie immer sehr genial.
Traumhaft schön angelegt ist der Auftritt von Cristina Garcia. Wir
kennen sie als Kontorsionistin. Diese Disziplin verbindet sie nun mit
dem Trapez. Doch sie belässt es nicht dabei, ihren Körper einfach ein
paar Meter höher zu verbiegen. Sie arbeitet auch Tricks wie den Genick-
oder Fußhang. Eine ungemein sinnliche, starke Darbietung, die durch die
passende Begleitmusik (Maunaleo von Keali'i Reichel) zu einem
ganzheitlichen Genuss wird.

Michael Betrian
Als ob die
hawaiianische Sonne nicht schon für genug Hitze sorgt, lässt der
Auftritt von Michael Betrain die Temperaturen weiter ansteigen. „Saturday
Night Fever“ ist angesagt, wenn der jugendliche Niederländer seine
Diabolos durch die Luft wirbelt. Der Film mit John Travolta stand Pate
für diese Version seiner Performance. 2012 holte sich Betrian beim
European Youth Circus Gold in der jüngeren Altersklasse. Seitdem hat er
sich enorm weiterentwickelt. Hat verschiedene Choreographien für seine
an sich schon starken Diabolospiele entwickelt, war mit Hans Klok auf
Tournee, trat in vielen anderen großen Shows auf und hat seine eigenen
produziert. Ein toller Entertainer, der auch das Apollo-Publikum im Nu
für sich gewinnt. Das Ballett unterstützt ihn tänzerisch, wobei auch
Michael Betrian seine Moves perfekt beherrscht. Ein Auftritt voller
Energie, dem sich das Ensemble anschließt und so zur Pause überleitet.
In dieser kann man sich kulinarisch verwöhnen lassen, denn alle Plätze
befinden sich an Tischen, an denen auf die jeweilige Show angepasste
Speisen serviert werden. Die Karte bietet etwas für jeden Geschmack, die
Qualität stimmt und der Service ist äußerst zuvorkommend. Das Menü kann
auch gleich in Kombination mit den Showtickets gebucht werden. Die Gänge
kommen dann über den Nachmittag oder Abend verteilt. Und wenn der
Endvierziger gerne den Kinderteller haben will, bekommt er ihn mit einem
Lächeln serviert. Keine Selbstverständlichkeit in der hiesigen
Gastrolandschaft.
  
Pavel Voladas,
Steve Eleky, Zorè España
Während man sich
selbst gerade noch einen Cheesecake gegönnt hat, wird das schlechte
Gewissen ob dieser Sünde zu Beginn des zweiten Teils noch verstärkt.
Unter Anleitung von Artur Dudov üben sich einige männliche Artisten in
Sportübungen - bekleidet in Badehsorts. Dabei zeigen sie ihre
Oberkörper, die den Gegenpol zu entspanntem Dessertgenuss
repräsentieren. Die Damen hält es nicht lange in ihren Liegestühlen, sie
zieht es zu den Sportlern. Das nächste Objekt ihrer Begierde ist Pavel
Voladas. Er gibt den geschäftigen Businessman, dessen Smartphone fest
mit dem Ohr verwachsen ist. Die Girls schnappen sich kurzerhand sein
Mobiltelefon sowie seinen Koffer und schicken Voladas an das
Quadratreck. Es folgt eine äußerst kraftvolle und doch so elegante
Flugshow. Umschwünge und Sprünge von Stange zu Stange sehen bei ihm ganz
leicht aus. Sogar mit verbundenen Augen wagt Pavel Voladas seine Tricks.
Wenn sich ein weißer und ein schwarzer Stoffhase auf offener Bühne zum
Paarungsakt treffen, ist ganz sicher Steve Eleky involviert. Kurz
nachdem er die beiden Plüschnager aus einer tatsächlich leeren
Zauberkiste gezogen hat, sorgen sie auch schon für Nachwuchs. Das ist
nur das große Finale einer perfekt unperfekten Zaubershow. Comedy vom
Feinsten, die einen auch bei der x-ten Wiederholung zu brüllendem Lachen
bringt. Das Ballett in mit Südfrüchten verzierten Kostümen stimmt uns
auf den zweiten Auftritt von Zorè España ein. Wiederum sind Ringe ihr
Requisit. Der Durchmesser ist kleiner als beim Roue Cyr, dafür hat sie
mehrere Exemplare dabei. Natürlich geht es um Hula-Hoop-Reifen, die die
hübsche Artistin geschickt um ihren Körper rotieren lässt.
 
Artur und
Esmira, Messoudi Brothers
Direkt danach
erleben wir die nächste herrliche Ensembleszene. Die Frauen stehen den
Männern in traditioneller Aufmachung gegenüber und beeindrucken sich
gegenseitig mit ihren Tänzern. Aus diesem Gruppenbild lösen sich Artur
und Esmira. Die beiden konnten wir etwa im Winter 2019/20 im Pariser
Cirque d'Hiver erleben. Damals als Mitglieder eines Bingo-Ensembles.
Jetzt zeigt das Ehepaar eine traumhafte Kür an den Strapaten. Kraft und
Leidenschaft vereinen sich zu einem harmonischen Ganzen. Einige ihrer
Tricks sind neuartig und so dürfen wir Luftakrobatik an Bändern
genießen, die über das schon so oft Gesehene hinausgeht. Mit prächtigem
Kopfputz, Blumengirlanden und Baströckchen schmücken sich die
Tänzerinnen bei ihrem letzten eigenständigen Tanz. Dann lassen die
Messoudi Brothers Frauenherzen dahinschmelzen. Mit ihrer
Partnerakrobatik haben es Yassin, Karim und Soffien nicht zuletzt dank
einiger Fernsehauftritte zu größerer Popularität gebracht. Bestens
trainierte Oberkörper, smartes Auftreten und starke Akrobatik ergeben
ein faszinierendes Gesamtprodukt. Das Trio imponiert mit
außergewöhnlicher Partner-Equilibristik. Ein wirklicher Topact, der den
verdienten Schlusspunkt dieses hochkarätigen Programms bildet. Das
Finale bringt noch einmal in geballter Form das, was den gesamten
Nachmittag ausgemacht hat. Viel Energie, tolle Choreographien, geniale
Einfälle, wunderbare Kostüme und ein Ensemble, das mit großem Engagement
dabei ist, dem es ein wahre Freude ist, das Publikum zu unterhalten.
Dazu ein geniales Licht und eine stimmige Musikauswahl. Einfach
Wahnsinn! Die Gäste im Saal sind hörbar begeistert, viele hält es nicht
mehr auf den Sitzen. Doch es geht noch weiter. Die eingangs beschriebene
nächtliche Strandparty schließt sich an, macht die Faszination dieser
Produktion perfekt. |