Führte bei den
beiden anderen Produktionen Adrian Paul Regie, obliegt die Inszenierung
des Programms zum 25. Geburtstag Joseph Bouglione.
Geburtstagsfeier im Epilog
Der Bezug auf das
Jubiläum fällt eher zurückhaltend aus. Als Bühnenbild fungieren eine
große 25 sowie gerahmte Bilder von Künstlern aus der Geschichte des
Theaters. Robert Wicke weist in seiner Ansprache zu Beginn auf den
Geburtstag hin und in seinem ersten Auftritt als Beatboxer bringt er
dem Apollo gemeinsam mit dem Publikum ein Ständchen. Am schönsten
gelungen ist der Epilog. Nach dem Finale bauen die Mitwirkenden eine
große Tafel auf und stoßen auf das Vierteljahrhundert an. Eine riesige
Torte wird hereingebracht, es werden Gruppenfotos gemacht und die
Stimmung ist ausgelassen, sprich es wird gefeiert. Ansonsten wird ein
Nummernprogramm gespielt, in dem Artistinnen und Artisten vom Circus
Theater Bingo aus Kiew den Schwerpunkt bilden. Das zeigt sich gleich
beim Opening, das Bingo-Style gestaltet ist. Voller Dynamik wird in
kreativen Kostümen getanzt und es werden verschiedene artistische
Disziplinen gezeigt. Zu den Bingo-Akteueren kommen die vier
ausgesprochen hübschen Damen des Balletts. Natürlich erleben wir das
Quartett auch zwischen den einzelnen Auftritten in immer wieder neuen
Choreographien und Kostümen.
Dimtri & Vitaly,
Robert Wicke, Anton Shcherbyna
Den artistischen
Auftakt rocken Dimitri und Vitaly. In schwarzen Lederwesten arbeiten die
beiden Blondschöpfe ihre Partnerakrobatik. Vornehmlich im Einarmer hält
sich der Obermann auf Kopf oder Hand des Mitstreiters variantenreich im
Gleichgewicht. Auch Flugpassagen hat das Duo im Repertoire. Auf diese
kraftvolle Darbietung zu Rockmusik folgt Robert Wicke. Den Frack vom
Opening hat er jetzt gegen Ringelshirt, lässige Hose und eine Kappe
eingetauscht. Ein „Mischpult“ über die Schulter gehängt, macht er irre
Sounds mit seiner Stimme. Zudem beweist er, dass man auch mit einer
Colaflasche und einem Kartoffelchip tolle Beats produzieren kann. Dabei
bezieht Robert Wicke das Publikum ein, welches engagiert mitgeht. In
seiner ersten von zwei eigenständigen Nummern lässt Anton Shcherbyna
Diabolos durch die Luft fliegen. Voller Energie schickt er seine
Requisiten auf immer wieder neue faszinierende Bahnen. Bis zu zwei davon
jongliert er gleichzeitig.
Anna Pees,
Daniel Rose, Vioris Zoppis
Ruhe kehrt ein,
wenn Anna Pees nach einer Einleitung durch das Ballett ihren Körper
verbiegt. Die Kontorsionistin versteht sich bestens darauf, extreme
Verrenkungen ästhetisch aussehen zu lassen. Dies immer mit einem
ungemein sympathischen Lächeln. Nachdem er sich kurz zuvor bereits mit
seinem Gitarrenspiel eigener Stücke im „Two Hand Fingerstyle“ auf der
Seitenbühne vorgestellt hat, verzaubert uns Daniel Rose nun auf dem
großen Podium. Eine Zuschauerin darf an seinem Tisch Platz nehmen und die
Manipulationen mit Spielkarten sowie Münzen aus nächster Nähe
beobachten. Das restliche Publikum wird auf einem Videoschirm Zeuge von
Dingen, die schlichtweg nicht sein können. Selbst wenn man schon Vieles
auf diesem Gebiet gesehen hat, traut man seinen Augen nicht. Karten und
Münzen wechseln in unfassbarer Weise ihren Platz. Dazu plaudert der
Entertainer Daniel Rose sehr charmant. Nach einem Auftritt des Balletts
dann gleich der nächste Höhepunkt. Vioris Zoppis verbindet Handstand-
mit Strapaten-Akrobatik. Besondere Effekte ergeben sich durch den
Einsatz von Wasser, das auf einer runden Fläche am Boden bereitsteht.
Der 21-jährige Spross einer italienischen Circusfamilie zeigt
atemberaubende Tricks. Das tut er mit einer schier unglaublichen Kraft
und Energie. Diese Intensität transportiert Vioris Zoppis bis in den
letzten Winkel des Theaters. Eine Arbeit, die einen vollends gefangen
nimmt und zudem mit erstklassigen Kunststücken brilliert. Darauf kann
nur die Pause folgen. Angekündigt wird diese von den vier Damen des
Balletts, die die Lettern des Wortes „Pause“ auf Sternen präsentieren. Da
es sich aber um fünf Buchstaben handelt, springt kurzerhand Robert Wicke
ein.
Anton
Shcherbyna, Apollo Ballett, Maryna & Tatyana
In exquisiten
roten Kostümen nehmen uns die Tänzerinnen nach der Unterbrechung wieder
in Empfang. Sogleich begleiten sie Anton Shcherbyna ins
Scheinwerferlicht. In seinem zweiten Aufritt erleben wir ihn als „Tiger“
auf der Rola Rola. Das suggeriert zumindest sein Outfit. Er springt auf
dem auf einer Walze liegenden Brett Seil und zeigt einen Handstand. Zum
Schluss hält er sich auf einem Turm aus vier Walzen im Gleichgewicht.
Ein Plüschbär ist der „Bühnenpartner“ von Robert Wicke. Diesen lässt er
kurzerhand mit Hilfe eines Zaubertuchs „verschwinden“. Mit einer
Jonglage von Keulen, die ihm teilweise von Zuschauern zugeworfen werden,
teasert er seinen letzten Auftritt an. Doch zuvor erleben wir Maryna und
Tatyana an den Luftschlaufen. Zum Bingo-Ohrwurm „Circus“ zelebrieren die
beiden Schönheiten ihre intensive und durchaus riskante Luftakrobatik.
Sie findet ihren Höhepunkt im Nackenwirbel, der von der Partnerin
gehalten wird, welche kopfüber an den weißen Bändern hängt. Die letzte
seiner Keulen bekommt Robert Wicke von einer jungen Dame auf der Bühne
gereicht. So kann er letztendlich mit fünf der grünen Requisiten auf
einer Kiste stehend jonglieren. Sodann werden die Keulen zum
Blumenstrauß, mit dem Wicke seinen Gast zum näheren Kennenlernen auf
eine Bank bittet. Und dort kommt man sich immerhin ein wenig näher. In
dieser Dosis über den Abend verteilter Auftritte gefällt mir Robert
Wicke äußerst gut. Deutlich besser jedenfalls als bei den
vergleichsweise langen Blöcken in den Roncalli-Produktionen 2016 bis
2019.
Nirio Rodriguez
Tejeda, Daniel Rose
Vor den letzten
beiden Darbietungen lässt das Ballett noch einmal die Beine fliegen.
Mit einer achtbeinigen Girlsreihe sorgen die Tänzerinnen erneut für
schwungvollen Glamour. Nirio Rodriguez Tejeda lautet der klangvolle Name
des folgenden Künstlers. Der Absolvent der Nationalen Zirkusschule in
Kuba hat nicht nur einen beneidenswerten Körper, sondern versteht es
auch, seine Muskeln äußerst geschickt einzusetzen. Er arbeitet sehr
sicher die bekannten Tricks der Handstandakrobatik. Hinzu kommt das
Drehen im freihändigen Kopfstand um die eigene Achse. Sehr effektvoll
ist der Einarmer auf einer extrem hohen Stange. Noch einmal gehört die
Bühne Daniel Rose. Noch einmal versetzt er uns in ungläubiges Staunen.
Er jongliert mit leuchtenden Kugeln, die er in unterschiedlichen Höhen
vor sich wirft und die immer wieder zu ihm zurückkehren. Unsichtbare
Schnüre? Magneten? Oder vielleicht doch pure Magie? Das Rätsel bleibt
ungelöst. Die Performance ist schlichtweg faszinierend. Zum Finale
erfreut uns das Ballett in freizügigen Kostümen mit prächtigen Federn,
Robert Wicke hat sich nochmal in den Frack geworfen und alle Artisten
setzen ihr strahlendstes Lächeln auf. Nach den Abschiedsworten und dem
ersten Vorhang folgt die rauschende Party im Epilog. |