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Apollo-Varieté 2022 - "Jubiläumsshow"
www.apollo-variete.com - 140 Showfotos

Düsseldorf, 14. August 2022: Seit 25 Jahren befindet sich unter einer Düsseldorfer Rheinbrücke eines der schönsten Varieté-Theater Deutschlands, das Apollo-Varieté. Das Schmuckkästchen gehört zur Roncalli-Familie und bietet ergänzend zu den Shows eine umfangreiche Gastronomie, die man gemeinsam mit den Vorstellungen oder separat genießen kann. Die wechselnden Varieté-Produktionen sind immer neu besetzt und zumeist aufwendig in Szene gesetzt. Das trifft zumindest auf die beiden bislang von mir besuchten Shows „British Invasion“ und „Aloha Baby“ zu. Entsprechend hoch waren meine Erwartungen an „Die große Jubiläumsshow“, die am 4. August Premiere feierte.

Führte bei den beiden anderen Produktionen Adrian Paul Regie, obliegt die Inszenierung des Programms zum 25. Geburtstag Joseph Bouglione.


Geburtstagsfeier im Epilog 

Der Bezug auf das Jubiläum fällt eher zurückhaltend aus. Als Bühnenbild fungieren eine große 25 sowie gerahmte Bilder von Künstlern aus der Geschichte des Theaters. Robert Wicke weist in seiner Ansprache zu Beginn auf den Geburtstag hin und in seinem ersten Auftritt als Beatboxer bringt er dem Apollo gemeinsam mit dem Publikum ein Ständchen. Am schönsten gelungen ist der Epilog. Nach dem Finale bauen die Mitwirkenden eine große Tafel auf und stoßen auf das Vierteljahrhundert an. Eine riesige Torte wird hereingebracht, es werden Gruppenfotos gemacht und die Stimmung ist ausgelassen, sprich es wird gefeiert. Ansonsten wird ein Nummernprogramm gespielt, in dem Artistinnen und Artisten vom Circus Theater Bingo aus Kiew den Schwerpunkt bilden. Das zeigt sich gleich beim Opening, das Bingo-Style gestaltet ist. Voller Dynamik wird in kreativen Kostümen getanzt und es werden verschiedene artistische Disziplinen gezeigt. Zu den Bingo-Akteueren kommen die vier ausgesprochen hübschen Damen des Balletts. Natürlich erleben wir das Quartett auch zwischen den einzelnen Auftritten in immer wieder neuen Choreographien und Kostümen.


Dimtri & Vitaly, Robert Wicke, Anton Shcherbyna

Den artistischen Auftakt rocken Dimitri und Vitaly. In schwarzen Lederwesten arbeiten die beiden Blondschöpfe ihre Partnerakrobatik. Vornehmlich im Einarmer hält sich der Obermann auf Kopf oder Hand des Mitstreiters variantenreich im Gleichgewicht. Auch Flugpassagen hat das Duo im Repertoire. Auf diese kraftvolle Darbietung zu Rockmusik folgt Robert Wicke. Den Frack vom Opening hat er jetzt gegen Ringelshirt, lässige Hose und eine Kappe eingetauscht. Ein „Mischpult“ über die Schulter gehängt, macht er irre Sounds mit seiner Stimme. Zudem beweist er, dass man auch mit einer Colaflasche und einem Kartoffelchip tolle Beats produzieren kann. Dabei bezieht Robert Wicke das Publikum ein, welches engagiert mitgeht. In seiner ersten von zwei eigenständigen Nummern lässt Anton Shcherbyna Diabolos durch die Luft fliegen. Voller Energie schickt er seine Requisiten auf immer wieder neue faszinierende Bahnen. Bis zu zwei davon jongliert er gleichzeitig.


Anna Pees, Daniel Rose, Vioris Zoppis

Ruhe kehrt ein, wenn Anna Pees nach einer Einleitung durch das Ballett ihren Körper verbiegt. Die Kontorsionistin versteht sich bestens darauf, extreme Verrenkungen ästhetisch aussehen zu lassen. Dies immer mit einem ungemein sympathischen Lächeln. Nachdem er sich kurz zuvor bereits mit seinem Gitarrenspiel eigener Stücke im „Two Hand Fingerstyle“ auf der Seitenbühne vorgestellt hat, verzaubert uns Daniel Rose nun auf dem großen Podium. Eine Zuschauerin darf an seinem Tisch Platz nehmen und die Manipulationen mit Spielkarten sowie Münzen aus nächster Nähe beobachten. Das restliche Publikum wird auf einem Videoschirm Zeuge von Dingen, die schlichtweg nicht sein können. Selbst wenn man schon Vieles auf diesem Gebiet gesehen hat, traut man seinen Augen nicht. Karten und Münzen wechseln in unfassbarer Weise ihren Platz. Dazu plaudert der Entertainer Daniel Rose sehr charmant. Nach einem Auftritt des Balletts dann gleich der nächste Höhepunkt. Vioris Zoppis verbindet Handstand- mit Strapaten-Akrobatik. Besondere Effekte ergeben sich durch den Einsatz von Wasser, das auf einer runden Fläche am Boden bereitsteht. Der 21-jährige Spross einer italienischen Circusfamilie zeigt atemberaubende Tricks. Das tut er mit einer schier unglaublichen Kraft und Energie. Diese Intensität transportiert Vioris Zoppis bis in den letzten Winkel des Theaters. Eine Arbeit, die einen vollends gefangen nimmt und zudem mit erstklassigen Kunststücken brilliert. Darauf kann nur die Pause folgen. Angekündigt wird diese von den vier Damen des Balletts, die die Lettern des Wortes „Pause“ auf Sternen präsentieren. Da es sich aber um fünf Buchstaben handelt, springt kurzerhand Robert Wicke ein.


Anton Shcherbyna, Apollo Ballett, Maryna & Tatyana

In exquisiten roten Kostümen nehmen uns die Tänzerinnen nach der Unterbrechung wieder in Empfang. Sogleich begleiten sie Anton Shcherbyna ins Scheinwerferlicht. In seinem zweiten Aufritt erleben wir ihn als „Tiger“ auf der Rola Rola. Das suggeriert zumindest sein Outfit. Er springt auf dem auf einer Walze liegenden Brett Seil und zeigt einen Handstand. Zum Schluss hält er sich auf einem Turm aus vier Walzen im Gleichgewicht. Ein Plüschbär ist der „Bühnenpartner“ von Robert Wicke. Diesen lässt er kurzerhand mit Hilfe eines Zaubertuchs „verschwinden“. Mit einer Jonglage von Keulen, die ihm teilweise von Zuschauern zugeworfen werden, teasert er seinen letzten Auftritt an. Doch zuvor erleben wir Maryna und Tatyana an den Luftschlaufen. Zum Bingo-Ohrwurm „Circus“ zelebrieren die beiden Schönheiten ihre intensive und durchaus riskante Luftakrobatik. Sie findet ihren Höhepunkt im Nackenwirbel, der von der Partnerin gehalten wird, welche kopfüber an den weißen Bändern hängt. Die letzte seiner Keulen bekommt Robert Wicke von einer jungen Dame auf der Bühne gereicht. So kann er letztendlich mit fünf der grünen Requisiten auf einer Kiste stehend jonglieren. Sodann werden die Keulen zum Blumenstrauß, mit dem Wicke seinen Gast zum näheren Kennenlernen auf eine Bank bittet. Und dort kommt man sich immerhin ein wenig näher. In dieser Dosis über den Abend verteilter Auftritte gefällt mir Robert Wicke äußerst gut. Deutlich besser jedenfalls als bei den vergleichsweise langen Blöcken in den Roncalli-Produktionen 2016 bis 2019.


Nirio Rodriguez Tejeda, Daniel Rose

Vor den letzten beiden Darbietungen lässt das Ballett noch einmal die Beine fliegen. Mit einer achtbeinigen Girlsreihe sorgen die Tänzerinnen erneut für schwungvollen Glamour. Nirio Rodriguez Tejeda lautet der klangvolle Name des folgenden Künstlers. Der Absolvent der Nationalen Zirkusschule in Kuba hat nicht nur einen beneidenswerten Körper, sondern versteht es auch, seine Muskeln äußerst geschickt einzusetzen. Er arbeitet sehr sicher die bekannten Tricks der Handstandakrobatik. Hinzu kommt das Drehen im freihändigen Kopfstand um die eigene Achse. Sehr effektvoll ist der Einarmer auf einer extrem hohen Stange. Noch einmal gehört die Bühne Daniel Rose. Noch einmal versetzt er uns in ungläubiges Staunen. Er jongliert mit leuchtenden Kugeln, die er in unterschiedlichen Höhen vor sich wirft und die immer wieder zu ihm zurückkehren. Unsichtbare Schnüre? Magneten? Oder vielleicht doch pure Magie? Das Rätsel bleibt ungelöst. Die Performance ist schlichtweg faszinierend. Zum Finale erfreut uns das Ballett in freizügigen Kostümen mit prächtigen Federn, Robert Wicke hat sich nochmal in den Frack geworfen und alle Artisten setzen ihr strahlendstes Lächeln auf. Nach den Abschiedsworten und dem ersten Vorhang folgt die rauschende Party im Epilog.

Damit enden zumindest für diesen Abend die Feierlichkeiten. Das Programm ist ohne Frage stark besetzt und überzeugend in Szene gesetzt. Dennoch hätte ich aufgrund meiner bisherigen Besuche mehr Kreativität erwartet. Gerade weil es sich um eine ganz besondere Show handelt. Auch bei der Besetzung hätte man einen Bezug zum Jubiläum herstellen können. Etwa durch ein Wiedersehen mit beliebten Künstlern aus den letzten 25 Jahren. Trotz dieser Anmerkungen habe ich diese Produktion im Düsseldorfer Apollo Varieté wieder voll und ganz genossen. Ein Abend, der einfach nur großen Spaß macht, einen aus dem Alltag reißt und neue Energie gibt. Happy Birthday!

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Text und Fotos: Stefan Gierisch